sicht, sich einmal in ein Kloster zurückzuziehen, mit ausdrück- lichen Worten an.
Damals aber hatte ihn der Strom der Ereignisse noch einmal ergriffen: im Grunde ist das Meiste was sein An- denken in der Welt unvergeßlich gemacht hat, erst nachher geschehen; er hatte noch einmal den kühnen und großartigen Versuch gemacht, seinen Begriff eines römisch-gläubigen Kai- serthums zu realisiren; damit aber war es nun auch vorbei.
Was war ihm an der Macht gelegen, wenn sie ihm nicht mehr zur Ausführung seiner Gedanken dienen konnte? Als er sich in dem Falle sah, den unbedingten Frieden in Deutschland zwar nicht ausdrücklich bestätigen zu müssen, -- niemals hätte er das gethan, -- aber ihm doch auch nicht widerstreben zu können, meldete er seinem Bruder, daß er ihm die kaiserliche Würde überlasse. Nur in der beson- dern Bedeutung wie er das Kaiserthum gefaßt, hatte es Werth für ihn.
Und dazu kam noch eine Gewissensbedrängniß sehr per- sönlicher Art, die jetzt erst hervortaucht. Er bekannte, er habe Unrecht daran gethan, daß er sich aus Liebe zu seinem Sohne nicht zum zweiten Male vermählt habe, und verhehlte nicht, daß er darüber in Sünden gefallen sey die er jetzt büßen wolle, um sich vor seinem Ende mit seinem Gott zu vergleichen. 1
Am 15ten Januar 1556, in einer Versammlung der angesehensten Spanier die sich in den Niederlanden befan- den, in Anwesenheit der beiden Königinnen seiner Schwe- stern, übertrug der Kaiser auch die spanischen Königreiche an seinen Sohn.
1 Bericht bei Arnoldi Historische Denkwürdigkeiten p. 31.
Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
ſicht, ſich einmal in ein Kloſter zurückzuziehen, mit ausdrück- lichen Worten an.
Damals aber hatte ihn der Strom der Ereigniſſe noch einmal ergriffen: im Grunde iſt das Meiſte was ſein An- denken in der Welt unvergeßlich gemacht hat, erſt nachher geſchehen; er hatte noch einmal den kühnen und großartigen Verſuch gemacht, ſeinen Begriff eines römiſch-gläubigen Kai- ſerthums zu realiſiren; damit aber war es nun auch vorbei.
Was war ihm an der Macht gelegen, wenn ſie ihm nicht mehr zur Ausführung ſeiner Gedanken dienen konnte? Als er ſich in dem Falle ſah, den unbedingten Frieden in Deutſchland zwar nicht ausdrücklich beſtätigen zu müſſen, — niemals hätte er das gethan, — aber ihm doch auch nicht widerſtreben zu können, meldete er ſeinem Bruder, daß er ihm die kaiſerliche Würde überlaſſe. Nur in der beſon- dern Bedeutung wie er das Kaiſerthum gefaßt, hatte es Werth für ihn.
Und dazu kam noch eine Gewiſſensbedrängniß ſehr per- ſönlicher Art, die jetzt erſt hervortaucht. Er bekannte, er habe Unrecht daran gethan, daß er ſich aus Liebe zu ſeinem Sohne nicht zum zweiten Male vermählt habe, und verhehlte nicht, daß er darüber in Sünden gefallen ſey die er jetzt büßen wolle, um ſich vor ſeinem Ende mit ſeinem Gott zu vergleichen. 1
Am 15ten Januar 1556, in einer Verſammlung der angeſehenſten Spanier die ſich in den Niederlanden befan- den, in Anweſenheit der beiden Königinnen ſeiner Schwe- ſtern, übertrug der Kaiſer auch die ſpaniſchen Königreiche an ſeinen Sohn.
1 Bericht bei Arnoldi Hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten p. 31.
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Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
ſicht, ſich einmal in ein Kloſter zurückzuziehen, mit ausdrück-
lichen Worten an.
Damals aber hatte ihn der Strom der Ereigniſſe noch
einmal ergriffen: im Grunde iſt das Meiſte was ſein An-
denken in der Welt unvergeßlich gemacht hat, erſt nachher
geſchehen; er hatte noch einmal den kühnen und großartigen
Verſuch gemacht, ſeinen Begriff eines römiſch-gläubigen Kai-
ſerthums zu realiſiren; damit aber war es nun auch vorbei.
Was war ihm an der Macht gelegen, wenn ſie ihm
nicht mehr zur Ausführung ſeiner Gedanken dienen konnte?
Als er ſich in dem Falle ſah, den unbedingten Frieden in
Deutſchland zwar nicht ausdrücklich beſtätigen zu müſſen,
— niemals hätte er das gethan, — aber ihm doch auch
nicht widerſtreben zu können, meldete er ſeinem Bruder, daß
er ihm die kaiſerliche Würde überlaſſe. Nur in der beſon-
dern Bedeutung wie er das Kaiſerthum gefaßt, hatte es
Werth für ihn.
Und dazu kam noch eine Gewiſſensbedrängniß ſehr per-
ſönlicher Art, die jetzt erſt hervortaucht. Er bekannte, er habe
Unrecht daran gethan, daß er ſich aus Liebe zu ſeinem Sohne
nicht zum zweiten Male vermählt habe, und verhehlte nicht,
daß er darüber in Sünden gefallen ſey die er jetzt büßen wolle,
um ſich vor ſeinem Ende mit ſeinem Gott zu vergleichen. 1
Am 15ten Januar 1556, in einer Verſammlung der
angeſehenſten Spanier die ſich in den Niederlanden befan-
den, in Anweſenheit der beiden Königinnen ſeiner Schwe-
ſtern, übertrug der Kaiſer auch die ſpaniſchen Königreiche
an ſeinen Sohn.
1 Bericht bei Arnoldi Hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten p. 31.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/422>, abgerufen am 24.11.2024.
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