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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Drittes Capitel.
heiten fast am lautesten verdammte, eröffnete er durch seinen
Marschall Böcklin am 26sten Januar 1553, er wisse Nie-
mand, der dem Reiche, damit es nicht ganz zerrissen werde,
"fürständiger seyn möchte", als seinen Sohn. 1

Allein der Kaiser irrte, wenn er nach alle dem was
man erlebt hatte und befürchten müssen, das Vertrauen der
Fürsten wieder erwerben und ihnen ein Vorhaben, das ihre
Besorgnisse eben am meisten erweckt hatte, annehmlich ma-
chen zu können glaubte. Seine Eröffnungen bewirkten das
Gegentheil von dem was er wünschte. Schon am 5ten Fe-
bruar 1553 kamen Friedrich von der Pfalz, Albrecht von
Baiern, Wilhelm von Jülich, von denen ich nicht weiß, ob
ihnen ähnliche Mittheilungen gemacht worden, mit Herzog
Christoph zu Wimpfen zusammen, 2 um sich förmlich zu ver-
abreden, wie dem Eindringen des spanischen Prinzen wider-
standen und auch dem Bischof von Arras die Verwaltung
der Reichsangelegenheiten, die er noch immer besorgte, ent-
rissen werden könne. Es waren, wie wir sehen, abermals
Fürsten beider Bekenntnisse. Auch davon handelten sie, auf
welche Weise man dem Zwiespalt über die Religion abhel-
fen könne, ob nicht doch wirklich durch ein Nationalconci-
lium, auch wider den Willen des Papstes. Sie bestärkten
sich aufs neue in den Gesichtspuncten die bei den Passauer
Verhandlungen vorgewaltet.

Es leuchtet ein, wie viel ihnen dann daran liegen mußte
die Streitigkeiten zu verhüten, die bei der Rückkehr des Mark-
grafen, der nun seine von der höchsten Reichsgewalt bestä-

1 Pfister Herzog Christoph p. 213.
2 Stumpf Diplomatische Geschichte des Heidelberger Fürsten-
vereines. Zeitschrift für Baiern 1817 V, p. 139.

Zehntes Buch. Drittes Capitel.
heiten faſt am lauteſten verdammte, eröffnete er durch ſeinen
Marſchall Böcklin am 26ſten Januar 1553, er wiſſe Nie-
mand, der dem Reiche, damit es nicht ganz zerriſſen werde,
„fürſtändiger ſeyn möchte“, als ſeinen Sohn. 1

Allein der Kaiſer irrte, wenn er nach alle dem was
man erlebt hatte und befürchten müſſen, das Vertrauen der
Fürſten wieder erwerben und ihnen ein Vorhaben, das ihre
Beſorgniſſe eben am meiſten erweckt hatte, annehmlich ma-
chen zu können glaubte. Seine Eröffnungen bewirkten das
Gegentheil von dem was er wünſchte. Schon am 5ten Fe-
bruar 1553 kamen Friedrich von der Pfalz, Albrecht von
Baiern, Wilhelm von Jülich, von denen ich nicht weiß, ob
ihnen ähnliche Mittheilungen gemacht worden, mit Herzog
Chriſtoph zu Wimpfen zuſammen, 2 um ſich förmlich zu ver-
abreden, wie dem Eindringen des ſpaniſchen Prinzen wider-
ſtanden und auch dem Biſchof von Arras die Verwaltung
der Reichsangelegenheiten, die er noch immer beſorgte, ent-
riſſen werden könne. Es waren, wie wir ſehen, abermals
Fürſten beider Bekenntniſſe. Auch davon handelten ſie, auf
welche Weiſe man dem Zwieſpalt über die Religion abhel-
fen könne, ob nicht doch wirklich durch ein Nationalconci-
lium, auch wider den Willen des Papſtes. Sie beſtärkten
ſich aufs neue in den Geſichtspuncten die bei den Paſſauer
Verhandlungen vorgewaltet.

Es leuchtet ein, wie viel ihnen dann daran liegen mußte
die Streitigkeiten zu verhüten, die bei der Rückkehr des Mark-
grafen, der nun ſeine von der höchſten Reichsgewalt beſtä-

1 Pfiſter Herzog Chriſtoph p. 213.
2 Stumpf Diplomatiſche Geſchichte des Heidelberger Fuͤrſten-
vereines. Zeitſchrift fuͤr Baiern 1817 V, p. 139.
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[308/0320] Zehntes Buch. Drittes Capitel. heiten faſt am lauteſten verdammte, eröffnete er durch ſeinen Marſchall Böcklin am 26ſten Januar 1553, er wiſſe Nie- mand, der dem Reiche, damit es nicht ganz zerriſſen werde, „fürſtändiger ſeyn möchte“, als ſeinen Sohn. 1 Allein der Kaiſer irrte, wenn er nach alle dem was man erlebt hatte und befürchten müſſen, das Vertrauen der Fürſten wieder erwerben und ihnen ein Vorhaben, das ihre Beſorgniſſe eben am meiſten erweckt hatte, annehmlich ma- chen zu können glaubte. Seine Eröffnungen bewirkten das Gegentheil von dem was er wünſchte. Schon am 5ten Fe- bruar 1553 kamen Friedrich von der Pfalz, Albrecht von Baiern, Wilhelm von Jülich, von denen ich nicht weiß, ob ihnen ähnliche Mittheilungen gemacht worden, mit Herzog Chriſtoph zu Wimpfen zuſammen, 2 um ſich förmlich zu ver- abreden, wie dem Eindringen des ſpaniſchen Prinzen wider- ſtanden und auch dem Biſchof von Arras die Verwaltung der Reichsangelegenheiten, die er noch immer beſorgte, ent- riſſen werden könne. Es waren, wie wir ſehen, abermals Fürſten beider Bekenntniſſe. Auch davon handelten ſie, auf welche Weiſe man dem Zwieſpalt über die Religion abhel- fen könne, ob nicht doch wirklich durch ein Nationalconci- lium, auch wider den Willen des Papſtes. Sie beſtärkten ſich aufs neue in den Geſichtspuncten die bei den Paſſauer Verhandlungen vorgewaltet. Es leuchtet ein, wie viel ihnen dann daran liegen mußte die Streitigkeiten zu verhüten, die bei der Rückkehr des Mark- grafen, der nun ſeine von der höchſten Reichsgewalt beſtä- 1 Pfiſter Herzog Chriſtoph p. 213. 2 Stumpf Diplomatiſche Geſchichte des Heidelberger Fuͤrſten- vereines. Zeitſchrift fuͤr Baiern 1817 V, p. 139.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/320>, abgerufen am 25.11.2024.