unser gegenwärtiges Interesse einschlagen. Indess sind beide Arten der Besonnenheit in Rücksicht ihres Zwecks nicht verschieden, beide sind durch- gehends von gleicher Stärke in dem nemlichen In- dividuum, erregen sich gegenseitig, und stehn mit einander in beständiger Wechselwirkung. Die Welt erinnert uns an unser Pflichtverhältniss, und dies macht uns aufmerksam auf Theile unseres äusseren Zustandes, die mit demselben in Ver- bindung stehen.
Die Funktion der Besonnenheit ist in dem Momente ihres Beginnens un willkührlich. Denn sie fasst auf, was der Zufall vorüberführt. Doch können wir derselben durch die Macht des Vorsatzes einen höheren Grad von Spannung mit- theilen, wenn dies unserm gegenwärtigen Be- dürfnisse angemessen ist. Sie ist gleichsam das Ohr des Geistes, welches wir absichtlich gegen ein Feld richten und von demselben abwenden können. In der Folge wird sie entweder ge- zwungen oder nach Willkühr zur Aufmerksam- keit erhoben.
Ihre Grösse verhält sich, wie sich die Reizbarkeit der Seele zur Stärke der Reize ver- hält, die auf sie wirken. Diese können um desto schwächer seyn, je stärker jene ist. Die Grösse des Reizes hängt von der Stärke des Eindrucks, der Lust und Unlust, die er erregt, und von dem Interesse ab, das er für uns hat, sofern wir ihn als Mittel zum Zweck betrachten. Der Schuss
unſer gegenwärtiges Intereſſe einſchlagen. Indeſs ſind beide Arten der Beſonnenheit in Rückſicht ihres Zwecks nicht verſchieden, beide ſind durch- gehends von gleicher Stärke in dem nemlichen In- dividuum, erregen ſich gegenſeitig, und ſtehn mit einander in beſtändiger Wechſelwirkung. Die Welt erinnert uns an unſer Pflichtverhältniſs, und dies macht uns aufmerkſam auf Theile unſeres äuſseren Zuſtandes, die mit demſelben in Ver- bindung ſtehen.
Die Funktion der Beſonnenheit iſt in dem Momente ihres Beginnens un willkührlich. Denn ſie faſst auf, was der Zufall vorüberführt. Doch können wir derſelben durch die Macht des Vorſatzes einen höheren Grad von Spannung mit- theilen, wenn dies unſerm gegenwärtigen Be- dürfniſſe angemeſſen iſt. Sie iſt gleichſam das Ohr des Geiſtes, welches wir abſichtlich gegen ein Feld richten und von demſelben abwenden können. In der Folge wird ſie entweder ge- zwungen oder nach Willkühr zur Aufmerkſam- keit erhoben.
Ihre Gröſse verhält ſich, wie ſich die Reizbarkeit der Seele zur Stärke der Reize ver- hält, die auf ſie wirken. Dieſe können um deſto ſchwächer ſeyn, je ſtärker jene iſt. Die Gröſse des Reizes hängt von der Stärke des Eindrucks, der Luſt und Unluſt, die er erregt, und von dem Intereſſe ab, das er für uns hat, ſofern wir ihn als Mittel zum Zweck betrachten. Der Schuſs
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unſer gegenwärtiges Intereſſe einſchlagen. Indeſs
ſind beide Arten der Beſonnenheit in Rückſicht
ihres Zwecks nicht verſchieden, beide ſind durch-
gehends von gleicher Stärke in dem nemlichen In-
dividuum, erregen ſich gegenſeitig, und ſtehn mit
einander in beſtändiger Wechſelwirkung. Die
Welt erinnert uns an unſer Pflichtverhältniſs, und
dies macht uns aufmerkſam auf Theile unſeres
äuſseren Zuſtandes, die mit demſelben in Ver-
bindung ſtehen.
Die Funktion der Beſonnenheit iſt in dem
Momente ihres Beginnens un willkührlich.
Denn ſie faſst auf, was der Zufall vorüberführt.
Doch können wir derſelben durch die Macht des
Vorſatzes einen höheren Grad von Spannung mit-
theilen, wenn dies unſerm gegenwärtigen Be-
dürfniſſe angemeſſen iſt. Sie iſt gleichſam das
Ohr des Geiſtes, welches wir abſichtlich gegen
ein Feld richten und von demſelben abwenden
können. In der Folge wird ſie entweder ge-
zwungen oder nach Willkühr zur Aufmerkſam-
keit erhoben.
Ihre Gröſse verhält ſich, wie ſich die
Reizbarkeit der Seele zur Stärke der Reize ver-
hält, die auf ſie wirken. Dieſe können um deſto
ſchwächer ſeyn, je ſtärker jene iſt. Die Gröſse
des Reizes hängt von der Stärke des Eindrucks,
der Luſt und Unluſt, die er erregt, und von dem
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als Mittel zum Zweck betrachten. Der Schuſs
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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