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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Gefangenschaft des Landgrafen Philipp.
beschimpfende Worte hinzugefügt. Man sollte nicht so oft
tadelnd darauf zurückkommen, daß Philipp sein Unglück bei
weitem nicht mit der großartigen Gelassenheit getragen habe,
die wir an dem Churfürsten bewundern. Die Lage der bei-
den Fürsten ist schon an sich sehr verschieden. Der Chur-
fürst war in der Schlacht gefangen und bereits zum Tode
verurtheilt gewesen; der Landgraf, wenn wir ja nicht sa-
gen wollen, durch Betrug, doch durch Täuschung in die
Hände des Kaisers gerathen. Da hat er allerdings Au-
genblicke gehabt, wo der Wunsch wieder frei zu werden
und Einreden seiner Umgebung ihn zu einer undienlichen
Nachgiebigkeit vermocht hat, z. B. in Sachen des Interims:
er hat sogar der Messe einmal beigewohnt; aber diese
Anwandlungen giengen bald wieder vorüber: in seinem Ge-
fängniß hörte man ihn doch mit heller Stimme geistliche
Lieder singen. Er ließ sich Schriften der Kirchenväter ge-
ben: besonders las er Augustinus gern; es machte ihm Ver-
gnügen, wenn ihn gelehrte Katholiken besuchten und mit
ihm die Controversen beider Theile, etwa über die Lehre
von der Rechtfertigung oder das Papstthum oder die Anru-
fung der Heiligen, durchsprachen. Aus der Ferne ermahnt
er dann seinen ältesten Sohn, bei dem Evangelium zu ver-
harren, es koste gleich Leib oder Gut, die flüchtigen Prä-
dicanten zu unterstützen. Auch andre gute Ermahnungen
fügt er hinzu: z. B. er möge sich vor einem unreinen Leben
hüten, Jedermann Gleich und Recht angedeihen lassen. 1 In
seinem Gefängniß gedenkt er des Zustandes der armen Ge-
fangenen in seinem Lande und bringt die Verbesserung des-

1 Auszüge aus seinen Briefen bei Rommel II, 530--550.
13*

Gefangenſchaft des Landgrafen Philipp.
beſchimpfende Worte hinzugefügt. Man ſollte nicht ſo oft
tadelnd darauf zurückkommen, daß Philipp ſein Unglück bei
weitem nicht mit der großartigen Gelaſſenheit getragen habe,
die wir an dem Churfürſten bewundern. Die Lage der bei-
den Fürſten iſt ſchon an ſich ſehr verſchieden. Der Chur-
fürſt war in der Schlacht gefangen und bereits zum Tode
verurtheilt geweſen; der Landgraf, wenn wir ja nicht ſa-
gen wollen, durch Betrug, doch durch Täuſchung in die
Hände des Kaiſers gerathen. Da hat er allerdings Au-
genblicke gehabt, wo der Wunſch wieder frei zu werden
und Einreden ſeiner Umgebung ihn zu einer undienlichen
Nachgiebigkeit vermocht hat, z. B. in Sachen des Interims:
er hat ſogar der Meſſe einmal beigewohnt; aber dieſe
Anwandlungen giengen bald wieder vorüber: in ſeinem Ge-
fängniß hörte man ihn doch mit heller Stimme geiſtliche
Lieder ſingen. Er ließ ſich Schriften der Kirchenväter ge-
ben: beſonders las er Auguſtinus gern; es machte ihm Ver-
gnügen, wenn ihn gelehrte Katholiken beſuchten und mit
ihm die Controverſen beider Theile, etwa über die Lehre
von der Rechtfertigung oder das Papſtthum oder die Anru-
fung der Heiligen, durchſprachen. Aus der Ferne ermahnt
er dann ſeinen älteſten Sohn, bei dem Evangelium zu ver-
harren, es koſte gleich Leib oder Gut, die flüchtigen Prä-
dicanten zu unterſtützen. Auch andre gute Ermahnungen
fügt er hinzu: z. B. er möge ſich vor einem unreinen Leben
hüten, Jedermann Gleich und Recht angedeihen laſſen. 1 In
ſeinem Gefängniß gedenkt er des Zuſtandes der armen Ge-
fangenen in ſeinem Lande und bringt die Verbeſſerung deſ-

1 Auszuͤge aus ſeinen Briefen bei Rommel II, 530—550.
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[195/0207] Gefangenſchaft des Landgrafen Philipp. beſchimpfende Worte hinzugefügt. Man ſollte nicht ſo oft tadelnd darauf zurückkommen, daß Philipp ſein Unglück bei weitem nicht mit der großartigen Gelaſſenheit getragen habe, die wir an dem Churfürſten bewundern. Die Lage der bei- den Fürſten iſt ſchon an ſich ſehr verſchieden. Der Chur- fürſt war in der Schlacht gefangen und bereits zum Tode verurtheilt geweſen; der Landgraf, wenn wir ja nicht ſa- gen wollen, durch Betrug, doch durch Täuſchung in die Hände des Kaiſers gerathen. Da hat er allerdings Au- genblicke gehabt, wo der Wunſch wieder frei zu werden und Einreden ſeiner Umgebung ihn zu einer undienlichen Nachgiebigkeit vermocht hat, z. B. in Sachen des Interims: er hat ſogar der Meſſe einmal beigewohnt; aber dieſe Anwandlungen giengen bald wieder vorüber: in ſeinem Ge- fängniß hörte man ihn doch mit heller Stimme geiſtliche Lieder ſingen. Er ließ ſich Schriften der Kirchenväter ge- ben: beſonders las er Auguſtinus gern; es machte ihm Ver- gnügen, wenn ihn gelehrte Katholiken beſuchten und mit ihm die Controverſen beider Theile, etwa über die Lehre von der Rechtfertigung oder das Papſtthum oder die Anru- fung der Heiligen, durchſprachen. Aus der Ferne ermahnt er dann ſeinen älteſten Sohn, bei dem Evangelium zu ver- harren, es koſte gleich Leib oder Gut, die flüchtigen Prä- dicanten zu unterſtützen. Auch andre gute Ermahnungen fügt er hinzu: z. B. er möge ſich vor einem unreinen Leben hüten, Jedermann Gleich und Recht angedeihen laſſen. 1 In ſeinem Gefängniß gedenkt er des Zuſtandes der armen Ge- fangenen in ſeinem Lande und bringt die Verbeſſerung deſ- 1 Auszuͤge aus ſeinen Briefen bei Rommel II, 530—550. 13*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/207>, abgerufen am 25.11.2024.