Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zusammenhing; sie solle ihnen hinüber schicken, so viel sie wolle, nur möge sie die Leute nicht ins Haus ziehen! -- Für dieses große Zugeständniß nahm er es sich heraus, sie im Fluge auf die Wange zu küssen -- sie ward feuerroth, Zorn funkelte plötzlich in ihren Augen, aber sie schwieg -- dieser geraubte Kuß zerstörte alle Gefühle der Dankbarkeit, welche im Herzen des Mädchens noch so eben entbrannt waren -- denn sie fühlte, daß alle Güte, welche ihr Sommer bezeigte, der Selbstsucht entstammte, sie kam sich in seinen Augen vor wie ein schöngeschnittener Dukaten, den zu erwerben er keine Mühe, kein Opfer scheute, seine Liebe zu ihr erschien ihr als Geiz in Maske. Die Bauleute hatten Sommer noch nie so lustig gesehen, er machte die tollsten Späße! Der Arme! Der Kuß sollte ihm theuer zu stehen kommen! -- Trude wusch die Wange am Troge mit frischem Wasser und rieb den welken Kuß aus allen Kräften weg, so sehr ekelte ihr davor; dann trat sie vor das Hofthor, an dem eben Martin vorbeistolzirte; er grüßte militärisch, indem er zwei Finger der beschuhten Hand an den Czako legte -- Trude ward feuerroth und sagte unwillkürlich: Willkommen, Martin! Der Gefreite blieb bei der zutraulich Grüßenden stehen und dankte für die Forellen, lachte über die Art, wie sie sich gestern davongemacht habe, -- und fragte mit zärtlichen Blicken, ob ihr ein Soldatenrock so schrecklich fürchtig mache? Darauf meinte Trude mit niedergeschlagenen Augen: O nein! sie habe ihn schon lange erwartet, Vater Ignaz habe zusammenhing; sie solle ihnen hinüber schicken, so viel sie wolle, nur möge sie die Leute nicht ins Haus ziehen! — Für dieses große Zugeständniß nahm er es sich heraus, sie im Fluge auf die Wange zu küssen — sie ward feuerroth, Zorn funkelte plötzlich in ihren Augen, aber sie schwieg — dieser geraubte Kuß zerstörte alle Gefühle der Dankbarkeit, welche im Herzen des Mädchens noch so eben entbrannt waren — denn sie fühlte, daß alle Güte, welche ihr Sommer bezeigte, der Selbstsucht entstammte, sie kam sich in seinen Augen vor wie ein schöngeschnittener Dukaten, den zu erwerben er keine Mühe, kein Opfer scheute, seine Liebe zu ihr erschien ihr als Geiz in Maske. Die Bauleute hatten Sommer noch nie so lustig gesehen, er machte die tollsten Späße! Der Arme! Der Kuß sollte ihm theuer zu stehen kommen! — Trude wusch die Wange am Troge mit frischem Wasser und rieb den welken Kuß aus allen Kräften weg, so sehr ekelte ihr davor; dann trat sie vor das Hofthor, an dem eben Martin vorbeistolzirte; er grüßte militärisch, indem er zwei Finger der beschuhten Hand an den Czako legte — Trude ward feuerroth und sagte unwillkürlich: Willkommen, Martin! Der Gefreite blieb bei der zutraulich Grüßenden stehen und dankte für die Forellen, lachte über die Art, wie sie sich gestern davongemacht habe, — und fragte mit zärtlichen Blicken, ob ihr ein Soldatenrock so schrecklich fürchtig mache? Darauf meinte Trude mit niedergeschlagenen Augen: O nein! sie habe ihn schon lange erwartet, Vater Ignaz habe <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0034"/> zusammenhing; sie solle ihnen hinüber schicken, so viel sie wolle, nur möge sie die Leute nicht ins Haus ziehen! — Für dieses große Zugeständniß nahm er es sich heraus, sie im Fluge auf die Wange zu küssen — sie ward feuerroth, Zorn funkelte plötzlich in ihren Augen, aber sie schwieg — dieser geraubte Kuß zerstörte alle Gefühle der Dankbarkeit, welche im Herzen des Mädchens noch so eben entbrannt waren — denn sie fühlte, daß alle Güte, welche ihr Sommer bezeigte, der Selbstsucht entstammte, sie kam sich in seinen Augen vor wie ein schöngeschnittener Dukaten, den zu erwerben er keine Mühe, kein Opfer scheute, seine Liebe zu ihr erschien ihr als Geiz in Maske. Die Bauleute hatten Sommer noch nie so lustig gesehen, er machte die tollsten Späße! Der Arme! Der Kuß sollte ihm theuer zu stehen kommen! — Trude wusch die Wange am Troge mit frischem Wasser und rieb den welken Kuß aus allen Kräften weg, so sehr ekelte ihr davor; dann trat sie vor das Hofthor, an dem eben Martin vorbeistolzirte; er grüßte militärisch, indem er zwei Finger der beschuhten Hand an den Czako legte — Trude ward feuerroth und sagte unwillkürlich: Willkommen, Martin! Der Gefreite blieb bei der zutraulich Grüßenden stehen und dankte für die Forellen, lachte über die Art, wie sie sich gestern davongemacht habe, — und fragte mit zärtlichen Blicken, ob ihr ein Soldatenrock so schrecklich fürchtig mache? Darauf meinte Trude mit niedergeschlagenen Augen: O nein! sie habe ihn schon lange erwartet, Vater Ignaz habe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
zusammenhing; sie solle ihnen hinüber schicken, so viel sie wolle, nur möge sie die Leute nicht ins Haus ziehen! — Für dieses große Zugeständniß nahm er es sich heraus, sie im Fluge auf die Wange zu küssen — sie ward feuerroth, Zorn funkelte plötzlich in ihren Augen, aber sie schwieg — dieser geraubte Kuß zerstörte alle Gefühle der Dankbarkeit, welche im Herzen des Mädchens noch so eben entbrannt waren — denn sie fühlte, daß alle Güte, welche ihr Sommer bezeigte, der Selbstsucht entstammte, sie kam sich in seinen Augen vor wie ein schöngeschnittener Dukaten, den zu erwerben er keine Mühe, kein Opfer scheute, seine Liebe zu ihr erschien ihr als Geiz in Maske. Die Bauleute hatten Sommer noch nie so lustig gesehen, er machte die tollsten Späße! Der Arme! Der Kuß sollte ihm theuer zu stehen kommen! — Trude wusch die Wange am Troge mit frischem Wasser und rieb den welken Kuß aus allen Kräften weg, so sehr ekelte ihr davor; dann trat sie vor das Hofthor, an dem eben Martin vorbeistolzirte; er grüßte militärisch, indem er zwei Finger der beschuhten Hand an den Czako legte — Trude ward feuerroth und sagte unwillkürlich: Willkommen, Martin! Der Gefreite blieb bei der zutraulich Grüßenden stehen und dankte für die Forellen, lachte über die Art, wie sie sich gestern davongemacht habe, — und fragte mit zärtlichen Blicken, ob ihr ein Soldatenrock so schrecklich fürchtig mache? Darauf meinte Trude mit niedergeschlagenen Augen: O nein! sie habe ihn schon lange erwartet, Vater Ignaz habe
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/34>, abgerufen am 16.02.2025. |