Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Haltung Melanchthons. getragen. Dahin war noch immer die Aufmerksamkeit allerGläubigen gerichtet. Es war ein nicht allein für Sachsen, sondern für die ganze evangelische Welt im höchsten Grade wichtiges Ereigniß, wenn es dem Churfürsten gelang, diesen Mann und seine Amtsgenossen zu einer Annäherung an die kaiserliche Formel zu vermögen. Indem er dieß versuchte, kam ihm zu Statten daß er 1 "als ich bedacht habe, daß die Personen wie wir viel Jahr
beisammen gewesen, zu Pflanzung löblicher Künsten und christlicher Lehr nützlich gedient haben." An Mkg. Joachim, Corp. Ref. VI, 734. Haltung Melanchthons. getragen. Dahin war noch immer die Aufmerkſamkeit allerGläubigen gerichtet. Es war ein nicht allein für Sachſen, ſondern für die ganze evangeliſche Welt im höchſten Grade wichtiges Ereigniß, wenn es dem Churfürſten gelang, dieſen Mann und ſeine Amtsgenoſſen zu einer Annäherung an die kaiſerliche Formel zu vermögen. Indem er dieß verſuchte, kam ihm zu Statten daß er 1 „als ich bedacht habe, daß die Perſonen wie wir viel Jahr
beiſammen geweſen, zu Pflanzung loͤblicher Kuͤnſten und chriſtlicher Lehr nuͤtzlich gedient haben.“ An Mkg. Joachim, Corp. Ref. VI, 734. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0087" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Haltung Melanchthons</hi>.</fw><lb/> getragen. Dahin war noch immer die Aufmerkſamkeit aller<lb/> Gläubigen gerichtet. Es war ein nicht allein für Sachſen,<lb/> ſondern für die ganze evangeliſche Welt im höchſten Grade<lb/> wichtiges Ereigniß, wenn es dem Churfürſten gelang, dieſen<lb/> Mann und ſeine Amtsgenoſſen zu einer Annäherung an die<lb/> kaiſerliche Formel zu vermögen.</p><lb/> <p>Indem er dieß verſuchte, kam ihm zu Statten daß er<lb/> die in den Kriegsunruhen zerſtreute Univerſität wieder auf-<lb/> gerichtet, die alten Profeſſoren zurückberufen, ſich um alle<lb/> zuſammen und jeden beſonders perſönliche Verdienſte erwor-<lb/> ben hatte, auch um Melanchthon. Melanchthon war nach<lb/> England und nach Dänemark, nach Tübingen und Frank-<lb/> furt a. d. Oder berufen worden, auch die Söhne Johann<lb/> Friedrichs hatten ihm Anträge gemacht; er zog es aber vor,<lb/> nach Wittenberg zurückzukehren, an das ihn alle Gewohn-<lb/> heiten des täglichen Lebens feſſelten, wo ſeine Familie ſich<lb/> wohl befand, — ſeine liebſten Freunde, einverſtandene Col-<lb/> legen lebten; <note place="foot" n="1">„als ich bedacht habe, daß die Perſonen wie wir viel Jahr<lb/> beiſammen geweſen, zu Pflanzung loͤblicher Kuͤnſten und chriſtlicher Lehr<lb/> nuͤtzlich gedient haben.“ An Mkg. Joachim, <hi rendition="#aq">Corp. Ref. VI,</hi> 734.</note> ſein Ehrgeiz war, aus dem großen Schiff-<lb/> bruch, wie er ſagte, die Trümmer zu retten, die Univerſität,<lb/> deren Ruf und Daſeyn mit dem ſeinen verwachſen war, wie-<lb/> derherzuſtellen. Die neue Regierung zog ihn bei den Ge-<lb/> ſchäften zu Rathe, nahm auf ſeine Empfehlungen Rück-<lb/> ſicht; — als ſich einſt der Kaiſer darüber beklagte, daß<lb/> der mit ihm noch unausgeſöhnte Profeſſor in Wittenberg<lb/> wieder auftrete, und auf ſeine Auslieferung dringen zu wol-<lb/> len drohte, denn eben der ſey es, der den vorigen Chur-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0087]
Haltung Melanchthons.
getragen. Dahin war noch immer die Aufmerkſamkeit aller
Gläubigen gerichtet. Es war ein nicht allein für Sachſen,
ſondern für die ganze evangeliſche Welt im höchſten Grade
wichtiges Ereigniß, wenn es dem Churfürſten gelang, dieſen
Mann und ſeine Amtsgenoſſen zu einer Annäherung an die
kaiſerliche Formel zu vermögen.
Indem er dieß verſuchte, kam ihm zu Statten daß er
die in den Kriegsunruhen zerſtreute Univerſität wieder auf-
gerichtet, die alten Profeſſoren zurückberufen, ſich um alle
zuſammen und jeden beſonders perſönliche Verdienſte erwor-
ben hatte, auch um Melanchthon. Melanchthon war nach
England und nach Dänemark, nach Tübingen und Frank-
furt a. d. Oder berufen worden, auch die Söhne Johann
Friedrichs hatten ihm Anträge gemacht; er zog es aber vor,
nach Wittenberg zurückzukehren, an das ihn alle Gewohn-
heiten des täglichen Lebens feſſelten, wo ſeine Familie ſich
wohl befand, — ſeine liebſten Freunde, einverſtandene Col-
legen lebten; 1 ſein Ehrgeiz war, aus dem großen Schiff-
bruch, wie er ſagte, die Trümmer zu retten, die Univerſität,
deren Ruf und Daſeyn mit dem ſeinen verwachſen war, wie-
derherzuſtellen. Die neue Regierung zog ihn bei den Ge-
ſchäften zu Rathe, nahm auf ſeine Empfehlungen Rück-
ſicht; — als ſich einſt der Kaiſer darüber beklagte, daß
der mit ihm noch unausgeſöhnte Profeſſor in Wittenberg
wieder auftrete, und auf ſeine Auslieferung dringen zu wol-
len drohte, denn eben der ſey es, der den vorigen Chur-
1 „als ich bedacht habe, daß die Perſonen wie wir viel Jahr
beiſammen geweſen, zu Pflanzung loͤblicher Kuͤnſten und chriſtlicher Lehr
nuͤtzlich gedient haben.“ An Mkg. Joachim, Corp. Ref. VI, 734.
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