Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und schwarzen Korn- und Haferbrodes darin -- also ein Bettelkind! Als er die Schürze wieder zusammenwickelte, schlug das Mädchen zwei dunkle Augen auf, welche ihn anstarrten, als besännen sie sich, was sie sähen, wo sie wären. -- Sommer richtete sich schnell auf, seine hagere Gestalt reichte fast so weit als das Thor; das Kind sprang furchtsam auf und wollte davonrennen, aber Sommer hielt es am Röckchen fest, das kaum seine runden Wädchen bedeckte. Was wollt Ihr? -- schrie sie ihn an, laßt mich gehn, ich hab' noch keine Schüssel voll Brod! -- Kannst schon kriegen! ich habe auch Brod! sag mir, wie heißt du? -- Trude! -- Wie noch? -- Ich weiß nicht! -- Wie heißt dein Vater? -- Ich habe keinen! sagte das Mädchen und starrte den Bauer mit großen Augen an. -- Und wie heißt deine Mutter? -- Die Bettelthrese! -- Wer heißt sie so? -- Die Leute! -- Hast du deine Mutter gern? -- Nicht ein Grümpchen! -- Warum nicht? -- Sie schlägt mich so sehr! -- Warum schlägt sie dich? -- Weil ich die Schüssel nicht voll aufbring'! -- Hast du Geschwister? -- O ja! sechse! sie laufen alle betteln 'rum wie ich; der Kerle geht ins Wirthshaus! -- Wer ist der Kerle? -- I nu der Kerle! -- Wer ist der Kerle? -- Der bei der Mutter schläft. -- Sommer Hans lachte, Trude wollte wieder ausreißen. -- He Trude! bleib, hast ja noch nichts kriegt! Sag mir, möchtest bei mir bleiben? -- er ergriff sie beim Händchen, das er zärtlich drückte. -- O ja! rief Trude, wenn Ihr mich nicht schlagt! -- Wird dir und schwarzen Korn- und Haferbrodes darin — also ein Bettelkind! Als er die Schürze wieder zusammenwickelte, schlug das Mädchen zwei dunkle Augen auf, welche ihn anstarrten, als besännen sie sich, was sie sähen, wo sie wären. — Sommer richtete sich schnell auf, seine hagere Gestalt reichte fast so weit als das Thor; das Kind sprang furchtsam auf und wollte davonrennen, aber Sommer hielt es am Röckchen fest, das kaum seine runden Wädchen bedeckte. Was wollt Ihr? — schrie sie ihn an, laßt mich gehn, ich hab' noch keine Schüssel voll Brod! — Kannst schon kriegen! ich habe auch Brod! sag mir, wie heißt du? — Trude! — Wie noch? — Ich weiß nicht! — Wie heißt dein Vater? — Ich habe keinen! sagte das Mädchen und starrte den Bauer mit großen Augen an. — Und wie heißt deine Mutter? — Die Bettelthrese! — Wer heißt sie so? — Die Leute! — Hast du deine Mutter gern? — Nicht ein Grümpchen! — Warum nicht? — Sie schlägt mich so sehr! — Warum schlägt sie dich? — Weil ich die Schüssel nicht voll aufbring'! — Hast du Geschwister? — O ja! sechse! sie laufen alle betteln 'rum wie ich; der Kerle geht ins Wirthshaus! — Wer ist der Kerle? — I nu der Kerle! — Wer ist der Kerle? — Der bei der Mutter schläft. — Sommer Hans lachte, Trude wollte wieder ausreißen. — He Trude! bleib, hast ja noch nichts kriegt! Sag mir, möchtest bei mir bleiben? — er ergriff sie beim Händchen, das er zärtlich drückte. — O ja! rief Trude, wenn Ihr mich nicht schlagt! — Wird dir <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0015"/> und schwarzen Korn- und Haferbrodes darin — also ein Bettelkind! Als er die Schürze wieder zusammenwickelte, schlug das Mädchen zwei dunkle Augen auf, welche ihn anstarrten, als besännen sie sich, was sie sähen, wo sie wären. — Sommer richtete sich schnell auf, seine hagere Gestalt reichte fast so weit als das Thor; das Kind sprang furchtsam auf und wollte davonrennen, aber Sommer hielt es am Röckchen fest, das kaum seine runden Wädchen bedeckte. Was wollt Ihr? — schrie sie ihn an, laßt mich gehn, ich hab' noch keine Schüssel voll Brod! — Kannst schon kriegen! ich habe auch Brod! sag mir, wie heißt du? — Trude! — Wie noch? — Ich weiß nicht! — Wie heißt dein Vater? — Ich habe keinen! sagte das Mädchen und starrte den Bauer mit großen Augen an. — Und wie heißt deine Mutter? — Die Bettelthrese! — Wer heißt sie so? — Die Leute! — Hast du deine Mutter gern? — Nicht ein Grümpchen! — Warum nicht? — Sie schlägt mich so sehr! — Warum schlägt sie dich? — Weil ich die Schüssel nicht voll aufbring'! — Hast du Geschwister? — O ja! sechse! sie laufen alle betteln 'rum wie ich; der Kerle geht ins Wirthshaus! — Wer ist der Kerle? — I nu der Kerle! — Wer ist der Kerle? — Der bei der Mutter schläft. — Sommer Hans lachte, Trude wollte wieder ausreißen. — He Trude! bleib, hast ja noch nichts kriegt! Sag mir, möchtest bei mir bleiben? — er ergriff sie beim Händchen, das er zärtlich drückte. — O ja! rief Trude, wenn Ihr mich nicht schlagt! — Wird dir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
und schwarzen Korn- und Haferbrodes darin — also ein Bettelkind! Als er die Schürze wieder zusammenwickelte, schlug das Mädchen zwei dunkle Augen auf, welche ihn anstarrten, als besännen sie sich, was sie sähen, wo sie wären. — Sommer richtete sich schnell auf, seine hagere Gestalt reichte fast so weit als das Thor; das Kind sprang furchtsam auf und wollte davonrennen, aber Sommer hielt es am Röckchen fest, das kaum seine runden Wädchen bedeckte. Was wollt Ihr? — schrie sie ihn an, laßt mich gehn, ich hab' noch keine Schüssel voll Brod! — Kannst schon kriegen! ich habe auch Brod! sag mir, wie heißt du? — Trude! — Wie noch? — Ich weiß nicht! — Wie heißt dein Vater? — Ich habe keinen! sagte das Mädchen und starrte den Bauer mit großen Augen an. — Und wie heißt deine Mutter? — Die Bettelthrese! — Wer heißt sie so? — Die Leute! — Hast du deine Mutter gern? — Nicht ein Grümpchen! — Warum nicht? — Sie schlägt mich so sehr! — Warum schlägt sie dich? — Weil ich die Schüssel nicht voll aufbring'! — Hast du Geschwister? — O ja! sechse! sie laufen alle betteln 'rum wie ich; der Kerle geht ins Wirthshaus! — Wer ist der Kerle? — I nu der Kerle! — Wer ist der Kerle? — Der bei der Mutter schläft. — Sommer Hans lachte, Trude wollte wieder ausreißen. — He Trude! bleib, hast ja noch nichts kriegt! Sag mir, möchtest bei mir bleiben? — er ergriff sie beim Händchen, das er zärtlich drückte. — O ja! rief Trude, wenn Ihr mich nicht schlagt! — Wird dir
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/15>, abgerufen am 16.02.2025. |