Den mächtigsten innern Antrieb hatte der deutsche Geist im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts durch die Be- kanntschaft mit dem classischen Alterthum empfangen, die, schon in den carolingischen Zeiten begonnen, während der Herrschaft der Hierarchie unterbrochen oder in Schatten ge- stellt, ihm jetzt in aller Fülle zu Theil wurde.
Wir sahen wie dieses Studium zuerst in den gramma- tischen Schulen erneuert ward, wie viel Mühe es kostete und was es zu bedeuten hatte, daß es sich endlich auch auf den Universitäten festsetzte.
Auch in dieser Beziehung nahm Melanchthon eine be- deutende Stellung ein. In dem Sinne, wie er die alte Li- teratur in Wittenberg förderte, thaten es die ihm nächstver- bundenen Freunde, Camerarius in Leipzig, Sabinus in Kö- nigsberg und Frankfurt a. d. O.; seine Schüler in Marburg, Tübingen, Heidelberg. In Rostock gewährte Johann Al- bert von Meklenburg, dessen politische und kriegerische Un- ternehmungen wir zuweilen berührten, und der zugleich einen offenen Sinn für höhere Bildung bewies, diesen Studien seinen Schutz. Melanchthon sieht im Geiste die allenthal-
Ranke D. Gesch. V. 30
Achtes Capitel. Entwickelung der Literatur.
Den mächtigſten innern Antrieb hatte der deutſche Geiſt im Anfange des ſechszehnten Jahrhunderts durch die Be- kanntſchaft mit dem claſſiſchen Alterthum empfangen, die, ſchon in den carolingiſchen Zeiten begonnen, während der Herrſchaft der Hierarchie unterbrochen oder in Schatten ge- ſtellt, ihm jetzt in aller Fülle zu Theil wurde.
Wir ſahen wie dieſes Studium zuerſt in den gramma- tiſchen Schulen erneuert ward, wie viel Mühe es koſtete und was es zu bedeuten hatte, daß es ſich endlich auch auf den Univerſitäten feſtſetzte.
Auch in dieſer Beziehung nahm Melanchthon eine be- deutende Stellung ein. In dem Sinne, wie er die alte Li- teratur in Wittenberg förderte, thaten es die ihm nächſtver- bundenen Freunde, Camerarius in Leipzig, Sabinus in Kö- nigsberg und Frankfurt a. d. O.; ſeine Schüler in Marburg, Tübingen, Heidelberg. In Roſtock gewährte Johann Al- bert von Meklenburg, deſſen politiſche und kriegeriſche Un- ternehmungen wir zuweilen berührten, und der zugleich einen offenen Sinn für höhere Bildung bewies, dieſen Studien ſeinen Schutz. Melanchthon ſieht im Geiſte die allenthal-
Ranke D. Geſch. V. 30
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[[465]/0477]
Achtes Capitel.
Entwickelung der Literatur.
Den mächtigſten innern Antrieb hatte der deutſche Geiſt
im Anfange des ſechszehnten Jahrhunderts durch die Be-
kanntſchaft mit dem claſſiſchen Alterthum empfangen, die,
ſchon in den carolingiſchen Zeiten begonnen, während der
Herrſchaft der Hierarchie unterbrochen oder in Schatten ge-
ſtellt, ihm jetzt in aller Fülle zu Theil wurde.
Wir ſahen wie dieſes Studium zuerſt in den gramma-
tiſchen Schulen erneuert ward, wie viel Mühe es koſtete
und was es zu bedeuten hatte, daß es ſich endlich auch auf
den Univerſitäten feſtſetzte.
Auch in dieſer Beziehung nahm Melanchthon eine be-
deutende Stellung ein. In dem Sinne, wie er die alte Li-
teratur in Wittenberg förderte, thaten es die ihm nächſtver-
bundenen Freunde, Camerarius in Leipzig, Sabinus in Kö-
nigsberg und Frankfurt a. d. O.; ſeine Schüler in Marburg,
Tübingen, Heidelberg. In Roſtock gewährte Johann Al-
bert von Meklenburg, deſſen politiſche und kriegeriſche Un-
ternehmungen wir zuweilen berührten, und der zugleich einen
offenen Sinn für höhere Bildung bewies, dieſen Studien
ſeinen Schutz. Melanchthon ſieht im Geiſte die allenthal-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. [465]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/477>, abgerufen am 25.11.2024.
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