Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Universität Wittenberg. tion dargeboten wurde. Auch sonst übte diese Universität ei-nen unermeßlichen Einfluß aus. Die ganze deutsche Nation, von Liefland bis nach Östreich auf der einen, und nach Bra- bant auf der andern Seite, schickte ihre Jugend zu den Fü- ßen der Wittenberger Lehrer. 1 Wittenberg war seit Bologna und Paris die erste selbständige hohe Schule die es gab: keine Colonie mehr, wie die früheren gewesen. Eher konn- ten die kleineren protestantischen Universitäten als Pflanzstät- ten von Wittenberg gelten, von wo aus sie großentheils be- setzt worden waren. Wenn man sich hier nur verstand, so brauchte man übrigens keinen Zwiespalt zu fürchten. Der Eid den die zu Wittenberg creirten Magister schwuren, sich in streitigen Fragen bei den Älteren Raths zu erholen, war darauf berechnet, unreife Meinungsäußerungen und daraus zu besorgenden Zwiespalt zu verhüten, wenn er auch nicht darauf gieng, wie ihn einige verstehn wollten, als sollten die wittenbergischen Lehrer immer zuerst gefragt werden. Wenn die Dinge in diesem Gange geblieben wären, 1 Im Jahr 1540 finden wir 448, 1541 461, 1542 594,
1543 503, 1544 814, 1545 556, 1546 748 Inscripti. Die große Masse der Studirenden gaben die nächsten Landschaften, Meißen, Thüringen, Franken, Brandenburg, Hessen; sehr regelmäßig finden wir unter den Inscribirten auch Liefländer und Preußen, ferner z. B. im Jahr 1544 35 Schlesier, 15 Pommern, 11 Hamburger, im Jahr 1543 7 Westphalen, 5 Friesländer, 4 Cöllner; und diesen Norddeut- schen gesellten sich dann die Oberdeutschen und Rheinländer in ziem- lich gleicher Anzahl bei: im Jahr 1543 finden wir 10 Augsburger und noch 6 andre Schwaben, 2 Straßburger, 3 von Speier: Frank- furt und Nürnberg erschienen jedes Jahr mit einer Anzahl Inscriptio- nen, eben so Östreich, auch die Stadt Wien. Schweizer, Holländer, Brabanter sind doch immer Einige. Univerſitaͤt Wittenberg. tion dargeboten wurde. Auch ſonſt übte dieſe Univerſität ei-nen unermeßlichen Einfluß aus. Die ganze deutſche Nation, von Liefland bis nach Öſtreich auf der einen, und nach Bra- bant auf der andern Seite, ſchickte ihre Jugend zu den Fü- ßen der Wittenberger Lehrer. 1 Wittenberg war ſeit Bologna und Paris die erſte ſelbſtändige hohe Schule die es gab: keine Colonie mehr, wie die früheren geweſen. Eher konn- ten die kleineren proteſtantiſchen Univerſitäten als Pflanzſtät- ten von Wittenberg gelten, von wo aus ſie großentheils be- ſetzt worden waren. Wenn man ſich hier nur verſtand, ſo brauchte man übrigens keinen Zwieſpalt zu fürchten. Der Eid den die zu Wittenberg creirten Magiſter ſchwuren, ſich in ſtreitigen Fragen bei den Älteren Raths zu erholen, war darauf berechnet, unreife Meinungsäußerungen und daraus zu beſorgenden Zwieſpalt zu verhüten, wenn er auch nicht darauf gieng, wie ihn einige verſtehn wollten, als ſollten die wittenbergiſchen Lehrer immer zuerſt gefragt werden. Wenn die Dinge in dieſem Gange geblieben wären, 1 Im Jahr 1540 finden wir 448, 1541 461, 1542 594,
1543 503, 1544 814, 1545 556, 1546 748 Inſcripti. Die große Maſſe der Studirenden gaben die naͤchſten Landſchaften, Meißen, Thuͤringen, Franken, Brandenburg, Heſſen; ſehr regelmaͤßig finden wir unter den Inſcribirten auch Lieflaͤnder und Preußen, ferner z. B. im Jahr 1544 35 Schleſier, 15 Pommern, 11 Hamburger, im Jahr 1543 7 Weſtphalen, 5 Frieslaͤnder, 4 Coͤllner; und dieſen Norddeut- ſchen geſellten ſich dann die Oberdeutſchen und Rheinlaͤnder in ziem- lich gleicher Anzahl bei: im Jahr 1543 finden wir 10 Augsburger und noch 6 andre Schwaben, 2 Straßburger, 3 von Speier: Frank- furt und Nuͤrnberg erſchienen jedes Jahr mit einer Anzahl Inſcriptio- nen, eben ſo Oͤſtreich, auch die Stadt Wien. Schweizer, Hollaͤnder, Brabanter ſind doch immer Einige. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0457" n="445"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Univerſitaͤt Wittenberg</hi>.</fw><lb/> tion dargeboten wurde. Auch ſonſt übte dieſe Univerſität ei-<lb/> nen unermeßlichen Einfluß aus. Die ganze deutſche Nation,<lb/> von Liefland bis nach Öſtreich auf der einen, und nach Bra-<lb/> bant auf der andern Seite, ſchickte ihre Jugend zu den Fü-<lb/> ßen der Wittenberger Lehrer. <note place="foot" n="1">Im Jahr 1540 finden wir 448, 1541 461, 1542 594,<lb/> 1543 503, 1544 814, 1545 556, 1546 748 Inſcripti. Die große<lb/> Maſſe der Studirenden gaben die naͤchſten Landſchaften, Meißen,<lb/> Thuͤringen, Franken, Brandenburg, Heſſen; ſehr regelmaͤßig finden<lb/> wir unter den Inſcribirten auch Lieflaͤnder und Preußen, ferner z. B.<lb/> im Jahr 1544 35 Schleſier, 15 Pommern, 11 Hamburger, im Jahr<lb/> 1543 7 Weſtphalen, 5 Frieslaͤnder, 4 Coͤllner; und dieſen Norddeut-<lb/> ſchen geſellten ſich dann die Oberdeutſchen und Rheinlaͤnder in ziem-<lb/> lich gleicher Anzahl bei: im Jahr 1543 finden wir 10 Augsburger<lb/> und noch 6 andre Schwaben, 2 Straßburger, 3 von Speier: Frank-<lb/> furt und Nuͤrnberg erſchienen jedes Jahr mit einer Anzahl Inſcriptio-<lb/> nen, eben ſo Oͤſtreich, auch die Stadt Wien. Schweizer, Hollaͤnder,<lb/> Brabanter ſind doch immer Einige.</note> Wittenberg war ſeit Bologna<lb/> und Paris die erſte ſelbſtändige hohe Schule die es gab:<lb/> keine Colonie mehr, wie die früheren geweſen. Eher konn-<lb/> ten die kleineren proteſtantiſchen Univerſitäten als Pflanzſtät-<lb/> ten von Wittenberg gelten, von wo aus ſie großentheils be-<lb/> ſetzt worden waren. Wenn man ſich hier nur verſtand, ſo<lb/> brauchte man übrigens keinen Zwieſpalt zu fürchten. Der<lb/> Eid den die zu Wittenberg creirten Magiſter ſchwuren, ſich<lb/> in ſtreitigen Fragen bei den Älteren Raths zu erholen, war<lb/> darauf berechnet, unreife Meinungsäußerungen und daraus<lb/> zu beſorgenden Zwieſpalt zu verhüten, wenn er auch nicht<lb/> darauf gieng, wie ihn einige verſtehn wollten, als ſollten die<lb/> wittenbergiſchen Lehrer immer zuerſt gefragt werden.</p><lb/> <p>Wenn die Dinge in dieſem Gange geblieben wären,<lb/> ſo hätte ſich wohl eine ruhige Weiterbildung der Lehre in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [445/0457]
Univerſitaͤt Wittenberg.
tion dargeboten wurde. Auch ſonſt übte dieſe Univerſität ei-
nen unermeßlichen Einfluß aus. Die ganze deutſche Nation,
von Liefland bis nach Öſtreich auf der einen, und nach Bra-
bant auf der andern Seite, ſchickte ihre Jugend zu den Fü-
ßen der Wittenberger Lehrer. 1 Wittenberg war ſeit Bologna
und Paris die erſte ſelbſtändige hohe Schule die es gab:
keine Colonie mehr, wie die früheren geweſen. Eher konn-
ten die kleineren proteſtantiſchen Univerſitäten als Pflanzſtät-
ten von Wittenberg gelten, von wo aus ſie großentheils be-
ſetzt worden waren. Wenn man ſich hier nur verſtand, ſo
brauchte man übrigens keinen Zwieſpalt zu fürchten. Der
Eid den die zu Wittenberg creirten Magiſter ſchwuren, ſich
in ſtreitigen Fragen bei den Älteren Raths zu erholen, war
darauf berechnet, unreife Meinungsäußerungen und daraus
zu beſorgenden Zwieſpalt zu verhüten, wenn er auch nicht
darauf gieng, wie ihn einige verſtehn wollten, als ſollten die
wittenbergiſchen Lehrer immer zuerſt gefragt werden.
Wenn die Dinge in dieſem Gange geblieben wären,
ſo hätte ſich wohl eine ruhige Weiterbildung der Lehre in
1 Im Jahr 1540 finden wir 448, 1541 461, 1542 594,
1543 503, 1544 814, 1545 556, 1546 748 Inſcripti. Die große
Maſſe der Studirenden gaben die naͤchſten Landſchaften, Meißen,
Thuͤringen, Franken, Brandenburg, Heſſen; ſehr regelmaͤßig finden
wir unter den Inſcribirten auch Lieflaͤnder und Preußen, ferner z. B.
im Jahr 1544 35 Schleſier, 15 Pommern, 11 Hamburger, im Jahr
1543 7 Weſtphalen, 5 Frieslaͤnder, 4 Coͤllner; und dieſen Norddeut-
ſchen geſellten ſich dann die Oberdeutſchen und Rheinlaͤnder in ziem-
lich gleicher Anzahl bei: im Jahr 1543 finden wir 10 Augsburger
und noch 6 andre Schwaben, 2 Straßburger, 3 von Speier: Frank-
furt und Nuͤrnberg erſchienen jedes Jahr mit einer Anzahl Inſcriptio-
nen, eben ſo Oͤſtreich, auch die Stadt Wien. Schweizer, Hollaͤnder,
Brabanter ſind doch immer Einige.
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