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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Achtes Capitel.

Noch waren die lateinischen Schätze deutscher Klöster,
wie Hirschfeld oder Lorsch, nicht erschöpft; man hatte Welt-
verbindung und Theilnahme für die Sache genug, um auch
griechische Handschriften aus dem Orient an sich zu brin-
gen, wie z. B. die Stadt Augsburg im Jahr 1545 zu Corfu
eine Summe Geld daran wandte; manches brachten Ge-
sandte des römischen Königs oder Procuratoren der Fugger
herbei. Vincenz Opsopäus, der Lehrer des Markgrafen Al-
brecht, soll die deutschen Buchdrucker zuerst angeregt haben,
mit dem Ruhme der Aldus und Junta zu wetteifern und
die Werke der Alten diesseit der Berge zu publiciren. Er
selbst konnte der Welt einen der großen Geschichtschreiber
des Alterthums, Polybius, aus einem Codex, den der Zu-
fall von Constantinopel nach Nürnberg geführt hatte, wieder
vorlegen; er hat diese Arbeit auf eine Weise vollzogen, die
ihm noch heute Ehre macht. 1 Nach und nach entwickelte
sich eine lebhafte Thätigkeit in diesem Zweige. Flavius Jo-
sephus und Ptolemäus, die wesentlichsten Ergänzungen des
Diodorus Siculus, Livius, Ammianus und wie vieler an-
derer Schriftsteller in beiden Sprachen giengen zuerst aus
deutschen Pressen hervor. Andre Autoren erschienen mit ihren
Scholiasten, spätern Fortsetzern: oder in berichtigten Texten,
die griechischen mit Übersetzungen, die zum Theil noch den
heutigen Ausgaben beigegeben werden. Es mag seyn, daß
diese Arbeiten noch oftmals kritisch-grammatische Genauig-
keit vermissen lassen; aber es giebt auch solche, die ein tie-

1 Schweighäuser, Praefatio: Non paucae lectiones in hac
editione reperiuntur probatissimae, et ex hac in Basileensem
transierunt, a quibus temere deinde recessit Casaubonus. (LXXV
ed. Oxon.)
Zehntes Buch. Achtes Capitel.

Noch waren die lateiniſchen Schätze deutſcher Klöſter,
wie Hirſchfeld oder Lorſch, nicht erſchöpft; man hatte Welt-
verbindung und Theilnahme für die Sache genug, um auch
griechiſche Handſchriften aus dem Orient an ſich zu brin-
gen, wie z. B. die Stadt Augsburg im Jahr 1545 zu Corfu
eine Summe Geld daran wandte; manches brachten Ge-
ſandte des römiſchen Königs oder Procuratoren der Fugger
herbei. Vincenz Opſopäus, der Lehrer des Markgrafen Al-
brecht, ſoll die deutſchen Buchdrucker zuerſt angeregt haben,
mit dem Ruhme der Aldus und Junta zu wetteifern und
die Werke der Alten dieſſeit der Berge zu publiciren. Er
ſelbſt konnte der Welt einen der großen Geſchichtſchreiber
des Alterthums, Polybius, aus einem Codex, den der Zu-
fall von Conſtantinopel nach Nürnberg geführt hatte, wieder
vorlegen; er hat dieſe Arbeit auf eine Weiſe vollzogen, die
ihm noch heute Ehre macht. 1 Nach und nach entwickelte
ſich eine lebhafte Thätigkeit in dieſem Zweige. Flavius Jo-
ſephus und Ptolemäus, die weſentlichſten Ergänzungen des
Diodorus Siculus, Livius, Ammianus und wie vieler an-
derer Schriftſteller in beiden Sprachen giengen zuerſt aus
deutſchen Preſſen hervor. Andre Autoren erſchienen mit ihren
Scholiaſten, ſpätern Fortſetzern: oder in berichtigten Texten,
die griechiſchen mit Überſetzungen, die zum Theil noch den
heutigen Ausgaben beigegeben werden. Es mag ſeyn, daß
dieſe Arbeiten noch oftmals kritiſch-grammatiſche Genauig-
keit vermiſſen laſſen; aber es giebt auch ſolche, die ein tie-

1 Schweighaͤuſer, Praefatio: Non paucae lectiones in hac
editione reperiuntur probatissimae, et ex hac in Basileensem
transierunt, a quibus temere deinde recessit Casaubonus. (LXXV
ed. Oxon.)
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[468/0480] Zehntes Buch. Achtes Capitel. Noch waren die lateiniſchen Schätze deutſcher Klöſter, wie Hirſchfeld oder Lorſch, nicht erſchöpft; man hatte Welt- verbindung und Theilnahme für die Sache genug, um auch griechiſche Handſchriften aus dem Orient an ſich zu brin- gen, wie z. B. die Stadt Augsburg im Jahr 1545 zu Corfu eine Summe Geld daran wandte; manches brachten Ge- ſandte des römiſchen Königs oder Procuratoren der Fugger herbei. Vincenz Opſopäus, der Lehrer des Markgrafen Al- brecht, ſoll die deutſchen Buchdrucker zuerſt angeregt haben, mit dem Ruhme der Aldus und Junta zu wetteifern und die Werke der Alten dieſſeit der Berge zu publiciren. Er ſelbſt konnte der Welt einen der großen Geſchichtſchreiber des Alterthums, Polybius, aus einem Codex, den der Zu- fall von Conſtantinopel nach Nürnberg geführt hatte, wieder vorlegen; er hat dieſe Arbeit auf eine Weiſe vollzogen, die ihm noch heute Ehre macht. 1 Nach und nach entwickelte ſich eine lebhafte Thätigkeit in dieſem Zweige. Flavius Jo- ſephus und Ptolemäus, die weſentlichſten Ergänzungen des Diodorus Siculus, Livius, Ammianus und wie vieler an- derer Schriftſteller in beiden Sprachen giengen zuerſt aus deutſchen Preſſen hervor. Andre Autoren erſchienen mit ihren Scholiaſten, ſpätern Fortſetzern: oder in berichtigten Texten, die griechiſchen mit Überſetzungen, die zum Theil noch den heutigen Ausgaben beigegeben werden. Es mag ſeyn, daß dieſe Arbeiten noch oftmals kritiſch-grammatiſche Genauig- keit vermiſſen laſſen; aber es giebt auch ſolche, die ein tie- 1 Schweighaͤuſer, Praefatio: Non paucae lectiones in hac editione reperiuntur probatissimae, et ex hac in Basileensem transierunt, a quibus temere deinde recessit Casaubonus. (LXXV ed. Oxon.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/480>, abgerufen am 22.11.2024.