Prinz von Oranien und der Vicecanzler Seld hinauf. Seld verlas die kaiserliche Vollmacht und die Urkunde der Cession; Dr Jonas die der Annahme von Seiten Ferdinands, die denn hauptsächlich enthielt, daß er mit dem Rathe der Chur- fürsten, den er sich erbat, zu regieren gedenke. Hierauf ward König Ferdinand als erwählter römischer Kaiser proclamirt. Im Namen der Churfürsten begrüßte ihn der Erzcanzler des Reiches: im Namen der Reichsfürsten, die sich sehr zahlreich eingefunden, Christoph von Würtenberg; Ferdinand gelobte ihnen ihre Privilegien zu halten. Man sah, daß sich Alle, welches auch ihre religiösen Meinungen seyn mochten, wie- der als eine Einheit fühlten, auf dem Grunde des von kei- ner künftigen dogmatischen Festsetzung abhängigen immerwäh- renden Friedens. Der Gottesdienst mit welchem sie die Feier- lichkeit beschlossen, war so eingerichtet, daß die Einen und die Andern demselben beiwohnen konnten.
Man fühlte, daß es auch außerhalb der dogmatischen Gegensätze etwas gebe was doch auch Religion sey, ob- gleich es sich nicht so leicht aussprechen ließ; hauptsächlich aber sah man, daß jenseit der Fragen über Mein und Dein, die daraus entsprungen, und aller damit zusammenhängen- den politischen Irrung, noch etwas Gemeinsames liege, was man schlechterdings festhalten müsse, die Idee des Reiches. Carl V hatte in dem Kaiserthum ein ihm zugefallenes, von ihm persönlich geltend zu machendes Recht gesehen: jetzt kam dasselbe wieder an die Gemeinschaft der Fürsten zurück. In jenem Verzeichniß der Beschwerden wird der Begriff des hei- ligen Reiches festgehalten; es wird als ein solches bezeich- net, das auf dem Wege freier Wahl sich selbst und der gan-
Ranke D. Gesch. V. 27
Churfuͤrſtenverſammlung zu Frankfurt.
Prinz von Oranien und der Vicecanzler Seld hinauf. Seld verlas die kaiſerliche Vollmacht und die Urkunde der Ceſſion; Dr Jonas die der Annahme von Seiten Ferdinands, die denn hauptſächlich enthielt, daß er mit dem Rathe der Chur- fürſten, den er ſich erbat, zu regieren gedenke. Hierauf ward König Ferdinand als erwählter römiſcher Kaiſer proclamirt. Im Namen der Churfürſten begrüßte ihn der Erzcanzler des Reiches: im Namen der Reichsfürſten, die ſich ſehr zahlreich eingefunden, Chriſtoph von Würtenberg; Ferdinand gelobte ihnen ihre Privilegien zu halten. Man ſah, daß ſich Alle, welches auch ihre religiöſen Meinungen ſeyn mochten, wie- der als eine Einheit fühlten, auf dem Grunde des von kei- ner künftigen dogmatiſchen Feſtſetzung abhängigen immerwäh- renden Friedens. Der Gottesdienſt mit welchem ſie die Feier- lichkeit beſchloſſen, war ſo eingerichtet, daß die Einen und die Andern demſelben beiwohnen konnten.
Man fühlte, daß es auch außerhalb der dogmatiſchen Gegenſätze etwas gebe was doch auch Religion ſey, ob- gleich es ſich nicht ſo leicht ausſprechen ließ; hauptſächlich aber ſah man, daß jenſeit der Fragen über Mein und Dein, die daraus entſprungen, und aller damit zuſammenhängen- den politiſchen Irrung, noch etwas Gemeinſames liege, was man ſchlechterdings feſthalten müſſe, die Idee des Reiches. Carl V hatte in dem Kaiſerthum ein ihm zugefallenes, von ihm perſönlich geltend zu machendes Recht geſehen: jetzt kam daſſelbe wieder an die Gemeinſchaft der Fürſten zurück. In jenem Verzeichniß der Beſchwerden wird der Begriff des hei- ligen Reiches feſtgehalten; es wird als ein ſolches bezeich- net, das auf dem Wege freier Wahl ſich ſelbſt und der gan-
Ranke D. Geſch. V. 27
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Churfuͤrſtenverſammlung zu Frankfurt.
Prinz von Oranien und der Vicecanzler Seld hinauf. Seld
verlas die kaiſerliche Vollmacht und die Urkunde der Ceſſion;
Dr Jonas die der Annahme von Seiten Ferdinands, die
denn hauptſächlich enthielt, daß er mit dem Rathe der Chur-
fürſten, den er ſich erbat, zu regieren gedenke. Hierauf ward
König Ferdinand als erwählter römiſcher Kaiſer proclamirt.
Im Namen der Churfürſten begrüßte ihn der Erzcanzler des
Reiches: im Namen der Reichsfürſten, die ſich ſehr zahlreich
eingefunden, Chriſtoph von Würtenberg; Ferdinand gelobte
ihnen ihre Privilegien zu halten. Man ſah, daß ſich Alle,
welches auch ihre religiöſen Meinungen ſeyn mochten, wie-
der als eine Einheit fühlten, auf dem Grunde des von kei-
ner künftigen dogmatiſchen Feſtſetzung abhängigen immerwäh-
renden Friedens. Der Gottesdienſt mit welchem ſie die Feier-
lichkeit beſchloſſen, war ſo eingerichtet, daß die Einen und
die Andern demſelben beiwohnen konnten.
Man fühlte, daß es auch außerhalb der dogmatiſchen
Gegenſätze etwas gebe was doch auch Religion ſey, ob-
gleich es ſich nicht ſo leicht ausſprechen ließ; hauptſächlich
aber ſah man, daß jenſeit der Fragen über Mein und Dein,
die daraus entſprungen, und aller damit zuſammenhängen-
den politiſchen Irrung, noch etwas Gemeinſames liege, was
man ſchlechterdings feſthalten müſſe, die Idee des Reiches.
Carl V hatte in dem Kaiſerthum ein ihm zugefallenes, von
ihm perſönlich geltend zu machendes Recht geſehen: jetzt kam
daſſelbe wieder an die Gemeinſchaft der Fürſten zurück. In
jenem Verzeichniß der Beſchwerden wird der Begriff des hei-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/429>, abgerufen am 23.07.2024.
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