das höchste Ansehen genoß, sich der religiösen Verordnung des Kaisers allerdings zwar nicht unterwarf, aber doch näher anschloß, als Jemand für möglich gehalten hätte. 1
Sein Beispiel und sein Rath vermochten nun auch An- dere zu einem ähnlichen Verfahren.
Triumphirend verkündigte Agricola in der Schloßkirche zu Berlin die Zugeständnisse der Wittenberger Theologen, über welche zu Jüterbock mit den Räthen Joachims II Rück- sprache genommen worden, als eine Bestätigung des kaiser- lichen Buches, das man so viel geschmäht habe. Hierauf fragten die märkischen Prediger in Wittenberg an, was es mit ihren Beschlüssen auf sich habe: ob wirklich das Wei- hen von Wasser, Salz und Öl, das Heben und Legen des Kreuzes, Singen der Vigilien von ihnen hergestellt sey; ob man sich wirklich wieder des von den Bischöfen geweihten Chrisma bediene? Gern, sagen sie, wollen wir bei eurer Kirche bleiben und alles halten was ihr haltet, als eure Schüler. Bugenhagen und Melanchthon antworteten, nie- mals sey es ihnen in Sinn gekommen, das Weihen von Wasser und Öl zu billigen, noch erschalle die Lehre rein zu Wittenberg und über den Inhalt der märkischen Kirchenord- nung sey man nicht hinausgegangen. Ihr Landesfürst möge das Interim nach Maaßgabe dieser Übereinstimmung einfüh- ren. So viel sey übrigens wahr, daß man eher eine harte Knechtschaft ertragen, als eine Verödung der Kirche zulas-
1 Schreiben Christofs von Karlwitz Torgau 16 März (Berl. Arch.), im Anhang: "Mein gn. H. konte leiden daß es ehe bescheen, und heldet embsig darumb an." Expositio Ddd "librum agendo- rum confecerunt ad formulam mandatam, qui perfectus fuit mense Martio" ao 49.
Einfuͤhrung des Interims.
das höchſte Anſehen genoß, ſich der religiöſen Verordnung des Kaiſers allerdings zwar nicht unterwarf, aber doch näher anſchloß, als Jemand für möglich gehalten hätte. 1
Sein Beiſpiel und ſein Rath vermochten nun auch An- dere zu einem ähnlichen Verfahren.
Triumphirend verkündigte Agricola in der Schloßkirche zu Berlin die Zugeſtändniſſe der Wittenberger Theologen, über welche zu Jüterbock mit den Räthen Joachims II Rück- ſprache genommen worden, als eine Beſtätigung des kaiſer- lichen Buches, das man ſo viel geſchmäht habe. Hierauf fragten die märkiſchen Prediger in Wittenberg an, was es mit ihren Beſchlüſſen auf ſich habe: ob wirklich das Wei- hen von Waſſer, Salz und Öl, das Heben und Legen des Kreuzes, Singen der Vigilien von ihnen hergeſtellt ſey; ob man ſich wirklich wieder des von den Biſchöfen geweihten Chrisma bediene? Gern, ſagen ſie, wollen wir bei eurer Kirche bleiben und alles halten was ihr haltet, als eure Schüler. Bugenhagen und Melanchthon antworteten, nie- mals ſey es ihnen in Sinn gekommen, das Weihen von Waſſer und Öl zu billigen, noch erſchalle die Lehre rein zu Wittenberg und über den Inhalt der märkiſchen Kirchenord- nung ſey man nicht hinausgegangen. Ihr Landesfürſt möge das Interim nach Maaßgabe dieſer Übereinſtimmung einfüh- ren. So viel ſey übrigens wahr, daß man eher eine harte Knechtſchaft ertragen, als eine Verödung der Kirche zulaſ-
1 Schreiben Chriſtofs von Karlwitz Torgau 16 Maͤrz (Berl. Arch.), im Anhang: „Mein gn. H. konte leiden daß es ehe beſcheen, und heldet embſig darumb an.“ Expositio Ddd „librum agendo- rum confecerunt ad formulam mandatam, qui perfectus fuit mense Martio“ aō 49.
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Einfuͤhrung des Interims.
das höchſte Anſehen genoß, ſich der religiöſen Verordnung
des Kaiſers allerdings zwar nicht unterwarf, aber doch näher
anſchloß, als Jemand für möglich gehalten hätte. 1
Sein Beiſpiel und ſein Rath vermochten nun auch An-
dere zu einem ähnlichen Verfahren.
Triumphirend verkündigte Agricola in der Schloßkirche
zu Berlin die Zugeſtändniſſe der Wittenberger Theologen,
über welche zu Jüterbock mit den Räthen Joachims II Rück-
ſprache genommen worden, als eine Beſtätigung des kaiſer-
lichen Buches, das man ſo viel geſchmäht habe. Hierauf
fragten die märkiſchen Prediger in Wittenberg an, was es
mit ihren Beſchlüſſen auf ſich habe: ob wirklich das Wei-
hen von Waſſer, Salz und Öl, das Heben und Legen des
Kreuzes, Singen der Vigilien von ihnen hergeſtellt ſey; ob
man ſich wirklich wieder des von den Biſchöfen geweihten
Chrisma bediene? Gern, ſagen ſie, wollen wir bei eurer
Kirche bleiben und alles halten was ihr haltet, als eure
Schüler. Bugenhagen und Melanchthon antworteten, nie-
mals ſey es ihnen in Sinn gekommen, das Weihen von
Waſſer und Öl zu billigen, noch erſchalle die Lehre rein zu
Wittenberg und über den Inhalt der märkiſchen Kirchenord-
nung ſey man nicht hinausgegangen. Ihr Landesfürſt möge
das Interim nach Maaßgabe dieſer Übereinſtimmung einfüh-
ren. So viel ſey übrigens wahr, daß man eher eine harte
Knechtſchaft ertragen, als eine Verödung der Kirche zulaſ-
1 Schreiben Chriſtofs von Karlwitz Torgau 16 Maͤrz (Berl.
Arch.), im Anhang: „Mein gn. H. konte leiden daß es ehe beſcheen,
und heldet embſig darumb an.“ Expositio Ddd „librum agendo-
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Martio“ aō 49.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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