Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.prächtiger als im Anfange unserer Erzählung, wenn auch noch sehr grob; sein Gang war munterer, sein Gesicht belebter, wenn er auch keine Nacht recht schlief, bald an die Kammerthür schlich, um auf Trudens Athemzüge oder auf die Worte zu lauschen, welche sie im Schlafe ausstieß (während sie ihrerseits den Riegel vorgeschoben hatte), bald das Fenster öffnete und in die warme Sommernacht auf seine Mühle hinaussah, welche noch unvollendet im Mondscheine dalag. Je höher die Mühle wuchs, desto zudringlicher wurde Sommer, desto finsterer und launischer Trude. Sie blieb Abends oft aus, und wenn Sommer ans Fensterlein des Schusters Ignaz pochte, legte sich Trude aufs rechte Ohr, der Meister aufs linke, und seufzend bald, bald fluchend mußte der Pflegevater allein nach Hause gehen, wo er seine Thür öffnete, den schweren Sack heraushob und seine Abbilder, die gleißenden Dukaten, im Mondenlichte überzählte, bis fern im Osten der Tag und der Morgenstern einander lächelnd begrüßten. So geschah's auch in einer Herbstnacht, daß Trude im Häuschen des Schusters geblieben war, wieder klopfte es an die Scheiben -- vergebens -- beide schnarchten um die Wette, aber der Klopfer dünkte sich stärker als der Schlaf drinnen und ließ nicht nach mit dem Pochen, daß die Scheiben klirrten, und als doch kein Mäuschen im Häuschen sich rührte, da drosch's an die Thür. Jetzt ward es dem Schuster Ignaz zu bunt, er kroch hervor aus seinem harten Lager, schob das Fenster bei Seite prächtiger als im Anfange unserer Erzählung, wenn auch noch sehr grob; sein Gang war munterer, sein Gesicht belebter, wenn er auch keine Nacht recht schlief, bald an die Kammerthür schlich, um auf Trudens Athemzüge oder auf die Worte zu lauschen, welche sie im Schlafe ausstieß (während sie ihrerseits den Riegel vorgeschoben hatte), bald das Fenster öffnete und in die warme Sommernacht auf seine Mühle hinaussah, welche noch unvollendet im Mondscheine dalag. Je höher die Mühle wuchs, desto zudringlicher wurde Sommer, desto finsterer und launischer Trude. Sie blieb Abends oft aus, und wenn Sommer ans Fensterlein des Schusters Ignaz pochte, legte sich Trude aufs rechte Ohr, der Meister aufs linke, und seufzend bald, bald fluchend mußte der Pflegevater allein nach Hause gehen, wo er seine Thür öffnete, den schweren Sack heraushob und seine Abbilder, die gleißenden Dukaten, im Mondenlichte überzählte, bis fern im Osten der Tag und der Morgenstern einander lächelnd begrüßten. So geschah's auch in einer Herbstnacht, daß Trude im Häuschen des Schusters geblieben war, wieder klopfte es an die Scheiben — vergebens — beide schnarchten um die Wette, aber der Klopfer dünkte sich stärker als der Schlaf drinnen und ließ nicht nach mit dem Pochen, daß die Scheiben klirrten, und als doch kein Mäuschen im Häuschen sich rührte, da drosch's an die Thür. Jetzt ward es dem Schuster Ignaz zu bunt, er kroch hervor aus seinem harten Lager, schob das Fenster bei Seite <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0026"/> prächtiger als im Anfange unserer Erzählung, wenn auch noch sehr grob; sein Gang war munterer, sein Gesicht belebter, wenn er auch keine Nacht recht schlief, bald an die Kammerthür schlich, um auf Trudens Athemzüge oder auf die Worte zu lauschen, welche sie im Schlafe ausstieß (während sie ihrerseits den Riegel vorgeschoben hatte), bald das Fenster öffnete und in die warme Sommernacht auf seine Mühle hinaussah, welche noch unvollendet im Mondscheine dalag. Je höher die Mühle wuchs, desto zudringlicher wurde Sommer, desto finsterer und launischer Trude. Sie blieb Abends oft aus, und wenn Sommer ans Fensterlein des Schusters Ignaz pochte, legte sich Trude aufs rechte Ohr, der Meister aufs linke, und seufzend bald, bald fluchend mußte der Pflegevater allein nach Hause gehen, wo er seine Thür öffnete, den schweren Sack heraushob und seine Abbilder, die gleißenden Dukaten, im Mondenlichte überzählte, bis fern im Osten der Tag und der Morgenstern einander lächelnd begrüßten.</p><lb/> <p>So geschah's auch in einer Herbstnacht, daß Trude im Häuschen des Schusters geblieben war, wieder klopfte es an die Scheiben — vergebens — beide schnarchten um die Wette, aber der Klopfer dünkte sich stärker als der Schlaf drinnen und ließ nicht nach mit dem Pochen, daß die Scheiben klirrten, und als doch kein Mäuschen im Häuschen sich rührte, da drosch's an die Thür. Jetzt ward es dem Schuster Ignaz zu bunt, er kroch hervor aus seinem harten Lager, schob das Fenster bei Seite<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
prächtiger als im Anfange unserer Erzählung, wenn auch noch sehr grob; sein Gang war munterer, sein Gesicht belebter, wenn er auch keine Nacht recht schlief, bald an die Kammerthür schlich, um auf Trudens Athemzüge oder auf die Worte zu lauschen, welche sie im Schlafe ausstieß (während sie ihrerseits den Riegel vorgeschoben hatte), bald das Fenster öffnete und in die warme Sommernacht auf seine Mühle hinaussah, welche noch unvollendet im Mondscheine dalag. Je höher die Mühle wuchs, desto zudringlicher wurde Sommer, desto finsterer und launischer Trude. Sie blieb Abends oft aus, und wenn Sommer ans Fensterlein des Schusters Ignaz pochte, legte sich Trude aufs rechte Ohr, der Meister aufs linke, und seufzend bald, bald fluchend mußte der Pflegevater allein nach Hause gehen, wo er seine Thür öffnete, den schweren Sack heraushob und seine Abbilder, die gleißenden Dukaten, im Mondenlichte überzählte, bis fern im Osten der Tag und der Morgenstern einander lächelnd begrüßten.
So geschah's auch in einer Herbstnacht, daß Trude im Häuschen des Schusters geblieben war, wieder klopfte es an die Scheiben — vergebens — beide schnarchten um die Wette, aber der Klopfer dünkte sich stärker als der Schlaf drinnen und ließ nicht nach mit dem Pochen, daß die Scheiben klirrten, und als doch kein Mäuschen im Häuschen sich rührte, da drosch's an die Thür. Jetzt ward es dem Schuster Ignaz zu bunt, er kroch hervor aus seinem harten Lager, schob das Fenster bei Seite
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/26>, abgerufen am 16.02.2025. |