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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Achtes Capitel.
die Thierwelt alles das zusammenzustellen was man über-
haupt von ihr wisse. Die Schilderungen der alten Auto-
ren, der heiligen und der profanen, bilden die Grundlage;
damit werden die Notizen der spätern Schriftsteller, auch
der arabischen, so weit sie den Lateinern zugänglich sind,
verbunden, und unter wiederkehrenden Rubriken, z. B. Va-
terland, körperliche Beschaffenheit, Nutzen, beigeordnet; 1 auch
die Sprichwörter der verschiedenen Sprachen, die sich auf
Thiere beziehen, werden herangezogen; die Maxime des
Verfassers war, nichts zu wiederholen, nichts wegzulassen.
Nicht so häufig wie man meint ist das Talent der Compi-
lation. Soll sie der Wissenschaft dienen, so muß sie nicht
allein aus vielseitiger Lectüre hervorgehn, sondern auf äch-
tem Interesse und eigener Kunde beruhen, und durch feste
Gesichtspuncte geregelt seyn. Ein Talent dieser Art von der
größten Befähigung war Conrad Geßner. Als alles beisam-
men war, zeigten sich erst die Lücken. Geßner setzte seine
literarischen Bekannten in den verschiedenen Ländern, deren
er über 50 zählt, Italiener, Franzosen, Engländer, Polen
und hauptsächlich Deutsche, in Bewegung, um ihm mit Be-
schreibungen des noch Unbekannten und mit Abbildungen zu
Hülfe zu kommen. So brachte er einen Thesaurus zoolo-
gischer Kenntnisse zusammen, 2 in dem sich Gemeinnützigkeit

1 Non physice aut philosophice tantum, sed medice etiam
et grammatice, -- -- ut ad alios autores super iisdem rebus post-
hac non sit recurrendum --
2 Conradi Gesneri historiae animalium libri: opus philoso-
phis, medicis, grammaticis, philologis et poetis et omnibus re-
rum linguarumque studiosis utilissimum simul jucundissimumque
futurum. Tiguri
1551. 4 Foliobände hat er noch selbst herausgegeben.

Zehntes Buch. Achtes Capitel.
die Thierwelt alles das zuſammenzuſtellen was man über-
haupt von ihr wiſſe. Die Schilderungen der alten Auto-
ren, der heiligen und der profanen, bilden die Grundlage;
damit werden die Notizen der ſpätern Schriftſteller, auch
der arabiſchen, ſo weit ſie den Lateinern zugänglich ſind,
verbunden, und unter wiederkehrenden Rubriken, z. B. Va-
terland, körperliche Beſchaffenheit, Nutzen, beigeordnet; 1 auch
die Sprichwörter der verſchiedenen Sprachen, die ſich auf
Thiere beziehen, werden herangezogen; die Maxime des
Verfaſſers war, nichts zu wiederholen, nichts wegzulaſſen.
Nicht ſo häufig wie man meint iſt das Talent der Compi-
lation. Soll ſie der Wiſſenſchaft dienen, ſo muß ſie nicht
allein aus vielſeitiger Lectüre hervorgehn, ſondern auf äch-
tem Intereſſe und eigener Kunde beruhen, und durch feſte
Geſichtspuncte geregelt ſeyn. Ein Talent dieſer Art von der
größten Befähigung war Conrad Geßner. Als alles beiſam-
men war, zeigten ſich erſt die Lücken. Geßner ſetzte ſeine
literariſchen Bekannten in den verſchiedenen Ländern, deren
er über 50 zählt, Italiener, Franzoſen, Engländer, Polen
und hauptſächlich Deutſche, in Bewegung, um ihm mit Be-
ſchreibungen des noch Unbekannten und mit Abbildungen zu
Hülfe zu kommen. So brachte er einen Theſaurus zoolo-
giſcher Kenntniſſe zuſammen, 2 in dem ſich Gemeinnützigkeit

1 Non physice aut philosophice tantum, sed medice etiam
et grammatice, — — ut ad alios autores super iisdem rebus post-
hac non sit recurrendum —
2 Conradi Gesneri historiae animalium libri: opus philoso-
phis, medicis, grammaticis, philologis et poëtis et omnibus re-
rum linguarumque studiosis utilissimum simul jucundissimumque
futurum. Tiguri
1551. 4 Foliobaͤnde hat er noch ſelbſt herausgegeben.
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[480/0492] Zehntes Buch. Achtes Capitel. die Thierwelt alles das zuſammenzuſtellen was man über- haupt von ihr wiſſe. Die Schilderungen der alten Auto- ren, der heiligen und der profanen, bilden die Grundlage; damit werden die Notizen der ſpätern Schriftſteller, auch der arabiſchen, ſo weit ſie den Lateinern zugänglich ſind, verbunden, und unter wiederkehrenden Rubriken, z. B. Va- terland, körperliche Beſchaffenheit, Nutzen, beigeordnet; 1 auch die Sprichwörter der verſchiedenen Sprachen, die ſich auf Thiere beziehen, werden herangezogen; die Maxime des Verfaſſers war, nichts zu wiederholen, nichts wegzulaſſen. Nicht ſo häufig wie man meint iſt das Talent der Compi- lation. Soll ſie der Wiſſenſchaft dienen, ſo muß ſie nicht allein aus vielſeitiger Lectüre hervorgehn, ſondern auf äch- tem Intereſſe und eigener Kunde beruhen, und durch feſte Geſichtspuncte geregelt ſeyn. Ein Talent dieſer Art von der größten Befähigung war Conrad Geßner. Als alles beiſam- men war, zeigten ſich erſt die Lücken. Geßner ſetzte ſeine literariſchen Bekannten in den verſchiedenen Ländern, deren er über 50 zählt, Italiener, Franzoſen, Engländer, Polen und hauptſächlich Deutſche, in Bewegung, um ihm mit Be- ſchreibungen des noch Unbekannten und mit Abbildungen zu Hülfe zu kommen. So brachte er einen Theſaurus zoolo- giſcher Kenntniſſe zuſammen, 2 in dem ſich Gemeinnützigkeit 1 Non physice aut philosophice tantum, sed medice etiam et grammatice, — — ut ad alios autores super iisdem rebus post- hac non sit recurrendum — 2 Conradi Gesneri historiae animalium libri: opus philoso- phis, medicis, grammaticis, philologis et poëtis et omnibus re- rum linguarumque studiosis utilissimum simul jucundissimumque futurum. Tiguri 1551. 4 Foliobaͤnde hat er noch ſelbſt herausgegeben.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/492>, abgerufen am 25.11.2024.