gläubige Partei dazu sagen würde. Mit Rücksicht auf sie hatte er den Entwurf so überwiegend katholisch eingerichtet. Er hatte bisher hauptsächlich mit der Majorität des Für- stenrathes regiert, er mochte hoffen, denselben auch jetzt auf seine Meinung zu ziehen.
Wäre das geschehen, so würde er einen factischen Ein- fluß auf das Innere der Kirche gewonnen haben, der ihm eine überaus großartige Stellung dem Papst und dem Con- cilium gegenüber gegeben, alles was dort ihm zum Ver- druß unternommen worden, aufgewogen hätte. Dann erst konnte von der Einheit der Nation in religiöser Hinsicht wie- der die Rede seyn. Man hätte sehen müssen was mehr ge- wirkt hätte, die Wiederherstellung einiger Äußerlichkeiten auf der protestantischen oder die den neuen Lehrmeinungen ge- machten Concessionen auf der katholischen Seite.
Wie wäre es aber möglich gewesen, daß nicht auch jetzt der alte Widerstand sich geregt hätte, der in Momenten dieser Art, auf den verschiedenen Stufen der Entwickelung dieses Ereignisses, immer hervorgetreten war?
Wir berührten daß Herzog Wilhelm von Baiern, seitdem seine Absicht auf die Chur nicht durchgegangen, nicht mehr der Freund des Kaisers war. In seinen Anschreiben sprach er das Gefühl seines Verdienstes immer hochfahrender, seiner Kränkung immer bitterer, übellauniger aus. 1 Als ihm dieser Entwurf vorgelegt wurde, mit dem doch auch die Macht des Papstes eingeschränkt werden sollte, hielt der Herzog für gut, erst bei dem Papst anzufragen, ob er eine Genehmigung
1 Ein solches Schreiben aus der Sammlung von Arrodenius bei Sugenheim p. 37.
Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
gläubige Partei dazu ſagen würde. Mit Rückſicht auf ſie hatte er den Entwurf ſo überwiegend katholiſch eingerichtet. Er hatte bisher hauptſächlich mit der Majorität des Für- ſtenrathes regiert, er mochte hoffen, denſelben auch jetzt auf ſeine Meinung zu ziehen.
Wäre das geſchehen, ſo würde er einen factiſchen Ein- fluß auf das Innere der Kirche gewonnen haben, der ihm eine überaus großartige Stellung dem Papſt und dem Con- cilium gegenüber gegeben, alles was dort ihm zum Ver- druß unternommen worden, aufgewogen hätte. Dann erſt konnte von der Einheit der Nation in religiöſer Hinſicht wie- der die Rede ſeyn. Man hätte ſehen müſſen was mehr ge- wirkt hätte, die Wiederherſtellung einiger Äußerlichkeiten auf der proteſtantiſchen oder die den neuen Lehrmeinungen ge- machten Conceſſionen auf der katholiſchen Seite.
Wie wäre es aber möglich geweſen, daß nicht auch jetzt der alte Widerſtand ſich geregt hätte, der in Momenten dieſer Art, auf den verſchiedenen Stufen der Entwickelung dieſes Ereigniſſes, immer hervorgetreten war?
Wir berührten daß Herzog Wilhelm von Baiern, ſeitdem ſeine Abſicht auf die Chur nicht durchgegangen, nicht mehr der Freund des Kaiſers war. In ſeinen Anſchreiben ſprach er das Gefühl ſeines Verdienſtes immer hochfahrender, ſeiner Kränkung immer bitterer, übellauniger aus. 1 Als ihm dieſer Entwurf vorgelegt wurde, mit dem doch auch die Macht des Papſtes eingeſchränkt werden ſollte, hielt der Herzog für gut, erſt bei dem Papſt anzufragen, ob er eine Genehmigung
1 Ein ſolches Schreiben aus der Sammlung von Arrodenius bei Sugenheim p. 37.
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Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
gläubige Partei dazu ſagen würde. Mit Rückſicht auf ſie
hatte er den Entwurf ſo überwiegend katholiſch eingerichtet.
Er hatte bisher hauptſächlich mit der Majorität des Für-
ſtenrathes regiert, er mochte hoffen, denſelben auch jetzt auf
ſeine Meinung zu ziehen.
Wäre das geſchehen, ſo würde er einen factiſchen Ein-
fluß auf das Innere der Kirche gewonnen haben, der ihm
eine überaus großartige Stellung dem Papſt und dem Con-
cilium gegenüber gegeben, alles was dort ihm zum Ver-
druß unternommen worden, aufgewogen hätte. Dann erſt
konnte von der Einheit der Nation in religiöſer Hinſicht wie-
der die Rede ſeyn. Man hätte ſehen müſſen was mehr ge-
wirkt hätte, die Wiederherſtellung einiger Äußerlichkeiten auf
der proteſtantiſchen oder die den neuen Lehrmeinungen ge-
machten Conceſſionen auf der katholiſchen Seite.
Wie wäre es aber möglich geweſen, daß nicht auch
jetzt der alte Widerſtand ſich geregt hätte, der in Momenten
dieſer Art, auf den verſchiedenen Stufen der Entwickelung
dieſes Ereigniſſes, immer hervorgetreten war?
Wir berührten daß Herzog Wilhelm von Baiern, ſeitdem
ſeine Abſicht auf die Chur nicht durchgegangen, nicht mehr
der Freund des Kaiſers war. In ſeinen Anſchreiben ſprach
er das Gefühl ſeines Verdienſtes immer hochfahrender, ſeiner
Kränkung immer bitterer, übellauniger aus. 1 Als ihm dieſer
Entwurf vorgelegt wurde, mit dem doch auch die Macht
des Papſtes eingeſchränkt werden ſollte, hielt der Herzog für
gut, erſt bei dem Papſt anzufragen, ob er eine Genehmigung
1 Ein ſolches Schreiben aus der Sammlung von Arrodenius
bei Sugenheim p. 37.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/60>, abgerufen am 22.11.2024.
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