beruhte, und demselben sogar eine festere unabhängige Aner- kennung verschafft. Der Anspruch der Päpste, über das Reich zu verfügen, entlud sich nur noch in Worten: in der Sache selbst erschien er matt und kraftlos.
Überhaupt war den Einwirkungen des römischen Stuhls, der früher, selbst in weltlicher Beziehung, eine wahrhafte Ge- walt im Reiche ausmachte, eine Grenze gesetzt worden. Oder sollte es heutzutage Jemand geben, dem es als ein Nach- theil erschiene, daß päpstliche Legaten nicht ferner deutsche Reichstage eröffneten, der römische Hof nicht mehr zur Be- stätigung von Zöllen, zur Schlichtung von Rechtshändeln herbeigezogen wurde, noch Contributionen in Form des Ab- lasses ausschreiben durfte?
Wir können sagen: die Gedanken des vierzehnten Jahr- hunderts, wie sie dem ältesten Churfürstenvereine und der goldnen Bulle zu Grunde liegen, und das Bestreben des funfzehnten, an die Stelle der Willkührlichkeiten, welche der kaiserliche und der päpstliche Hof von der Ferne her aus- übten, wobei sie doch den eingerissenen Gewaltsamkeiten nicht im mindesten steuern konnten, Ordnung Friede und Recht einzuführen, waren jetzt erst vollzogen; die ursprünglich beab- sichtigte ständische Verfassung war in großen umfassenden und friedebringenden Constitutionen befestigt.
Es liegt am Tage, daß das Emporkommen der prote- stantischen Meinung an allen diesen Dingen den größten An- theil hatte. Zu der Opposition gegen das Papstthum gab sie zugleich Berechtigung und weiteren Antrieb. Dem Kai- serthum, dem sie an sich nicht entgegen war, mußte sie sich doch wegen seiner Verbindung mit der geistlichen Macht wi- dersetzen. Erst unter ihrem Einfluß kamen Landfriede, Kam-
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
beruhte, und demſelben ſogar eine feſtere unabhängige Aner- kennung verſchafft. Der Anſpruch der Päpſte, über das Reich zu verfügen, entlud ſich nur noch in Worten: in der Sache ſelbſt erſchien er matt und kraftlos.
Überhaupt war den Einwirkungen des römiſchen Stuhls, der früher, ſelbſt in weltlicher Beziehung, eine wahrhafte Ge- walt im Reiche ausmachte, eine Grenze geſetzt worden. Oder ſollte es heutzutage Jemand geben, dem es als ein Nach- theil erſchiene, daß päpſtliche Legaten nicht ferner deutſche Reichstage eröffneten, der römiſche Hof nicht mehr zur Be- ſtätigung von Zöllen, zur Schlichtung von Rechtshändeln herbeigezogen wurde, noch Contributionen in Form des Ab- laſſes ausſchreiben durfte?
Wir können ſagen: die Gedanken des vierzehnten Jahr- hunderts, wie ſie dem älteſten Churfürſtenvereine und der goldnen Bulle zu Grunde liegen, und das Beſtreben des funfzehnten, an die Stelle der Willkührlichkeiten, welche der kaiſerliche und der päpſtliche Hof von der Ferne her aus- übten, wobei ſie doch den eingeriſſenen Gewaltſamkeiten nicht im mindeſten ſteuern konnten, Ordnung Friede und Recht einzuführen, waren jetzt erſt vollzogen; die urſprünglich beab- ſichtigte ſtändiſche Verfaſſung war in großen umfaſſenden und friedebringenden Conſtitutionen befeſtigt.
Es liegt am Tage, daß das Emporkommen der prote- ſtantiſchen Meinung an allen dieſen Dingen den größten An- theil hatte. Zu der Oppoſition gegen das Papſtthum gab ſie zugleich Berechtigung und weiteren Antrieb. Dem Kai- ſerthum, dem ſie an ſich nicht entgegen war, mußte ſie ſich doch wegen ſeiner Verbindung mit der geiſtlichen Macht wi- derſetzen. Erſt unter ihrem Einfluß kamen Landfriede, Kam-
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Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
beruhte, und demſelben ſogar eine feſtere unabhängige Aner-
kennung verſchafft. Der Anſpruch der Päpſte, über das Reich
zu verfügen, entlud ſich nur noch in Worten: in der Sache
ſelbſt erſchien er matt und kraftlos.
Überhaupt war den Einwirkungen des römiſchen Stuhls,
der früher, ſelbſt in weltlicher Beziehung, eine wahrhafte Ge-
walt im Reiche ausmachte, eine Grenze geſetzt worden. Oder
ſollte es heutzutage Jemand geben, dem es als ein Nach-
theil erſchiene, daß päpſtliche Legaten nicht ferner deutſche
Reichstage eröffneten, der römiſche Hof nicht mehr zur Be-
ſtätigung von Zöllen, zur Schlichtung von Rechtshändeln
herbeigezogen wurde, noch Contributionen in Form des Ab-
laſſes ausſchreiben durfte?
Wir können ſagen: die Gedanken des vierzehnten Jahr-
hunderts, wie ſie dem älteſten Churfürſtenvereine und der
goldnen Bulle zu Grunde liegen, und das Beſtreben des
funfzehnten, an die Stelle der Willkührlichkeiten, welche der
kaiſerliche und der päpſtliche Hof von der Ferne her aus-
übten, wobei ſie doch den eingeriſſenen Gewaltſamkeiten nicht
im mindeſten ſteuern konnten, Ordnung Friede und Recht
einzuführen, waren jetzt erſt vollzogen; die urſprünglich beab-
ſichtigte ſtändiſche Verfaſſung war in großen umfaſſenden und
friedebringenden Conſtitutionen befeſtigt.
Es liegt am Tage, daß das Emporkommen der prote-
ſtantiſchen Meinung an allen dieſen Dingen den größten An-
theil hatte. Zu der Oppoſition gegen das Papſtthum gab
ſie zugleich Berechtigung und weiteren Antrieb. Dem Kai-
ſerthum, dem ſie an ſich nicht entgegen war, mußte ſie ſich
doch wegen ſeiner Verbindung mit der geiſtlichen Macht wi-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/442>, abgerufen am 23.11.2024.
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