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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Übertragung der italien. Länder an Philipp.
Neapel übertrug, und zwar nicht allein dem Titel nach: gleich
darauf ward es im Namen Philipps mit allen bei einem
Thronwechsel herkömmlichen Formen in Besitz genommen. 1
Auch Mailand übertrug er ihm, und belehnte ihn mit Siena,
ehe dieß noch erobert war. Hatte er ihn nicht zu seinem
Nachfolger im Kaiserthum machen können, so überließ er
ihm wenigstens diese italienischen Länder, an die ihm frei-
lich kein anderer Rechtstitel zustand als die alte Oberherrlich-
keit der Kaiser darüber. Diese Übertragung ist der Act, durch
welchen diese Länder ihren alten Zusammenhang mit dem
Reiche, das dabei in keiner Weise zu Rathe gezogen ward,
vollends verloren haben. Damals war damit noch eine innere
Regierungsveränderung verknüpft. Die bisherigen Repräsen-
tanten des Kaisers in Italien konnten sich nicht mehr halten.
Don Diego Mendoza, dem wir erst in Flandern, dann in
England begegnen, begab sich nach Spanien. Ferrante Gon-
zaga ward nach den Niederlanden berufen und dort einer
strengen Untersuchung seines Verhaltens unterworfen, die
zwar mit persönlicher Freisprechung, aber doch nicht mit
Herstellung in sein Amt sich endigte. Im Juni 1555 er-
schien der Herzog von Alba als Generalvicar Philipps II in
Italien; die toledanische Partei, der auch der Herzog von
Florenz angehörte, behielt unter dem Einfluß des neuen Für-
sten zunächst den Platz. Und auch hiebei konnte es sein Ver-
bleiben nicht haben. Lange Zeit brachte man auch nach der
Übertragung alle Geschäfte die sich auf Italien bezogen, zu-

1 Informatione di quanto e passato tra il Cle di Parecho
ed il marchese di Pescara nel pigliar il possesso del regno di
Napoli,
und Ragguaglio del possesso preso, Inf. pol. XII.
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Uͤbertragung der italien. Laͤnder an Philipp.
Neapel übertrug, und zwar nicht allein dem Titel nach: gleich
darauf ward es im Namen Philipps mit allen bei einem
Thronwechſel herkömmlichen Formen in Beſitz genommen. 1
Auch Mailand übertrug er ihm, und belehnte ihn mit Siena,
ehe dieß noch erobert war. Hatte er ihn nicht zu ſeinem
Nachfolger im Kaiſerthum machen können, ſo überließ er
ihm wenigſtens dieſe italieniſchen Länder, an die ihm frei-
lich kein anderer Rechtstitel zuſtand als die alte Oberherrlich-
keit der Kaiſer darüber. Dieſe Übertragung iſt der Act, durch
welchen dieſe Länder ihren alten Zuſammenhang mit dem
Reiche, das dabei in keiner Weiſe zu Rathe gezogen ward,
vollends verloren haben. Damals war damit noch eine innere
Regierungsveränderung verknüpft. Die bisherigen Repräſen-
tanten des Kaiſers in Italien konnten ſich nicht mehr halten.
Don Diego Mendoza, dem wir erſt in Flandern, dann in
England begegnen, begab ſich nach Spanien. Ferrante Gon-
zaga ward nach den Niederlanden berufen und dort einer
ſtrengen Unterſuchung ſeines Verhaltens unterworfen, die
zwar mit perſönlicher Freiſprechung, aber doch nicht mit
Herſtellung in ſein Amt ſich endigte. Im Juni 1555 er-
ſchien der Herzog von Alba als Generalvicar Philipps II in
Italien; die toledaniſche Partei, der auch der Herzog von
Florenz angehörte, behielt unter dem Einfluß des neuen Für-
ſten zunächſt den Platz. Und auch hiebei konnte es ſein Ver-
bleiben nicht haben. Lange Zeit brachte man auch nach der
Übertragung alle Geſchäfte die ſich auf Italien bezogen, zu-

1 Informatione di quanto è passato tra il Cle di Parecho
ed il marchese di Pescara nel pigliar il possesso del regno di
Napoli,
und Ragguaglio del possesso preso, Inf. pol. XII.
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[403/0415] Uͤbertragung der italien. Laͤnder an Philipp. Neapel übertrug, und zwar nicht allein dem Titel nach: gleich darauf ward es im Namen Philipps mit allen bei einem Thronwechſel herkömmlichen Formen in Beſitz genommen. 1 Auch Mailand übertrug er ihm, und belehnte ihn mit Siena, ehe dieß noch erobert war. Hatte er ihn nicht zu ſeinem Nachfolger im Kaiſerthum machen können, ſo überließ er ihm wenigſtens dieſe italieniſchen Länder, an die ihm frei- lich kein anderer Rechtstitel zuſtand als die alte Oberherrlich- keit der Kaiſer darüber. Dieſe Übertragung iſt der Act, durch welchen dieſe Länder ihren alten Zuſammenhang mit dem Reiche, das dabei in keiner Weiſe zu Rathe gezogen ward, vollends verloren haben. Damals war damit noch eine innere Regierungsveränderung verknüpft. Die bisherigen Repräſen- tanten des Kaiſers in Italien konnten ſich nicht mehr halten. Don Diego Mendoza, dem wir erſt in Flandern, dann in England begegnen, begab ſich nach Spanien. Ferrante Gon- zaga ward nach den Niederlanden berufen und dort einer ſtrengen Unterſuchung ſeines Verhaltens unterworfen, die zwar mit perſönlicher Freiſprechung, aber doch nicht mit Herſtellung in ſein Amt ſich endigte. Im Juni 1555 er- ſchien der Herzog von Alba als Generalvicar Philipps II in Italien; die toledaniſche Partei, der auch der Herzog von Florenz angehörte, behielt unter dem Einfluß des neuen Für- ſten zunächſt den Platz. Und auch hiebei konnte es ſein Ver- bleiben nicht haben. Lange Zeit brachte man auch nach der Übertragung alle Geſchäfte die ſich auf Italien bezogen, zu- 1 Informatione di quanto è passato tra il Cle di Parecho ed il marchese di Pescara nel pigliar il possesso del regno di Napoli, und Ragguaglio del possesso preso, Inf. pol. XII. 26*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/415>, abgerufen am 24.11.2024.