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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Zweites Capitel.
wie da, wo von den Werken die Rede war, aus denen man
ohne Grund Gottesdienst gemacht: in der Lehre von der
Rechtfertigung nahm man selbst den Ausdruck eingegossene
Gerechtigkeit auf, der der entgegengesetzten Ansicht angehört. 1
Julius Pflug war jedoch mit der Art wie das geschah noch
nicht ganz befriedigt. Wenn die Theologen festsetzten, die
Gerechtigkeit des Versöhnten bedeute nur, daß Gott sich den
schwachen Anfang des Gehorsams um Christi willen gefal-
len lasse, so forderte man katholischer Seits die Formel, daß
der Mensch durch den heil. Geist erneuert werde und das
Rechte mit der That vollbringen könne. Die Theologen ha-
ben auf Einreden der fürstlichen Räthe endlich wirklich zu-
gegeben, daß beide Sätze vereinigt wurden. So ist eine
Formel zu Stande gekommen, in der allerdings das prote-
stantische Prinzip vorherrscht, die aber nichts weniger als
aus Einem Gusse ist: man sieht gleichsam mit Augen, wie
eine Vorstellung von anderm Ursprung mit demselben in Be-
rührung geräth und dagegen vorzudringen sucht. Höchlich
zufrieden erklärte sich Julius Pflug. Da man über die Lehre
im Allgemeinen, über die Autorität der Kirche und die Sa-
cramente einverstanden sey, 2 so hofft er daß man sich auch
in den übrigen Puncten im Sinne der kaiserlichen Anord-
nung vereinigen werde.


1 In der alten Redaction heißt es: Etsi igitur inchoari obe-
dientiam oportet, tamen non est cogitandum hominem habere re-
missionem;
in der nenen: Etiamsi nova obedientia inchoata est
et justitia infusa in homine, non tamen cogitandum est quod pro-
pter eam persona habeat remissionem.
Es ist auffallend daß sie
es nichts desto minder nennen "Caput ex formula Mysnica de-
scriptum."
2 Epistola Pflugii ad Georgium Anhaldiae principem 14 Cal.

Neuntes Buch. Zweites Capitel.
wie da, wo von den Werken die Rede war, aus denen man
ohne Grund Gottesdienſt gemacht: in der Lehre von der
Rechtfertigung nahm man ſelbſt den Ausdruck eingegoſſene
Gerechtigkeit auf, der der entgegengeſetzten Anſicht angehört. 1
Julius Pflug war jedoch mit der Art wie das geſchah noch
nicht ganz befriedigt. Wenn die Theologen feſtſetzten, die
Gerechtigkeit des Verſöhnten bedeute nur, daß Gott ſich den
ſchwachen Anfang des Gehorſams um Chriſti willen gefal-
len laſſe, ſo forderte man katholiſcher Seits die Formel, daß
der Menſch durch den heil. Geiſt erneuert werde und das
Rechte mit der That vollbringen könne. Die Theologen ha-
ben auf Einreden der fürſtlichen Räthe endlich wirklich zu-
gegeben, daß beide Sätze vereinigt wurden. So iſt eine
Formel zu Stande gekommen, in der allerdings das prote-
ſtantiſche Prinzip vorherrſcht, die aber nichts weniger als
aus Einem Guſſe iſt: man ſieht gleichſam mit Augen, wie
eine Vorſtellung von anderm Urſprung mit demſelben in Be-
rührung geräth und dagegen vorzudringen ſucht. Höchlich
zufrieden erklärte ſich Julius Pflug. Da man über die Lehre
im Allgemeinen, über die Autorität der Kirche und die Sa-
cramente einverſtanden ſey, 2 ſo hofft er daß man ſich auch
in den übrigen Puncten im Sinne der kaiſerlichen Anord-
nung vereinigen werde.


1 In der alten Redaction heißt es: Etsi igitur inchoari obe-
dientiam oportet, tamen non est cogitandum hominem habere re-
missionem;
in der nenen: Etiamsi nova obedientia inchoata est
et justitia infusa in homine, non tamen cogitandum est quod pro-
pter eam persona habeat remissionem.
Es iſt auffallend daß ſie
es nichts deſto minder nennen „Caput ex formula Mysnica de-
scriptum.“
2 Epistola Pflugii ad Georgium Anhaldiae principem 14 Cal.
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[80/0092] Neuntes Buch. Zweites Capitel. wie da, wo von den Werken die Rede war, aus denen man ohne Grund Gottesdienſt gemacht: in der Lehre von der Rechtfertigung nahm man ſelbſt den Ausdruck eingegoſſene Gerechtigkeit auf, der der entgegengeſetzten Anſicht angehört. 1 Julius Pflug war jedoch mit der Art wie das geſchah noch nicht ganz befriedigt. Wenn die Theologen feſtſetzten, die Gerechtigkeit des Verſöhnten bedeute nur, daß Gott ſich den ſchwachen Anfang des Gehorſams um Chriſti willen gefal- len laſſe, ſo forderte man katholiſcher Seits die Formel, daß der Menſch durch den heil. Geiſt erneuert werde und das Rechte mit der That vollbringen könne. Die Theologen ha- ben auf Einreden der fürſtlichen Räthe endlich wirklich zu- gegeben, daß beide Sätze vereinigt wurden. So iſt eine Formel zu Stande gekommen, in der allerdings das prote- ſtantiſche Prinzip vorherrſcht, die aber nichts weniger als aus Einem Guſſe iſt: man ſieht gleichſam mit Augen, wie eine Vorſtellung von anderm Urſprung mit demſelben in Be- rührung geräth und dagegen vorzudringen ſucht. Höchlich zufrieden erklärte ſich Julius Pflug. Da man über die Lehre im Allgemeinen, über die Autorität der Kirche und die Sa- cramente einverſtanden ſey, 2 ſo hofft er daß man ſich auch in den übrigen Puncten im Sinne der kaiſerlichen Anord- nung vereinigen werde. 1 In der alten Redaction heißt es: Etsi igitur inchoari obe- dientiam oportet, tamen non est cogitandum hominem habere re- missionem; in der nenen: Etiamsi nova obedientia inchoata est et justitia infusa in homine, non tamen cogitandum est quod pro- pter eam persona habeat remissionem. Es iſt auffallend daß ſie es nichts deſto minder nennen „Caput ex formula Mysnica de- scriptum.“ 2 Epistola Pflugii ad Georgium Anhaldiae principem 14 Cal.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/92>, abgerufen am 22.11.2024.