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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Erstes Capitel.
Moritz, unter den Fürsten Johann von Cüstrin einige Op-
position; mehrere verlangten, daß die Schrift erst abgeschrie-
ben und nochmals regelmäßig in Berathung gezogen werden
sollte: aber zuletzt drang doch der kaiserliche Wille durch.

Nachdem die Unterredung wohl eine Stunde gewährt,
trat der Churfürst von Mainz im Namen der Stände mit
der Antwort hervor, daß sie sich dessen, was S. Maj. be-
gehre, gehorsamlich halten würden. Der Kaiser nahm diese
Bewilligung als den Ausdruck der allgemeinen Meinung an
und betrachtete seine Schrift nunmehr als Reichsgesetz. Jetzt
erst ließ er zu, daß sie in den verschiedenen Collegien abge-
schrieben ward: es war dafür gesorgt daß man keine Be-
rathung darüber eröffnete.

In diesem Augenblick war ein neuer päpstlicher Nun-
tius angekommen. Das Interim war der römischen Curie
und von dieser der Versammlung zu Bologna mitgetheilt
worden: hier hatten ein paar Theologen Anmerkungen dar-
über gemacht, welche darauf hinausliefen, daß in den Arti-
keln die in Trient noch nicht entschieden worden, gar man-
ches Unkatholische aufgenommen worden, in den übrigen
aber ohne Zweifel das Beste sey, einfach die tridentinischen
Satzungen zu wiederholen. 1 Es erhellt nicht ganz, ob diese

lungen nit anders gemeinet noch von uns und andern stenden ver-
standen worden, allein daß die kais. Mt hernach ohne jemands vor-
wissen in der Vorrede ein anders eingefürt, daß die so der alten re-
ligion seyn dasselbige so wol als die welche der augsb. Confession,
annehmen und halten wollten, so wäre dasselbe unsers Erachtens nicht
auszuschlagen, denn wir erhielten ja die vornehmste Punct unser chrisi-
lichen Religion, den Articul von der rechtfertigung, den rechten Brauch
der Sacramente, die Priesterehe, - - nemen inen auch den Canon aus
der meß."
1 Am 2ten Mai gieng die erste Antwort der Legaten des Con-

Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
Moritz, unter den Fürſten Johann von Cüſtrin einige Op-
poſition; mehrere verlangten, daß die Schrift erſt abgeſchrie-
ben und nochmals regelmäßig in Berathung gezogen werden
ſollte: aber zuletzt drang doch der kaiſerliche Wille durch.

Nachdem die Unterredung wohl eine Stunde gewährt,
trat der Churfürſt von Mainz im Namen der Stände mit
der Antwort hervor, daß ſie ſich deſſen, was S. Maj. be-
gehre, gehorſamlich halten würden. Der Kaiſer nahm dieſe
Bewilligung als den Ausdruck der allgemeinen Meinung an
und betrachtete ſeine Schrift nunmehr als Reichsgeſetz. Jetzt
erſt ließ er zu, daß ſie in den verſchiedenen Collegien abge-
ſchrieben ward: es war dafür geſorgt daß man keine Be-
rathung darüber eröffnete.

In dieſem Augenblick war ein neuer päpſtlicher Nun-
tius angekommen. Das Interim war der römiſchen Curie
und von dieſer der Verſammlung zu Bologna mitgetheilt
worden: hier hatten ein paar Theologen Anmerkungen dar-
über gemacht, welche darauf hinausliefen, daß in den Arti-
keln die in Trient noch nicht entſchieden worden, gar man-
ches Unkatholiſche aufgenommen worden, in den übrigen
aber ohne Zweifel das Beſte ſey, einfach die tridentiniſchen
Satzungen zu wiederholen. 1 Es erhellt nicht ganz, ob dieſe

lungen nit anders gemeinet noch von uns und andern ſtenden ver-
ſtanden worden, allein daß die kaiſ. Mt hernach ohne jemands vor-
wiſſen in der Vorrede ein anders eingefuͤrt, daß die ſo der alten re-
ligion ſeyn daſſelbige ſo wol als die welche der augsb. Confeſſion,
annehmen und halten wollten, ſo waͤre daſſelbe unſers Erachtens nicht
auszuſchlagen, denn wir erhielten ja die vornehmſte Punct unſer chriſi-
lichen Religion, den Articul von der rechtfertigung, den rechten Brauch
der Sacramente, die Prieſterehe, ‒ ‒ nemen inen auch den Canon aus
der meß.“
1 Am 2ten Mai gieng die erſte Antwort der Legaten des Con-
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[52/0064] Neuntes Buch. Erſtes Capitel. Moritz, unter den Fürſten Johann von Cüſtrin einige Op- poſition; mehrere verlangten, daß die Schrift erſt abgeſchrie- ben und nochmals regelmäßig in Berathung gezogen werden ſollte: aber zuletzt drang doch der kaiſerliche Wille durch. Nachdem die Unterredung wohl eine Stunde gewährt, trat der Churfürſt von Mainz im Namen der Stände mit der Antwort hervor, daß ſie ſich deſſen, was S. Maj. be- gehre, gehorſamlich halten würden. Der Kaiſer nahm dieſe Bewilligung als den Ausdruck der allgemeinen Meinung an und betrachtete ſeine Schrift nunmehr als Reichsgeſetz. Jetzt erſt ließ er zu, daß ſie in den verſchiedenen Collegien abge- ſchrieben ward: es war dafür geſorgt daß man keine Be- rathung darüber eröffnete. In dieſem Augenblick war ein neuer päpſtlicher Nun- tius angekommen. Das Interim war der römiſchen Curie und von dieſer der Verſammlung zu Bologna mitgetheilt worden: hier hatten ein paar Theologen Anmerkungen dar- über gemacht, welche darauf hinausliefen, daß in den Arti- keln die in Trient noch nicht entſchieden worden, gar man- ches Unkatholiſche aufgenommen worden, in den übrigen aber ohne Zweifel das Beſte ſey, einfach die tridentiniſchen Satzungen zu wiederholen. 1 Es erhellt nicht ganz, ob dieſe 1 1 Am 2ten Mai gieng die erſte Antwort der Legaten des Con- 1 lungen nit anders gemeinet noch von uns und andern ſtenden ver- ſtanden worden, allein daß die kaiſ. Mt hernach ohne jemands vor- wiſſen in der Vorrede ein anders eingefuͤrt, daß die ſo der alten re- ligion ſeyn daſſelbige ſo wol als die welche der augsb. Confeſſion, annehmen und halten wollten, ſo waͤre daſſelbe unſers Erachtens nicht auszuſchlagen, denn wir erhielten ja die vornehmſte Punct unſer chriſi- lichen Religion, den Articul von der rechtfertigung, den rechten Brauch der Sacramente, die Prieſterehe, ‒ ‒ nemen inen auch den Canon aus der meß.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/64>, abgerufen am 23.07.2024.