Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753.2. Cap. Von der Erziehung. Dieser Meinung pflichte ich völlig bey, Allein einige hegen gantz andere Gedanken: "und
2. Cap. Von der Erziehung. Dieſer Meinung pflichte ich voͤllig bey, Allein einige hegen gantz andere Gedanken: „und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0064" n="32"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">2. Cap. Von der Erziehung.</hi> </fw><lb/> <p>Dieſer Meinung pflichte ich voͤllig bey,<lb/> weil ich ſelbſt befunden, daß es ſeine Richtigkeit<lb/> hat, nemlich, daß alle aus den wilden und zah-<lb/> men Obſt-Kern erzeugete Staͤmme wild werden,<lb/> indem ich dergleichen viele 100. Schock erzogen<lb/> habe, und in meiner Pflanz-Schule bis dato je-<lb/> derman zeigen kan. Die Erfahrung lehret auch,<lb/> daß an den aus den Kern erzeugten Staͤmmen,<lb/> wenn ſie drey Jahr gewachſen, Stacheln, zu fin-<lb/> den ſind; es iſt aber bekant, daß niemalen an<lb/> denen guten Aepfel- und Birn-Baͤumen derglei-<lb/> chen angetroffen werden. Und geſetzt, man wol-<lb/> te dergleichen Kern-Staͤmme zu fruchttragen-<lb/> den Baͤumen in die Hoͤhe wachſen laſſen; was<lb/> wuͤrde dieſes fuͤr Nutzen bringen, wenn un-<lb/> ter 100. ſolchen Staͤmmen kaum einige ordentli-<lb/> che gute Arten zu finden waͤren. Und wer wird<lb/> wohl auf eine zweifelhafte Hofnung eine Zeit von<lb/> 15, 16, und mehr Jahren wenden, welche man<lb/> vielleicht nicht erlebete, indem man heutiges Tages<lb/> viel eher durch allerhand Pfropfungen zu zeiti-<lb/> gen und tragbaren Baͤumen, und zu unvergleich-<lb/> lichen Arten, welche an vielen Orten im Ueber-<lb/> fluß zu haben, gelangen kan.</p><lb/> <p>Allein einige hegen gantz andere Gedanken:<lb/> als der Herr von Ranzau, Koͤniglicher Stadt-<lb/> halter in Holſtein, welcher dafuͤr haͤlt, ”daß das<lb/> „Kern-Obſt, welches von edler Art iſt, doͤrfte<lb/> „eben ſo wenig abgepelzet werden, wenn man<lb/> „es deſto oͤfter, das iſt, drey oder viermahl um-<lb/> „ſetzen wolte, ſo wuͤrde ihre Frucht ſo geſchlacht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0064]
2. Cap. Von der Erziehung.
Dieſer Meinung pflichte ich voͤllig bey,
weil ich ſelbſt befunden, daß es ſeine Richtigkeit
hat, nemlich, daß alle aus den wilden und zah-
men Obſt-Kern erzeugete Staͤmme wild werden,
indem ich dergleichen viele 100. Schock erzogen
habe, und in meiner Pflanz-Schule bis dato je-
derman zeigen kan. Die Erfahrung lehret auch,
daß an den aus den Kern erzeugten Staͤmmen,
wenn ſie drey Jahr gewachſen, Stacheln, zu fin-
den ſind; es iſt aber bekant, daß niemalen an
denen guten Aepfel- und Birn-Baͤumen derglei-
chen angetroffen werden. Und geſetzt, man wol-
te dergleichen Kern-Staͤmme zu fruchttragen-
den Baͤumen in die Hoͤhe wachſen laſſen; was
wuͤrde dieſes fuͤr Nutzen bringen, wenn un-
ter 100. ſolchen Staͤmmen kaum einige ordentli-
che gute Arten zu finden waͤren. Und wer wird
wohl auf eine zweifelhafte Hofnung eine Zeit von
15, 16, und mehr Jahren wenden, welche man
vielleicht nicht erlebete, indem man heutiges Tages
viel eher durch allerhand Pfropfungen zu zeiti-
gen und tragbaren Baͤumen, und zu unvergleich-
lichen Arten, welche an vielen Orten im Ueber-
fluß zu haben, gelangen kan.
Allein einige hegen gantz andere Gedanken:
als der Herr von Ranzau, Koͤniglicher Stadt-
halter in Holſtein, welcher dafuͤr haͤlt, ”daß das
„Kern-Obſt, welches von edler Art iſt, doͤrfte
„eben ſo wenig abgepelzet werden, wenn man
„es deſto oͤfter, das iſt, drey oder viermahl um-
„ſetzen wolte, ſo wuͤrde ihre Frucht ſo geſchlacht
„und
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