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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Berathungen über den Religionsfrieden.
Beschluß getrieben zu werden. Wie er immer gesagt, eher
war er entschlossen, das Reich sich selber zu überlassen.

Dieß ist der Grund, weshalb er Verzicht darauf lei-
stete an dem Reichstag zu erscheinen und die Verhandlung
so ganz seinem Bruder überließ. Wir könnten es schon ver-
muthen, aber wir wissen es auch aus seinem Munde. Was
seine öffentlichen Ausschreiben, enthielten, erläutert er seinem
Bruder in einem Briefe vom 10ten Juni 1554 ausführli-
cher. Er sagt darin, daß Ferdinand als römischer König
auf dem Reichstag alles entscheiden möge, was daselbst
vorkomme, ohne von seiner Seite Resolution zu erwarten;
die Commissarien die er senden werde, sollen sich doch in
die Entscheidung nicht zu mischen haben; diese überlasse er
vielmehr dem König und den Ständen vollkommen, nicht
in seinem Namen noch in seiner Vollmacht. "Und um
Euch den Grund hievon anzugeben," fügt er hinzu, "es ge-
schieht allein aus Rücksicht auf die Religion, über welche
ich meine Scrupel habe." Er bittet ihn, keinen andern
Grund irgend einer Art zu vermuthen und sich vielmehr daran
erinnern zu wollen, was er ihm vollständiger in Villach ge-
sagt habe. 1

Und nun forderte er zwar auch seinen Bruder auf, nichts
anzunehmen, wodurch sein Gewissen beschwert, oder der Zwie-
spalt vergrößert und dessen Abhülfe in allzu weite Ferne ge-

1 Die Worte: Et pour vous dire la cause - - et vous priant
non la vouloir imaginer autre, c'est seulement pour le respect du
point de la religion, auquel j'ai mes scrupules, que je vous ai si
pertinemment et plainement declaire et meme en ma derniere
detenue a Villach.
Der ganze Brief aus dem Brüsseler Arch. im
Anhang.

Berathungen uͤber den Religionsfrieden.
Beſchluß getrieben zu werden. Wie er immer geſagt, eher
war er entſchloſſen, das Reich ſich ſelber zu überlaſſen.

Dieß iſt der Grund, weshalb er Verzicht darauf lei-
ſtete an dem Reichstag zu erſcheinen und die Verhandlung
ſo ganz ſeinem Bruder überließ. Wir könnten es ſchon ver-
muthen, aber wir wiſſen es auch aus ſeinem Munde. Was
ſeine öffentlichen Ausſchreiben, enthielten, erläutert er ſeinem
Bruder in einem Briefe vom 10ten Juni 1554 ausführli-
cher. Er ſagt darin, daß Ferdinand als römiſcher König
auf dem Reichstag alles entſcheiden möge, was daſelbſt
vorkomme, ohne von ſeiner Seite Reſolution zu erwarten;
die Commiſſarien die er ſenden werde, ſollen ſich doch in
die Entſcheidung nicht zu miſchen haben; dieſe überlaſſe er
vielmehr dem König und den Ständen vollkommen, nicht
in ſeinem Namen noch in ſeiner Vollmacht. „Und um
Euch den Grund hievon anzugeben,“ fügt er hinzu, „es ge-
ſchieht allein aus Rückſicht auf die Religion, über welche
ich meine Scrupel habe.“ Er bittet ihn, keinen andern
Grund irgend einer Art zu vermuthen und ſich vielmehr daran
erinnern zu wollen, was er ihm vollſtändiger in Villach ge-
ſagt habe. 1

Und nun forderte er zwar auch ſeinen Bruder auf, nichts
anzunehmen, wodurch ſein Gewiſſen beſchwert, oder der Zwie-
ſpalt vergrößert und deſſen Abhülfe in allzu weite Ferne ge-

1 Die Worte: Et pour vous dire la cause ‒ ‒ et vous priant
non la vouloir imaginer autre, c’est seulement pour le respect du
point de la religion, auquel j’ai mes scrupules, que je vous ai si
pertinemment et plainement declairé et même en ma dernière
detenue a Villach.
Der ganze Brief aus dem Bruͤſſeler Arch. im
Anhang.
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[359/0371] Berathungen uͤber den Religionsfrieden. Beſchluß getrieben zu werden. Wie er immer geſagt, eher war er entſchloſſen, das Reich ſich ſelber zu überlaſſen. Dieß iſt der Grund, weshalb er Verzicht darauf lei- ſtete an dem Reichstag zu erſcheinen und die Verhandlung ſo ganz ſeinem Bruder überließ. Wir könnten es ſchon ver- muthen, aber wir wiſſen es auch aus ſeinem Munde. Was ſeine öffentlichen Ausſchreiben, enthielten, erläutert er ſeinem Bruder in einem Briefe vom 10ten Juni 1554 ausführli- cher. Er ſagt darin, daß Ferdinand als römiſcher König auf dem Reichstag alles entſcheiden möge, was daſelbſt vorkomme, ohne von ſeiner Seite Reſolution zu erwarten; die Commiſſarien die er ſenden werde, ſollen ſich doch in die Entſcheidung nicht zu miſchen haben; dieſe überlaſſe er vielmehr dem König und den Ständen vollkommen, nicht in ſeinem Namen noch in ſeiner Vollmacht. „Und um Euch den Grund hievon anzugeben,“ fügt er hinzu, „es ge- ſchieht allein aus Rückſicht auf die Religion, über welche ich meine Scrupel habe.“ Er bittet ihn, keinen andern Grund irgend einer Art zu vermuthen und ſich vielmehr daran erinnern zu wollen, was er ihm vollſtändiger in Villach ge- ſagt habe. 1 Und nun forderte er zwar auch ſeinen Bruder auf, nichts anzunehmen, wodurch ſein Gewiſſen beſchwert, oder der Zwie- ſpalt vergrößert und deſſen Abhülfe in allzu weite Ferne ge- 1 Die Worte: Et pour vous dire la cause ‒ ‒ et vous priant non la vouloir imaginer autre, c’est seulement pour le respect du point de la religion, auquel j’ai mes scrupules, que je vous ai si pertinemment et plainement declairé et même en ma dernière detenue a Villach. Der ganze Brief aus dem Bruͤſſeler Arch. im Anhang.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/371>, abgerufen am 24.11.2024.