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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Allgemeine Aufregung.
alles an, um den Widerstand zu brechen den der junge Ma-
ximilian noch leistete, und die Churfürsten endlich zu gewin-
nen. Mit Schrecken sahen die Vaterlandsfreunde einen Trans-
port indischen Geldes aus Spanien ankommen. Sie mein-
ten nicht anders, als das Geld solle dienen die Churfürsten
zu bestechen. Sie fragten, ob es Jemand wohl wagen
werde das Vaterland zu verrathen.

Und dazu kam nun die Erwartung der Beschlüsse des
Conciliums. Mochten auch die schon abgefaßten Decrete
reassumirt, und wie der Kaiser wünschte, in einem den Prote-
stanten annehmbaren Sinne umgestaltet werden, so wäre man
doch niemals über die Festsetzungen des Augsburger Interims
hinausgegangen; diese wären vielmehr wahrscheinlich der ka-
tholischen Rechtgläubigkeit noch weiter angenähert und auf
das strengste festgehalten worden. Dem starren Begriffe kirch-
licher Einheit würde sich alles haben unterwerfen müssen. 1

Tridentiner Beschlüsse, wenn auch nicht ganz wie sie
später erfolgt sind, aber diesen doch ohne Zweifel überaus
nahe verwandt, nachdem die Protestanten bei ihrer Abfassung
zugegen gewesen, für sie verpflichtend, -- und zu deren Hand-
habung ein Kaiser von der Macht und Gesinnung wie sie
Philipp II entwickelt hat: -- welch eine Aussicht! Carln V
willkommen, dessen Politik in den letzten Jahren dahin ge-
zielt hatte; aber eben so drückend und drohend für Deutsch-
land, das unter diesen Umständen niemals das spätere
Deutschland geworden, der freien geistigen Regung die sein
Leben ausmacht verlustig gegangen wäre.


1 Schon früher sagte Pighino, nach dem Auszug bei Palla-
vicini XI, ii, 16, es bleibe kein Mittel übrig als das Schwert. "ve-
devasi che ogni opera era indarno eccetto quella di ferro."

Allgemeine Aufregung.
alles an, um den Widerſtand zu brechen den der junge Ma-
ximilian noch leiſtete, und die Churfürſten endlich zu gewin-
nen. Mit Schrecken ſahen die Vaterlandsfreunde einen Trans-
port indiſchen Geldes aus Spanien ankommen. Sie mein-
ten nicht anders, als das Geld ſolle dienen die Churfürſten
zu beſtechen. Sie fragten, ob es Jemand wohl wagen
werde das Vaterland zu verrathen.

Und dazu kam nun die Erwartung der Beſchlüſſe des
Conciliums. Mochten auch die ſchon abgefaßten Decrete
reaſſumirt, und wie der Kaiſer wünſchte, in einem den Prote-
ſtanten annehmbaren Sinne umgeſtaltet werden, ſo wäre man
doch niemals über die Feſtſetzungen des Augsburger Interims
hinausgegangen; dieſe wären vielmehr wahrſcheinlich der ka-
tholiſchen Rechtgläubigkeit noch weiter angenähert und auf
das ſtrengſte feſtgehalten worden. Dem ſtarren Begriffe kirch-
licher Einheit würde ſich alles haben unterwerfen müſſen. 1

Tridentiner Beſchlüſſe, wenn auch nicht ganz wie ſie
ſpäter erfolgt ſind, aber dieſen doch ohne Zweifel überaus
nahe verwandt, nachdem die Proteſtanten bei ihrer Abfaſſung
zugegen geweſen, für ſie verpflichtend, — und zu deren Hand-
habung ein Kaiſer von der Macht und Geſinnung wie ſie
Philipp II entwickelt hat: — welch eine Ausſicht! Carln V
willkommen, deſſen Politik in den letzten Jahren dahin ge-
zielt hatte; aber eben ſo drückend und drohend für Deutſch-
land, das unter dieſen Umſtänden niemals das ſpätere
Deutſchland geworden, der freien geiſtigen Regung die ſein
Leben ausmacht verluſtig gegangen wäre.


1 Schon fruͤher ſagte Pighino, nach dem Auszug bei Palla-
vicini XI, ii, 16, es bleibe kein Mittel uͤbrig als das Schwert. „ve-
devasi che ogni opera era indarno eccetto quella di ferro.“
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[201/0213] Allgemeine Aufregung. alles an, um den Widerſtand zu brechen den der junge Ma- ximilian noch leiſtete, und die Churfürſten endlich zu gewin- nen. Mit Schrecken ſahen die Vaterlandsfreunde einen Trans- port indiſchen Geldes aus Spanien ankommen. Sie mein- ten nicht anders, als das Geld ſolle dienen die Churfürſten zu beſtechen. Sie fragten, ob es Jemand wohl wagen werde das Vaterland zu verrathen. Und dazu kam nun die Erwartung der Beſchlüſſe des Conciliums. Mochten auch die ſchon abgefaßten Decrete reaſſumirt, und wie der Kaiſer wünſchte, in einem den Prote- ſtanten annehmbaren Sinne umgeſtaltet werden, ſo wäre man doch niemals über die Feſtſetzungen des Augsburger Interims hinausgegangen; dieſe wären vielmehr wahrſcheinlich der ka- tholiſchen Rechtgläubigkeit noch weiter angenähert und auf das ſtrengſte feſtgehalten worden. Dem ſtarren Begriffe kirch- licher Einheit würde ſich alles haben unterwerfen müſſen. 1 Tridentiner Beſchlüſſe, wenn auch nicht ganz wie ſie ſpäter erfolgt ſind, aber dieſen doch ohne Zweifel überaus nahe verwandt, nachdem die Proteſtanten bei ihrer Abfaſſung zugegen geweſen, für ſie verpflichtend, — und zu deren Hand- habung ein Kaiſer von der Macht und Geſinnung wie ſie Philipp II entwickelt hat: — welch eine Ausſicht! Carln V willkommen, deſſen Politik in den letzten Jahren dahin ge- zielt hatte; aber eben ſo drückend und drohend für Deutſch- land, das unter dieſen Umſtänden niemals das ſpätere Deutſchland geworden, der freien geiſtigen Regung die ſein Leben ausmacht verluſtig gegangen wäre. 1 Schon fruͤher ſagte Pighino, nach dem Auszug bei Palla- vicini XI, ii, 16, es bleibe kein Mittel uͤbrig als das Schwert. „ve- devasi che ogni opera era indarno eccetto quella di ferro.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/213>, abgerufen am 22.11.2024.