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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Rückkehr des Landgrafen.

Um dieselbe Zeit kehrte auch der Landgraf Philipp in
sein Land zurück. Erst in dem Augenblick der definitiven
Annahme des Vertrags gab der Kaiser Befehl zur Befreiung
des Gefangenen; bis dahin hatte derselbe von dem eigen-
nützigen und übermüthigen Wächter der ihm beigegeben war,
noch manche Mißhandlung auszustehn. In Tervueren nahm
er dann von der Königin Maria Abschied, die sich aus sei-
nen Reden überzeugte, daß er nun dem Kaiser treu bleiben
werde. Als er in Cassel anlangte, begab er sich zuerst in
die Martinskirche, die sich sofort mit dem herbeiströmenden
Volk erfüllte, und kniete vor dem Denkmal seiner indeß ver-
storbenen Gemahlin nieder; so verharrte er in Gebet und
Nachdenken und Erinnerung an alle persönlichen Verwicke-
lungen der Vergangenheit -- bis die ersten Töne der Or-
gel den ambrosianischen Lobgesang anhoben.

Wie die gefangenen Fürsten, so kehrten auch an vielen
Stellen die verjagten Prediger zurück. Hie und da, wie im
Würtenbergischen, ward das Interim durch fürstliches Edict
abgeschafft. Der Kaiser selbst ward bewogen, unter andern
in Augsburg, wo er sonst an den Einrichtungen die er getrof-
fen, nicht leicht etwas fallen ließ, neben dem interimistischen
Dienst doch auch Prediger zu dulden die sich zur augsbur-
gischen Confession hielten. Auch dem Markgrafen Johann
gab er vorläufig beruhigende Versicherungen. Der religiöse
Geist der Nation athmete wieder auf.

Wir sehen: so unerschütterlich der Kaiser auch an den
alten Hauptgrundsätzen festhielt, so konnte er doch in diesem
Augenblick in ihrer Handhabung nicht mehr fortfahren.

Und war es nicht weiter ein großer Gewinn, daß sich

Ruͤckkehr des Landgrafen.

Um dieſelbe Zeit kehrte auch der Landgraf Philipp in
ſein Land zurück. Erſt in dem Augenblick der definitiven
Annahme des Vertrags gab der Kaiſer Befehl zur Befreiung
des Gefangenen; bis dahin hatte derſelbe von dem eigen-
nützigen und übermüthigen Wächter der ihm beigegeben war,
noch manche Mißhandlung auszuſtehn. In Tervueren nahm
er dann von der Königin Maria Abſchied, die ſich aus ſei-
nen Reden überzeugte, daß er nun dem Kaiſer treu bleiben
werde. Als er in Caſſel anlangte, begab er ſich zuerſt in
die Martinskirche, die ſich ſofort mit dem herbeiſtrömenden
Volk erfüllte, und kniete vor dem Denkmal ſeiner indeß ver-
ſtorbenen Gemahlin nieder; ſo verharrte er in Gebet und
Nachdenken und Erinnerung an alle perſönlichen Verwicke-
lungen der Vergangenheit — bis die erſten Töne der Or-
gel den ambroſianiſchen Lobgeſang anhoben.

Wie die gefangenen Fürſten, ſo kehrten auch an vielen
Stellen die verjagten Prediger zurück. Hie und da, wie im
Würtenbergiſchen, ward das Interim durch fürſtliches Edict
abgeſchafft. Der Kaiſer ſelbſt ward bewogen, unter andern
in Augsburg, wo er ſonſt an den Einrichtungen die er getrof-
fen, nicht leicht etwas fallen ließ, neben dem interimiſtiſchen
Dienſt doch auch Prediger zu dulden die ſich zur augsbur-
giſchen Confeſſion hielten. Auch dem Markgrafen Johann
gab er vorläufig beruhigende Verſicherungen. Der religiöſe
Geiſt der Nation athmete wieder auf.

Wir ſehen: ſo unerſchütterlich der Kaiſer auch an den
alten Hauptgrundſätzen feſthielt, ſo konnte er doch in dieſem
Augenblick in ihrer Handhabung nicht mehr fortfahren.

Und war es nicht weiter ein großer Gewinn, daß ſich

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[283/0295] Ruͤckkehr des Landgrafen. Um dieſelbe Zeit kehrte auch der Landgraf Philipp in ſein Land zurück. Erſt in dem Augenblick der definitiven Annahme des Vertrags gab der Kaiſer Befehl zur Befreiung des Gefangenen; bis dahin hatte derſelbe von dem eigen- nützigen und übermüthigen Wächter der ihm beigegeben war, noch manche Mißhandlung auszuſtehn. In Tervueren nahm er dann von der Königin Maria Abſchied, die ſich aus ſei- nen Reden überzeugte, daß er nun dem Kaiſer treu bleiben werde. Als er in Caſſel anlangte, begab er ſich zuerſt in die Martinskirche, die ſich ſofort mit dem herbeiſtrömenden Volk erfüllte, und kniete vor dem Denkmal ſeiner indeß ver- ſtorbenen Gemahlin nieder; ſo verharrte er in Gebet und Nachdenken und Erinnerung an alle perſönlichen Verwicke- lungen der Vergangenheit — bis die erſten Töne der Or- gel den ambroſianiſchen Lobgeſang anhoben. Wie die gefangenen Fürſten, ſo kehrten auch an vielen Stellen die verjagten Prediger zurück. Hie und da, wie im Würtenbergiſchen, ward das Interim durch fürſtliches Edict abgeſchafft. Der Kaiſer ſelbſt ward bewogen, unter andern in Augsburg, wo er ſonſt an den Einrichtungen die er getrof- fen, nicht leicht etwas fallen ließ, neben dem interimiſtiſchen Dienſt doch auch Prediger zu dulden die ſich zur augsbur- giſchen Confeſſion hielten. Auch dem Markgrafen Johann gab er vorläufig beruhigende Verſicherungen. Der religiöſe Geiſt der Nation athmete wieder auf. Wir ſehen: ſo unerſchütterlich der Kaiſer auch an den alten Hauptgrundſätzen feſthielt, ſo konnte er doch in dieſem Augenblick in ihrer Handhabung nicht mehr fortfahren. Und war es nicht weiter ein großer Gewinn, daß ſich

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/295>, abgerufen am 23.11.2024.