Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Erstes Capitel. ertheilt. In der Hauptsache aber richtete Ferdinand nichtsaus. Der Kaiser erklärte mündlich eben so standhaft wie er es schriftlich gethan, daß er nichts zulassen werde was seiner Pflicht, seinem Gewissen zuwiderlaufe, und sollte dar- über alles zu Grunde gehn. 1 Er wolle eher Deutschland dem römischen König überlassen, als etwas gestatten was der Religion nachtheilig sey, oder sich dem Urtheilsspruch Derer unterwerfen, die er zu regieren habe. Den Satz in welchem immerwährender Friede zugesagt wurde auch für den Fall daß man sich nicht verständige, strich er aus. Er gieng nicht weiter, als daß er, wie schon in der Linzer Er- klärung, einem künftigen Reichstag zu bestimmen vorbehielt, auf welche Weise dem Zwiespalt abzuhelfen sey: wohlver- standen jedoch -- -- "mit Ihrer Majestät ordentlichem Zu- thun": nur bis dahin versprach er Friede; er wiederholte nicht einmal, daß er die Vergleichung nur durch friedliche und gütliche Mittel herbeizuführen suchen werde. Auch die vorgebrachten Beschwerden sollten dort, unter seiner Theil- nahme, erörtert werden. Der römische König mochte sa- gen was er wollte, so mußte er sich mit diesem Bescheide nach Linz zurückbegeben. Hier hatte man das doch nicht erwartet. Man meinte 1 Lettre de l'empereur a la reine 16 Juill. "qu'il ne fe-
roit rien contre son devoir et sa conscience, quand meme tout devoit se perdre." Zehntes Buch. Erſtes Capitel. ertheilt. In der Hauptſache aber richtete Ferdinand nichtsaus. Der Kaiſer erklärte mündlich eben ſo ſtandhaft wie er es ſchriftlich gethan, daß er nichts zulaſſen werde was ſeiner Pflicht, ſeinem Gewiſſen zuwiderlaufe, und ſollte dar- über alles zu Grunde gehn. 1 Er wolle eher Deutſchland dem römiſchen König überlaſſen, als etwas geſtatten was der Religion nachtheilig ſey, oder ſich dem Urtheilsſpruch Derer unterwerfen, die er zu regieren habe. Den Satz in welchem immerwährender Friede zugeſagt wurde auch für den Fall daß man ſich nicht verſtändige, ſtrich er aus. Er gieng nicht weiter, als daß er, wie ſchon in der Linzer Er- klärung, einem künftigen Reichstag zu beſtimmen vorbehielt, auf welche Weiſe dem Zwieſpalt abzuhelfen ſey: wohlver- ſtanden jedoch — — „mit Ihrer Majeſtät ordentlichem Zu- thun“: nur bis dahin verſprach er Friede; er wiederholte nicht einmal, daß er die Vergleichung nur durch friedliche und gütliche Mittel herbeizuführen ſuchen werde. Auch die vorgebrachten Beſchwerden ſollten dort, unter ſeiner Theil- nahme, erörtert werden. Der römiſche König mochte ſa- gen was er wollte, ſo mußte er ſich mit dieſem Beſcheide nach Linz zurückbegeben. Hier hatte man das doch nicht erwartet. Man meinte 1 Lettre de l’empereur à la reine 16 Juill. „qu’il ne fe-
roit rien contre son devoir et sa conscience, quand meme tout devoit se perdre.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0284" n="272"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> ertheilt. In der Hauptſache aber richtete Ferdinand nichts<lb/> aus. Der Kaiſer erklärte mündlich eben ſo ſtandhaft wie<lb/> er es ſchriftlich gethan, daß er nichts zulaſſen werde was<lb/> ſeiner Pflicht, ſeinem Gewiſſen zuwiderlaufe, und ſollte dar-<lb/> über alles zu Grunde gehn. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Lettre de l’empereur à la reine 16 Juill. „qu’il ne fe-<lb/> roit rien contre son devoir et sa conscience, quand meme tout<lb/> devoit se perdre.“</hi></note> Er wolle eher Deutſchland<lb/> dem römiſchen König überlaſſen, als etwas geſtatten was<lb/> der Religion nachtheilig ſey, oder ſich dem Urtheilsſpruch<lb/> Derer unterwerfen, die er zu regieren habe. Den Satz in<lb/> welchem immerwährender Friede zugeſagt wurde auch für<lb/> den Fall daß man ſich nicht verſtändige, ſtrich er aus. Er<lb/> gieng nicht weiter, als daß er, wie ſchon in der Linzer Er-<lb/> klärung, einem künftigen Reichstag zu beſtimmen vorbehielt,<lb/> auf welche Weiſe dem Zwieſpalt abzuhelfen ſey: wohlver-<lb/> ſtanden jedoch — — „mit Ihrer Majeſtät ordentlichem Zu-<lb/> thun“: nur bis dahin verſprach er Friede; er wiederholte<lb/> nicht einmal, daß er die Vergleichung nur durch friedliche<lb/> und gütliche Mittel herbeizuführen ſuchen werde. Auch die<lb/> vorgebrachten Beſchwerden ſollten dort, unter ſeiner Theil-<lb/> nahme, erörtert werden. Der römiſche König mochte ſa-<lb/> gen was er wollte, ſo mußte er ſich mit dieſem Beſcheide<lb/> nach Linz zurückbegeben.</p><lb/> <p>Hier hatte man das doch nicht erwartet. Man meinte<lb/> faſt, es liege wohl an Ferdinand ſelbſt, und richtete die<lb/> dringende Frage an ihn, ob er nicht etwa noch eine Neben-<lb/> inſtruction habe. Der König antwortete, er handle rund<lb/> und ehrbar: hätte er weiteren Auftrag, ſo würde er denſel-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0284]
Zehntes Buch. Erſtes Capitel.
ertheilt. In der Hauptſache aber richtete Ferdinand nichts
aus. Der Kaiſer erklärte mündlich eben ſo ſtandhaft wie
er es ſchriftlich gethan, daß er nichts zulaſſen werde was
ſeiner Pflicht, ſeinem Gewiſſen zuwiderlaufe, und ſollte dar-
über alles zu Grunde gehn. 1 Er wolle eher Deutſchland
dem römiſchen König überlaſſen, als etwas geſtatten was
der Religion nachtheilig ſey, oder ſich dem Urtheilsſpruch
Derer unterwerfen, die er zu regieren habe. Den Satz in
welchem immerwährender Friede zugeſagt wurde auch für
den Fall daß man ſich nicht verſtändige, ſtrich er aus. Er
gieng nicht weiter, als daß er, wie ſchon in der Linzer Er-
klärung, einem künftigen Reichstag zu beſtimmen vorbehielt,
auf welche Weiſe dem Zwieſpalt abzuhelfen ſey: wohlver-
ſtanden jedoch — — „mit Ihrer Majeſtät ordentlichem Zu-
thun“: nur bis dahin verſprach er Friede; er wiederholte
nicht einmal, daß er die Vergleichung nur durch friedliche
und gütliche Mittel herbeizuführen ſuchen werde. Auch die
vorgebrachten Beſchwerden ſollten dort, unter ſeiner Theil-
nahme, erörtert werden. Der römiſche König mochte ſa-
gen was er wollte, ſo mußte er ſich mit dieſem Beſcheide
nach Linz zurückbegeben.
Hier hatte man das doch nicht erwartet. Man meinte
faſt, es liege wohl an Ferdinand ſelbſt, und richtete die
dringende Frage an ihn, ob er nicht etwa noch eine Neben-
inſtruction habe. Der König antwortete, er handle rund
und ehrbar: hätte er weiteren Auftrag, ſo würde er denſel-
1 Lettre de l’empereur à la reine 16 Juill. „qu’il ne fe-
roit rien contre son devoir et sa conscience, quand meme tout
devoit se perdre.“
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