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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
späte Generationen gehemmt hätte: oder sich dem Neben-
buhler des Kaisers anzuschließen, der doch selber noch mehr
ein Ausländer war, und Absichten auf einen Einfluß kund
gab, bei dem die politische Selbständigkeit der Nation im
höchsten Grade hätte gefährdet werden müssen.

Es traten beinahe Erwägungen ein, wie damals als
es zweifelhaft war, ob Carl V oder Franz I zum Kaiser ge-
wählt werden solle.

Aber der Unterschied lag darin, daß man Carln V kennen
gelernt, in Erfahrung gebracht hatte, wozu die höchste Gewalt
in diesen Händen führen mußte, jetzt nichts mehr wünschte
als sich seiner Übermacht wieder zu entledigen, und daß man
dagegen dem König weder das Kaiserthum übergab, wenn man
es ihm gleich in der Ferne zeigte, noch jenen Einfluß zugestand.

Hatten aber die Fürsten nicht Pflichten gegen den Kai-
ser? war ihm nicht überdieß Moritz durch die Bande der
Dankbarkeit höher als vielleicht irgend ein andrer Fürst im
Reiche verbunden?

Wenn man ihn kannte, so durfte man wohl nicht er-
warten, daß er hierauf viel Rücksicht nehmen würde.

Gleich seinen alten Vater hat Moritz durch eine allzu
frühe, ohne dessen Einwilligung vollzogene Vermählung höchst
unglücklich gemacht, so daß man fürchtete, dieser möchte "aus
solch hohem gefaßten Harm an seinem Leben Schaden neh-
men." -- Und diese seine junge Gemahlin hat dann doch wohl
auch einmal die Klage geführt, er habe die Wild-Schweins-
jagd lieber als ihre Gesellschaft.

Wir kennen die Verdienste Johann Friedrichs um Hein-
rich den Frommen, und wie er dann bei dem Tode desselben

Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
ſpäte Generationen gehemmt hätte: oder ſich dem Neben-
buhler des Kaiſers anzuſchließen, der doch ſelber noch mehr
ein Ausländer war, und Abſichten auf einen Einfluß kund
gab, bei dem die politiſche Selbſtändigkeit der Nation im
höchſten Grade hätte gefährdet werden müſſen.

Es traten beinahe Erwägungen ein, wie damals als
es zweifelhaft war, ob Carl V oder Franz I zum Kaiſer ge-
wählt werden ſolle.

Aber der Unterſchied lag darin, daß man Carln V kennen
gelernt, in Erfahrung gebracht hatte, wozu die höchſte Gewalt
in dieſen Händen führen mußte, jetzt nichts mehr wünſchte
als ſich ſeiner Übermacht wieder zu entledigen, und daß man
dagegen dem König weder das Kaiſerthum übergab, wenn man
es ihm gleich in der Ferne zeigte, noch jenen Einfluß zugeſtand.

Hatten aber die Fürſten nicht Pflichten gegen den Kai-
ſer? war ihm nicht überdieß Moritz durch die Bande der
Dankbarkeit höher als vielleicht irgend ein andrer Fürſt im
Reiche verbunden?

Wenn man ihn kannte, ſo durfte man wohl nicht er-
warten, daß er hierauf viel Rückſicht nehmen würde.

Gleich ſeinen alten Vater hat Moritz durch eine allzu
frühe, ohne deſſen Einwilligung vollzogene Vermählung höchſt
unglücklich gemacht, ſo daß man fürchtete, dieſer möchte „aus
ſolch hohem gefaßten Harm an ſeinem Leben Schaden neh-
men.“ — Und dieſe ſeine junge Gemahlin hat dann doch wohl
auch einmal die Klage geführt, er habe die Wild-Schweins-
jagd lieber als ihre Geſellſchaft.

Wir kennen die Verdienſte Johann Friedrichs um Hein-
rich den Frommen, und wie er dann bei dem Tode deſſelben

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[220/0232] Neuntes Buch. Sechstes Capitel. ſpäte Generationen gehemmt hätte: oder ſich dem Neben- buhler des Kaiſers anzuſchließen, der doch ſelber noch mehr ein Ausländer war, und Abſichten auf einen Einfluß kund gab, bei dem die politiſche Selbſtändigkeit der Nation im höchſten Grade hätte gefährdet werden müſſen. Es traten beinahe Erwägungen ein, wie damals als es zweifelhaft war, ob Carl V oder Franz I zum Kaiſer ge- wählt werden ſolle. Aber der Unterſchied lag darin, daß man Carln V kennen gelernt, in Erfahrung gebracht hatte, wozu die höchſte Gewalt in dieſen Händen führen mußte, jetzt nichts mehr wünſchte als ſich ſeiner Übermacht wieder zu entledigen, und daß man dagegen dem König weder das Kaiſerthum übergab, wenn man es ihm gleich in der Ferne zeigte, noch jenen Einfluß zugeſtand. Hatten aber die Fürſten nicht Pflichten gegen den Kai- ſer? war ihm nicht überdieß Moritz durch die Bande der Dankbarkeit höher als vielleicht irgend ein andrer Fürſt im Reiche verbunden? Wenn man ihn kannte, ſo durfte man wohl nicht er- warten, daß er hierauf viel Rückſicht nehmen würde. Gleich ſeinen alten Vater hat Moritz durch eine allzu frühe, ohne deſſen Einwilligung vollzogene Vermählung höchſt unglücklich gemacht, ſo daß man fürchtete, dieſer möchte „aus ſolch hohem gefaßten Harm an ſeinem Leben Schaden neh- men.“ — Und dieſe ſeine junge Gemahlin hat dann doch wohl auch einmal die Klage geführt, er habe die Wild-Schweins- jagd lieber als ihre Geſellſchaft. Wir kennen die Verdienſte Johann Friedrichs um Hein- rich den Frommen, und wie er dann bei dem Tode deſſelben

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/232>, abgerufen am 22.11.2024.