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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Das Interim.

Allein auch dahin brachte er es doch nicht, daß er sei-
nen ursprünglichen Gedanken hätte durchführen können. Die
Fürsten schlossen sich dem Gutachten der geistlichen Churfür-
sten an, das allerdings bei weitem milder ausgefallen war,
aber doch auch sehr starke katholische Anregungen enthielt,
z. B. Herstellung der Güter, Nothwendigkeit der Dispensa-
tion in Hinsicht der Priesterehe und des Kelchs, und vor
allem dabei stehn blieb, daß die Anordnung Niemand an-
gehe, der bisher bei der alten Religion geblieben.

Das Letzte mußte der Kaiser wirklich nachgeben. Er er-
klärte endlich, daß seine Declaration sich nur auf die prote-
stantischen Stände beziehen solle: nur unter diesem Vorbehalt
konnte er dazu schreiten ihr gesetzliche Autorität zu verleihen.

Am 15ten Mai 1548, Nachmittag 3 Uhr, versammel-
ten sich die Reichsstände in der kaiserlichen Behausung: vor
Kaiser und König. Erzherzog Maximilian sprach einige ein-
leitende Worte; dann ward, was wir als Vorrede bei dem
Buche finden, als Proposition verlesen; der Kaiser erinnerte
an die ihm geschehene Heimstellung, legte die Schrift vor,
und verlangte unverweilte Annahme derselben. Während
Kaiser und König auf ihren Stühlen sitzen blieben, traten
die Stände vor ihren Augen in dem Saale selbst nach ihren
Collegien zusammen. Es ist gewiß, daß sich manche abwei-
chende Meinungen regten. Den mächtigern Protestanten war
es neu und unerwartet, daß die Erklärung nicht auch für
die Katholiken gelten sollte; 1 unter den Churfürsten machte

1 In der Instruction des Churfürsten von Brandenburg zum
Reichstag von 1550 heißt es: "Und wann es nochmalen dahin konnt
gehandelt werden, wie es denn auch von anfang und (in) allen Hand-
4*
Das Interim.

Allein auch dahin brachte er es doch nicht, daß er ſei-
nen urſprünglichen Gedanken hätte durchführen können. Die
Fürſten ſchloſſen ſich dem Gutachten der geiſtlichen Churfür-
ſten an, das allerdings bei weitem milder ausgefallen war,
aber doch auch ſehr ſtarke katholiſche Anregungen enthielt,
z. B. Herſtellung der Güter, Nothwendigkeit der Dispenſa-
tion in Hinſicht der Prieſterehe und des Kelchs, und vor
allem dabei ſtehn blieb, daß die Anordnung Niemand an-
gehe, der bisher bei der alten Religion geblieben.

Das Letzte mußte der Kaiſer wirklich nachgeben. Er er-
klärte endlich, daß ſeine Declaration ſich nur auf die prote-
ſtantiſchen Stände beziehen ſolle: nur unter dieſem Vorbehalt
konnte er dazu ſchreiten ihr geſetzliche Autorität zu verleihen.

Am 15ten Mai 1548, Nachmittag 3 Uhr, verſammel-
ten ſich die Reichsſtände in der kaiſerlichen Behauſung: vor
Kaiſer und König. Erzherzog Maximilian ſprach einige ein-
leitende Worte; dann ward, was wir als Vorrede bei dem
Buche finden, als Propoſition verleſen; der Kaiſer erinnerte
an die ihm geſchehene Heimſtellung, legte die Schrift vor,
und verlangte unverweilte Annahme derſelben. Während
Kaiſer und König auf ihren Stühlen ſitzen blieben, traten
die Stände vor ihren Augen in dem Saale ſelbſt nach ihren
Collegien zuſammen. Es iſt gewiß, daß ſich manche abwei-
chende Meinungen regten. Den mächtigern Proteſtanten war
es neu und unerwartet, daß die Erklärung nicht auch für
die Katholiken gelten ſollte; 1 unter den Churfürſten machte

1 In der Inſtruction des Churfuͤrſten von Brandenburg zum
Reichstag von 1550 heißt es: „Und wann es nochmalen dahin konnt
gehandelt werden, wie es denn auch von anfang und (in) allen Hand-
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[51/0063] Das Interim. Allein auch dahin brachte er es doch nicht, daß er ſei- nen urſprünglichen Gedanken hätte durchführen können. Die Fürſten ſchloſſen ſich dem Gutachten der geiſtlichen Churfür- ſten an, das allerdings bei weitem milder ausgefallen war, aber doch auch ſehr ſtarke katholiſche Anregungen enthielt, z. B. Herſtellung der Güter, Nothwendigkeit der Dispenſa- tion in Hinſicht der Prieſterehe und des Kelchs, und vor allem dabei ſtehn blieb, daß die Anordnung Niemand an- gehe, der bisher bei der alten Religion geblieben. Das Letzte mußte der Kaiſer wirklich nachgeben. Er er- klärte endlich, daß ſeine Declaration ſich nur auf die prote- ſtantiſchen Stände beziehen ſolle: nur unter dieſem Vorbehalt konnte er dazu ſchreiten ihr geſetzliche Autorität zu verleihen. Am 15ten Mai 1548, Nachmittag 3 Uhr, verſammel- ten ſich die Reichsſtände in der kaiſerlichen Behauſung: vor Kaiſer und König. Erzherzog Maximilian ſprach einige ein- leitende Worte; dann ward, was wir als Vorrede bei dem Buche finden, als Propoſition verleſen; der Kaiſer erinnerte an die ihm geſchehene Heimſtellung, legte die Schrift vor, und verlangte unverweilte Annahme derſelben. Während Kaiſer und König auf ihren Stühlen ſitzen blieben, traten die Stände vor ihren Augen in dem Saale ſelbſt nach ihren Collegien zuſammen. Es iſt gewiß, daß ſich manche abwei- chende Meinungen regten. Den mächtigern Proteſtanten war es neu und unerwartet, daß die Erklärung nicht auch für die Katholiken gelten ſollte; 1 unter den Churfürſten machte 1 In der Inſtruction des Churfuͤrſten von Brandenburg zum Reichstag von 1550 heißt es: „Und wann es nochmalen dahin konnt gehandelt werden, wie es denn auch von anfang und (in) allen Hand- 4*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/63>, abgerufen am 24.11.2024.