Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Walther von der Vogelweide. Wer ist wohl jener Mann in der zerrissenen Jacke welche fast einer Karte von Deutschland ähnlich ist durch ihre mannigfaltigen Farbenmuster? Seine schmutzige hirschlederne Hose reicht nicht weit unter das Knie, das untere Bein ist nackt und sehr gebräunt, sein Halstuch sieht einem Strick nicht unähnlich, so lange her ist es, seit er es auf dem Reichenauer Wochenmarkt endlich unter Seufzern gekauft, nachdem er zehnmal von der Bude weggelaufen und sogar das unermüdliche Mundstück der Schnittwarenhändlerin verachtungsvoll stillgestanden, als er verzweiflungsvoll den ledernen Beutel zog und nach einer halben Stunde Herumwühlens das alte Lied sang, man solle ihm einen Groschen nachlassen; -- ja, und der Hut, welcher seinen kleinen Kopf bedeckt, bietet dem Geometer, der seine Form bestimmen sollte, große Schwierigkeiten, denn von jeder Seite sieht er sich anders an -- meine Leser werden mir eine weitere Detailschilderung erlassen, da ich durchaus nicht gewillt bin, ein schwarzes Buch zu schreiben, wohl aber eine düster- Walther von der Vogelweide. Wer ist wohl jener Mann in der zerrissenen Jacke welche fast einer Karte von Deutschland ähnlich ist durch ihre mannigfaltigen Farbenmuster? Seine schmutzige hirschlederne Hose reicht nicht weit unter das Knie, das untere Bein ist nackt und sehr gebräunt, sein Halstuch sieht einem Strick nicht unähnlich, so lange her ist es, seit er es auf dem Reichenauer Wochenmarkt endlich unter Seufzern gekauft, nachdem er zehnmal von der Bude weggelaufen und sogar das unermüdliche Mundstück der Schnittwarenhändlerin verachtungsvoll stillgestanden, als er verzweiflungsvoll den ledernen Beutel zog und nach einer halben Stunde Herumwühlens das alte Lied sang, man solle ihm einen Groschen nachlassen; — ja, und der Hut, welcher seinen kleinen Kopf bedeckt, bietet dem Geometer, der seine Form bestimmen sollte, große Schwierigkeiten, denn von jeder Seite sieht er sich anders an — meine Leser werden mir eine weitere Detailschilderung erlassen, da ich durchaus nicht gewillt bin, ein schwarzes Buch zu schreiben, wohl aber eine düster- <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <pb facs="#f0010"/> </div> </front> <body> <div n="0"> <epigraph> <cit> <quote> <lg> <l>Die Welt ist außen schöne weiß, grüne und roth,</l><lb/> <l>Und innen schwarzer Farbe, finster wie der Tod.</l><lb/> </lg> </quote> <bibl> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118628976">Walther von der Vogelweide.</persName> </bibl> </cit> </epigraph> <p>Wer ist wohl jener Mann in der zerrissenen Jacke welche fast einer Karte von Deutschland ähnlich ist durch ihre mannigfaltigen Farbenmuster? Seine schmutzige hirschlederne Hose reicht nicht weit unter das Knie, das untere Bein ist nackt und sehr gebräunt, sein Halstuch sieht einem Strick nicht unähnlich, so lange her ist es, seit er es auf dem Reichenauer Wochenmarkt endlich unter Seufzern gekauft, nachdem er zehnmal von der Bude weggelaufen und sogar das unermüdliche Mundstück der Schnittwarenhändlerin verachtungsvoll stillgestanden, als er verzweiflungsvoll den ledernen Beutel zog und nach einer halben Stunde Herumwühlens das alte Lied sang, man solle ihm einen Groschen nachlassen; — ja, und der Hut, welcher seinen kleinen Kopf bedeckt, bietet dem Geometer, der seine Form bestimmen sollte, große Schwierigkeiten, denn von jeder Seite sieht er sich anders an — meine Leser werden mir eine weitere Detailschilderung erlassen, da ich durchaus nicht gewillt bin, ein schwarzes Buch zu schreiben, wohl aber eine düster-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Die Welt ist außen schöne weiß, grüne und roth,
Und innen schwarzer Farbe, finster wie der Tod.
Walther von der Vogelweide. Wer ist wohl jener Mann in der zerrissenen Jacke welche fast einer Karte von Deutschland ähnlich ist durch ihre mannigfaltigen Farbenmuster? Seine schmutzige hirschlederne Hose reicht nicht weit unter das Knie, das untere Bein ist nackt und sehr gebräunt, sein Halstuch sieht einem Strick nicht unähnlich, so lange her ist es, seit er es auf dem Reichenauer Wochenmarkt endlich unter Seufzern gekauft, nachdem er zehnmal von der Bude weggelaufen und sogar das unermüdliche Mundstück der Schnittwarenhändlerin verachtungsvoll stillgestanden, als er verzweiflungsvoll den ledernen Beutel zog und nach einer halben Stunde Herumwühlens das alte Lied sang, man solle ihm einen Groschen nachlassen; — ja, und der Hut, welcher seinen kleinen Kopf bedeckt, bietet dem Geometer, der seine Form bestimmen sollte, große Schwierigkeiten, denn von jeder Seite sieht er sich anders an — meine Leser werden mir eine weitere Detailschilderung erlassen, da ich durchaus nicht gewillt bin, ein schwarzes Buch zu schreiben, wohl aber eine düster-
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/10>, abgerufen am 25.07.2024. |