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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Vertrag zu Passau.
stand: würden sie ihren Meister und Herrn sich gegenüber
sehen, so würde ihnen das Gewissen schlagen und sie wür-
den das Herz verlieren. Am 10ten August hat der Kaiser
durch Andelot seinem Bruder wirklich noch einmal eine Er-
öffnung in diesem Sinne machen lassen: er sehe jetzt die
Möglichkeit den gehorsamen Ständen zu Hülfe zu kommen;
allzu drückend seyen die Bedingungen die er eingegangen;
wer könne dafür stehn, daß Moritz nicht, wenn er nach Un-
garn gehn dürfe, dort einen Streich spiele wie vor Magde-
burg. Ist Ferdinand je über eine Mittheilung seines Bru-
ders erschrocken, so war es damals. Er beschwur ihn, ihm
diesen Schimpf nicht zuzuziehen: nur auf sein Zureden, denn
er habe immer am meisten auf die Herstellung des Friedens
im Reiche gedrungen, seyen die Bedingungen des Vertrags
zuletzt von den Fürsten genehmigt worden; von Moritz fürchte
er nichts, da die Truppen ihm, dem König, geschworen; und
entbehren könne er dessen und des Reiches Hülfe nun ein-
mal nicht: ein Bruch würde ihm und seinen Kindern, allen
seinen Ländern, in dieser Gefahr vor den Türken, zum voll-
kommenen Verderben gereichen. 1

Hierauf entschloß sich der Kaiser den Vertrag zu bestäti-
gen. "Ganz allein", schreibt er seinem Bruder, "die Rück-
sicht auf Eure besondre Lage, Eure Königreiche und Lande
haben mich dazu bewogen." Auch seiner Schwester meldet
er, die Betrachtung, welche Bedrängniß Ungarn und die ganze
Christenheit von den Türken erfahren werde, wenn Moritz
nicht einige Hülfe leiste, habe ihn vermocht den Vertrag zu
ratificiren.


1 Ferdinand an den Kaiser 20 Aug. 1552. (Anh.)

Vertrag zu Paſſau.
ſtand: würden ſie ihren Meiſter und Herrn ſich gegenüber
ſehen, ſo würde ihnen das Gewiſſen ſchlagen und ſie wür-
den das Herz verlieren. Am 10ten Auguſt hat der Kaiſer
durch Andelot ſeinem Bruder wirklich noch einmal eine Er-
öffnung in dieſem Sinne machen laſſen: er ſehe jetzt die
Möglichkeit den gehorſamen Ständen zu Hülfe zu kommen;
allzu drückend ſeyen die Bedingungen die er eingegangen;
wer könne dafür ſtehn, daß Moritz nicht, wenn er nach Un-
garn gehn dürfe, dort einen Streich ſpiele wie vor Magde-
burg. Iſt Ferdinand je über eine Mittheilung ſeines Bru-
ders erſchrocken, ſo war es damals. Er beſchwur ihn, ihm
dieſen Schimpf nicht zuzuziehen: nur auf ſein Zureden, denn
er habe immer am meiſten auf die Herſtellung des Friedens
im Reiche gedrungen, ſeyen die Bedingungen des Vertrags
zuletzt von den Fürſten genehmigt worden; von Moritz fürchte
er nichts, da die Truppen ihm, dem König, geſchworen; und
entbehren könne er deſſen und des Reiches Hülfe nun ein-
mal nicht: ein Bruch würde ihm und ſeinen Kindern, allen
ſeinen Ländern, in dieſer Gefahr vor den Türken, zum voll-
kommenen Verderben gereichen. 1

Hierauf entſchloß ſich der Kaiſer den Vertrag zu beſtäti-
gen. „Ganz allein“, ſchreibt er ſeinem Bruder, „die Rück-
ſicht auf Eure beſondre Lage, Eure Königreiche und Lande
haben mich dazu bewogen.“ Auch ſeiner Schweſter meldet
er, die Betrachtung, welche Bedrängniß Ungarn und die ganze
Chriſtenheit von den Türken erfahren werde, wenn Moritz
nicht einige Hülfe leiſte, habe ihn vermocht den Vertrag zu
ratificiren.


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[277/0289] Vertrag zu Paſſau. ſtand: würden ſie ihren Meiſter und Herrn ſich gegenüber ſehen, ſo würde ihnen das Gewiſſen ſchlagen und ſie wür- den das Herz verlieren. Am 10ten Auguſt hat der Kaiſer durch Andelot ſeinem Bruder wirklich noch einmal eine Er- öffnung in dieſem Sinne machen laſſen: er ſehe jetzt die Möglichkeit den gehorſamen Ständen zu Hülfe zu kommen; allzu drückend ſeyen die Bedingungen die er eingegangen; wer könne dafür ſtehn, daß Moritz nicht, wenn er nach Un- garn gehn dürfe, dort einen Streich ſpiele wie vor Magde- burg. Iſt Ferdinand je über eine Mittheilung ſeines Bru- ders erſchrocken, ſo war es damals. Er beſchwur ihn, ihm dieſen Schimpf nicht zuzuziehen: nur auf ſein Zureden, denn er habe immer am meiſten auf die Herſtellung des Friedens im Reiche gedrungen, ſeyen die Bedingungen des Vertrags zuletzt von den Fürſten genehmigt worden; von Moritz fürchte er nichts, da die Truppen ihm, dem König, geſchworen; und entbehren könne er deſſen und des Reiches Hülfe nun ein- mal nicht: ein Bruch würde ihm und ſeinen Kindern, allen ſeinen Ländern, in dieſer Gefahr vor den Türken, zum voll- kommenen Verderben gereichen. 1 Hierauf entſchloß ſich der Kaiſer den Vertrag zu beſtäti- gen. „Ganz allein“, ſchreibt er ſeinem Bruder, „die Rück- ſicht auf Eure beſondre Lage, Eure Königreiche und Lande haben mich dazu bewogen.“ Auch ſeiner Schweſter meldet er, die Betrachtung, welche Bedrängniß Ungarn und die ganze Chriſtenheit von den Türken erfahren werde, wenn Moritz nicht einige Hülfe leiſte, habe ihn vermocht den Vertrag zu ratificiren. 1 Ferdinand an den Kaiſer 20 Aug. 1552. (Anh.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/289>, abgerufen am 27.11.2024.