Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Siebentes Capitel. danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das dochwohl nicht schlechthin in Abrede stellen. Bei einer Zusam- menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde, hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl sie noch nicht zu vollem Verständniß gelangt waren, das offenbare Übergewicht. 1 Und wie Viele gab es, die das Verdächtig- machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln, welches jetzt überhand nahm, auf das ernstlichste mißbillig- ten. Es wäre schon ein unendlicher Gewinn gewesen, über- haupt die Form einer allgemeinen Verfassung aufzustellen. Indessen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, so wie Berathung unter den vorwaltenden Fürsten war wirklich Und Diese waren nun, in der Epoche in der wir stehn, Wir berührten wie sie sich beim Abschluß des Reli- Bei jener merkwürdigen Zusammenkunft vom J. 1558 1 Vgl. das Schreiben eines Flacianers de conventu Franco-
ford. 1557 bei Salig III, 276 Note. Zehntes Buch. Siebentes Capitel. danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das dochwohl nicht ſchlechthin in Abrede ſtellen. Bei einer Zuſam- menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde, hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl ſie noch nicht zu vollem Verſtändniß gelangt waren, das offenbare Übergewicht. 1 Und wie Viele gab es, die das Verdächtig- machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln, welches jetzt überhand nahm, auf das ernſtlichſte mißbillig- ten. Es wäre ſchon ein unendlicher Gewinn geweſen, über- haupt die Form einer allgemeinen Verfaſſung aufzuſtellen. Indeſſen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, ſo wie Berathung unter den vorwaltenden Fürſten war wirklich Und Dieſe waren nun, in der Epoche in der wir ſtehn, Wir berührten wie ſie ſich beim Abſchluß des Reli- Bei jener merkwürdigen Zuſammenkunft vom J. 1558 1 Vgl. das Schreiben eines Flacianers de conventu Franco-
ford. 1557 bei Salig III, 276 Note. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0472" n="460"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/> danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das doch<lb/> wohl nicht ſchlechthin in Abrede ſtellen. Bei einer Zuſam-<lb/> menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde,<lb/> hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl ſie noch<lb/> nicht zu vollem Verſtändniß gelangt waren, das offenbare<lb/> Übergewicht. <note place="foot" n="1">Vgl. das Schreiben eines Flacianers <hi rendition="#aq">de conventu Franco-<lb/> ford.</hi> 1557 bei Salig <hi rendition="#aq">III,</hi> 276 Note.</note> Und wie Viele gab es, die das Verdächtig-<lb/> machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln,<lb/> welches jetzt überhand nahm, auf das ernſtlichſte mißbillig-<lb/> ten. Es wäre ſchon ein unendlicher Gewinn geweſen, über-<lb/> haupt die Form einer allgemeinen Verfaſſung aufzuſtellen.</p><lb/> <p>Indeſſen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, ſo wie<lb/> die damit doch auch unleugbar verbundene Gefahr, ſchreck-<lb/> ten von ſeiner Ausführung zurück. Brenz ſagte wohl: „ja<lb/> wenn unter den Fürſten ein Conſtantin lebte, oder unter den<lb/> Gelehrten ein Luther!“ Melanchthon urtheilte, die Sache<lb/> müſſe erſt unter den einzelnen Fürſten vorbereitet werden,<lb/> man müſſe der Einigkeit im Voraus gewiß ſeyn, ehe man<lb/> ſie unternehme.</p><lb/> <p>Berathung unter den vorwaltenden Fürſten war wirklich<lb/> das einzige Mittel das man zur Beilegung der Irrungen ergriff.</p><lb/> <p>Und Dieſe waren nun, in der Epoche in der wir ſtehn,<lb/> ſehr friedfertig geſinnt.</p><lb/> <p>Wir berührten wie ſie ſich beim Abſchluß des Reli-<lb/> gionsfriedens nicht zu Beſtimmungen fortreißen ließen die<lb/> den Zwieſpalt zwiſchen ihnen ſelber hätten entzünden können.</p><lb/> <p>Bei jener merkwürdigen Zuſammenkunft vom J. 1558<lb/> zogen ſie neben den Reichsangelegenheiten auch die Religions-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [460/0472]
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das doch
wohl nicht ſchlechthin in Abrede ſtellen. Bei einer Zuſam-
menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde,
hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl ſie noch
nicht zu vollem Verſtändniß gelangt waren, das offenbare
Übergewicht. 1 Und wie Viele gab es, die das Verdächtig-
machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln,
welches jetzt überhand nahm, auf das ernſtlichſte mißbillig-
ten. Es wäre ſchon ein unendlicher Gewinn geweſen, über-
haupt die Form einer allgemeinen Verfaſſung aufzuſtellen.
Indeſſen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, ſo wie
die damit doch auch unleugbar verbundene Gefahr, ſchreck-
ten von ſeiner Ausführung zurück. Brenz ſagte wohl: „ja
wenn unter den Fürſten ein Conſtantin lebte, oder unter den
Gelehrten ein Luther!“ Melanchthon urtheilte, die Sache
müſſe erſt unter den einzelnen Fürſten vorbereitet werden,
man müſſe der Einigkeit im Voraus gewiß ſeyn, ehe man
ſie unternehme.
Berathung unter den vorwaltenden Fürſten war wirklich
das einzige Mittel das man zur Beilegung der Irrungen ergriff.
Und Dieſe waren nun, in der Epoche in der wir ſtehn,
ſehr friedfertig geſinnt.
Wir berührten wie ſie ſich beim Abſchluß des Reli-
gionsfriedens nicht zu Beſtimmungen fortreißen ließen die
den Zwieſpalt zwiſchen ihnen ſelber hätten entzünden können.
Bei jener merkwürdigen Zuſammenkunft vom J. 1558
zogen ſie neben den Reichsangelegenheiten auch die Religions-
1 Vgl. das Schreiben eines Flacianers de conventu Franco-
ford. 1557 bei Salig III, 276 Note.
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