des Lutherthums verdächtig sey, noch ferner zu dem Capitel berufen werden könne. Die Hauptsache aber war, daß der Kaiser den Versammelten seine Absicht ankündigte, wie die Regierung der diesseitigen Länder sammt Burgund, so auch die Würde eines Hauptes und Souveräns des Ordens vom goldnen Vließ, die an dieselbe sich knüpfe, auf seinen Sohn den König von England zu übertragen. Philipp trat ei- nen Augenblick ab, während dessen die Ritter sich besprachen. Man kann denken, daß sich keine Stimme gegen den Vor- schlag erhob, doch sollte keine Form unbeobachtet bleiben. Als Philipp wieder eintrat, ward er als der neue Souverän des Ordens beglückwünscht, und man faßte den Beschluß, demgemäß dessen Siegel zu verändern. 1
Hierauf, am 25sten, versammelten sich die Mitglieder der Stände, die von den verschiedenen Landschaften hiezu mit den nöthigen Vollmachten versehen worden, im kaiser- lichen Pallast. Es war derselbe Saal, in welchem Carl vor vierzig Jahren für mündig erklärt worden, und die Re- gierung dieser Lande übernommen hatte. Dazwischen lag sein ganzes mit dem Kampfe aller lebendigen Elemente der Welt erfülltes Leben. Nachdem einer der Räthe die Propo- sition der Abdankung vorgetragen, ergriff der Kaiser selbst das Wort. Er ließ vor seinem Geiste vorübergehn, was ihn persönlich seit jenem Anfang betroffen: wie der Gedanke seiner Jugend, das Gebiet der Christenheit gegen den Erb- feind auszubreiten, durch den Widerstand politischen und re- ligiösen Ursprungs, der sich ihm von allen Seiten erhoben,
1 Reiffenberg Histoire de l'ordre de la toison d'or p. 441.
Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
des Lutherthums verdächtig ſey, noch ferner zu dem Capitel berufen werden könne. Die Hauptſache aber war, daß der Kaiſer den Verſammelten ſeine Abſicht ankündigte, wie die Regierung der dieſſeitigen Länder ſammt Burgund, ſo auch die Würde eines Hauptes und Souveräns des Ordens vom goldnen Vließ, die an dieſelbe ſich knüpfe, auf ſeinen Sohn den König von England zu übertragen. Philipp trat ei- nen Augenblick ab, während deſſen die Ritter ſich beſprachen. Man kann denken, daß ſich keine Stimme gegen den Vor- ſchlag erhob, doch ſollte keine Form unbeobachtet bleiben. Als Philipp wieder eintrat, ward er als der neue Souverän des Ordens beglückwünſcht, und man faßte den Beſchluß, demgemäß deſſen Siegel zu verändern. 1
Hierauf, am 25ſten, verſammelten ſich die Mitglieder der Stände, die von den verſchiedenen Landſchaften hiezu mit den nöthigen Vollmachten verſehen worden, im kaiſer- lichen Pallaſt. Es war derſelbe Saal, in welchem Carl vor vierzig Jahren für mündig erklärt worden, und die Re- gierung dieſer Lande übernommen hatte. Dazwiſchen lag ſein ganzes mit dem Kampfe aller lebendigen Elemente der Welt erfülltes Leben. Nachdem einer der Räthe die Propo- ſition der Abdankung vorgetragen, ergriff der Kaiſer ſelbſt das Wort. Er ließ vor ſeinem Geiſte vorübergehn, was ihn perſönlich ſeit jenem Anfang betroffen: wie der Gedanke ſeiner Jugend, das Gebiet der Chriſtenheit gegen den Erb- feind auszubreiten, durch den Widerſtand politiſchen und re- ligiöſen Urſprungs, der ſich ihm von allen Seiten erhoben,
1 Reiffenberg Histoire de l’ordre de la toison d’or p. 441.
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Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
des Lutherthums verdächtig ſey, noch ferner zu dem Capitel
berufen werden könne. Die Hauptſache aber war, daß der
Kaiſer den Verſammelten ſeine Abſicht ankündigte, wie die
Regierung der dieſſeitigen Länder ſammt Burgund, ſo auch
die Würde eines Hauptes und Souveräns des Ordens vom
goldnen Vließ, die an dieſelbe ſich knüpfe, auf ſeinen Sohn
den König von England zu übertragen. Philipp trat ei-
nen Augenblick ab, während deſſen die Ritter ſich beſprachen.
Man kann denken, daß ſich keine Stimme gegen den Vor-
ſchlag erhob, doch ſollte keine Form unbeobachtet bleiben.
Als Philipp wieder eintrat, ward er als der neue Souverän
des Ordens beglückwünſcht, und man faßte den Beſchluß,
demgemäß deſſen Siegel zu verändern. 1
Hierauf, am 25ſten, verſammelten ſich die Mitglieder
der Stände, die von den verſchiedenen Landſchaften hiezu
mit den nöthigen Vollmachten verſehen worden, im kaiſer-
lichen Pallaſt. Es war derſelbe Saal, in welchem Carl vor
vierzig Jahren für mündig erklärt worden, und die Re-
gierung dieſer Lande übernommen hatte. Dazwiſchen lag
ſein ganzes mit dem Kampfe aller lebendigen Elemente der
Welt erfülltes Leben. Nachdem einer der Räthe die Propo-
ſition der Abdankung vorgetragen, ergriff der Kaiſer ſelbſt
das Wort. Er ließ vor ſeinem Geiſte vorübergehn, was
ihn perſönlich ſeit jenem Anfang betroffen: wie der Gedanke
ſeiner Jugend, das Gebiet der Chriſtenheit gegen den Erb-
feind auszubreiten, durch den Widerſtand politiſchen und re-
ligiöſen Urſprungs, der ſich ihm von allen Seiten erhoben,
1 Reiffenberg Histoire de l’ordre de la toison d’or p. 441.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/418>, abgerufen am 23.07.2024.
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