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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Das Interim.
desselben billigen würde. Es könnte aussehen wie Ironie,
wäre nicht ein so bitterer Ernst dabei.

In Rom und selbst in Frankreich war man schon längst
auf diese Entwürfe des Kaisers aufmerksam. Cardinal Bel-
lay schlug dem Papst vor, seine Legaten mit den katholi-
schen Ständen entfernt vom Reichstag zusammentreten zu las-
sen, um zu einer freien Berathung außerhalb der vom Ein-
fluß des Kaisers beherrschten Kreise zu gelangen. 1 Desto
erwünschter kam nun die Anfrage des Herzogs dem römi-
schen Stuhl. Der Papst, der nicht versäumte die Hingebung
desselben zu beloben, antwortete ihm, er könne eine solche
Genehmigung nur mißbilligen. 2

Bei allem Ansehen das der Kaiser genoß, machte das
doch so viel Eindruck auf das fürstliche Collegium, daß die
Antwort die es gab, durchaus im Sinne des Papstes aus-
fiel. Darin wurde das jetzt auch von Rom her in Erin-
nerung gebrachte Argument wiederholt, daß ein Gestatten
des früher bei schweren Pönen Verbotenen, z. B. des Laien-
kelchs und der Priesterehe, ein Bekenntniß begangener Un-
gerechtigkeit enthalten würde: es sey sogar zweifelhaft, ob der
Papst in diesen Stücken nachgeben dürfe, wenn er auch wolle,

1 Instructio Clis Bellaji super rebus concilii. MS St. Germ.
Paris 140, 1. Ubi convenient legati ubi Caesar non sit, erit ma-
jor libertas.
Vgl. s. Schreiben vom 31 Mai.
2 Responsum Pauli III datum "cuidam praepotenti Ger-
maniae duci",
der sehr deutlich als der Herzog von Baiern bezeichnet
wird: es wird an die Forderung erinnert die von eben dort an Pius IV
ergangen. Ohne Zweifel sind die Antworten vor der Bekanntmachung
des Interim geschehen, weil davon die Rede ist daß es in den Lan-
den des Herzogs eingeführt werden sollte, was späterhin nicht nö-
thig war.
Ranke D. Gesch. V. 4

Das Interim.
deſſelben billigen würde. Es könnte ausſehen wie Ironie,
wäre nicht ein ſo bitterer Ernſt dabei.

In Rom und ſelbſt in Frankreich war man ſchon längſt
auf dieſe Entwürfe des Kaiſers aufmerkſam. Cardinal Bel-
lay ſchlug dem Papſt vor, ſeine Legaten mit den katholi-
ſchen Ständen entfernt vom Reichstag zuſammentreten zu laſ-
ſen, um zu einer freien Berathung außerhalb der vom Ein-
fluß des Kaiſers beherrſchten Kreiſe zu gelangen. 1 Deſto
erwünſchter kam nun die Anfrage des Herzogs dem römi-
ſchen Stuhl. Der Papſt, der nicht verſäumte die Hingebung
deſſelben zu beloben, antwortete ihm, er könne eine ſolche
Genehmigung nur mißbilligen. 2

Bei allem Anſehen das der Kaiſer genoß, machte das
doch ſo viel Eindruck auf das fürſtliche Collegium, daß die
Antwort die es gab, durchaus im Sinne des Papſtes aus-
fiel. Darin wurde das jetzt auch von Rom her in Erin-
nerung gebrachte Argument wiederholt, daß ein Geſtatten
des früher bei ſchweren Pönen Verbotenen, z. B. des Laien-
kelchs und der Prieſterehe, ein Bekenntniß begangener Un-
gerechtigkeit enthalten würde: es ſey ſogar zweifelhaft, ob der
Papſt in dieſen Stücken nachgeben dürfe, wenn er auch wolle,

1 Instructio Clis Bellaji super rebus concilii. MS St. Germ.
Paris 140, 1. Ubi convenient legati ubi Caesar non sit, erit ma-
jor libertas.
Vgl. ſ. Schreiben vom 31 Mai.
2 Responsum Pauli III datum „cuidam praepotenti Ger-
maniae duci“,
der ſehr deutlich als der Herzog von Baiern bezeichnet
wird: es wird an die Forderung erinnert die von eben dort an Pius IV
ergangen. Ohne Zweifel ſind die Antworten vor der Bekanntmachung
des Interim geſchehen, weil davon die Rede iſt daß es in den Lan-
den des Herzogs eingefuͤhrt werden ſollte, was ſpaͤterhin nicht noͤ-
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Ranke D. Geſch. V. 4
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[49/0061] Das Interim. deſſelben billigen würde. Es könnte ausſehen wie Ironie, wäre nicht ein ſo bitterer Ernſt dabei. In Rom und ſelbſt in Frankreich war man ſchon längſt auf dieſe Entwürfe des Kaiſers aufmerkſam. Cardinal Bel- lay ſchlug dem Papſt vor, ſeine Legaten mit den katholi- ſchen Ständen entfernt vom Reichstag zuſammentreten zu laſ- ſen, um zu einer freien Berathung außerhalb der vom Ein- fluß des Kaiſers beherrſchten Kreiſe zu gelangen. 1 Deſto erwünſchter kam nun die Anfrage des Herzogs dem römi- ſchen Stuhl. Der Papſt, der nicht verſäumte die Hingebung deſſelben zu beloben, antwortete ihm, er könne eine ſolche Genehmigung nur mißbilligen. 2 Bei allem Anſehen das der Kaiſer genoß, machte das doch ſo viel Eindruck auf das fürſtliche Collegium, daß die Antwort die es gab, durchaus im Sinne des Papſtes aus- fiel. Darin wurde das jetzt auch von Rom her in Erin- nerung gebrachte Argument wiederholt, daß ein Geſtatten des früher bei ſchweren Pönen Verbotenen, z. B. des Laien- kelchs und der Prieſterehe, ein Bekenntniß begangener Un- gerechtigkeit enthalten würde: es ſey ſogar zweifelhaft, ob der Papſt in dieſen Stücken nachgeben dürfe, wenn er auch wolle, 1 Instructio Clis Bellaji super rebus concilii. MS St. Germ. Paris 140, 1. Ubi convenient legati ubi Caesar non sit, erit ma- jor libertas. Vgl. ſ. Schreiben vom 31 Mai. 2 Responsum Pauli III datum „cuidam praepotenti Ger- maniae duci“, der ſehr deutlich als der Herzog von Baiern bezeichnet wird: es wird an die Forderung erinnert die von eben dort an Pius IV ergangen. Ohne Zweifel ſind die Antworten vor der Bekanntmachung des Interim geſchehen, weil davon die Rede iſt daß es in den Lan- den des Herzogs eingefuͤhrt werden ſollte, was ſpaͤterhin nicht noͤ- thig war. Ranke D. Geſch. V. 4

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/61>, abgerufen am 24.11.2024.