Asham versichert, in Augsburg rede man von nichts weiter als von der magdeburgischen Sache: jede andre trete dage- gen zurück. Ihm als einem Classisch-gebildeten stellen sich Papst und Kaiser als die mythologischen Ungeheuer dar, als Cerberus und der spanische Geryon, die nur diese Eine Stadt zu unterwerfen wünschen. Werden die Pforten der Stadt erbrochen, so wird jener wieder in Deutschland herrschen, dieser in ganz Europa.
Der Kaiser seinerseits ließ nicht in Zweifel, welche Folgen die Ausbreitung seiner Herrschaft in Deutschland haben würde.
In Augsburg wurden die Protestanten von dem Kriegs- volk das ihn umgab, als Besiegte behandelt. Während der Predigt in der Kirche zum heiligen Kreuz ergötzten sich die Ita- liener die dort in das Kloster einfuriert worden, mit Ballspiel: der Ball fiel unter das zuhörende Volk auf dem Kirchhof. In St. Ulrich zerbrachen die Spanier Kanzel und Stühle; dem Stadtvogt mit seinen Leuten, die ihnen Einhalt thun wollten, setzten sie sich mit bloßer Wehre entgegen; man bemerkte daß nicht alles gemeine Söldner waren: einen Trabanten des Prinzen Don Philipp unterschied man unter ihnen. Dage- gen sah man wieder die Processionen mit ihren Glöcklein und Lichtern durch die Straßen ziehen; wehe dem der sie beleidigte. Eine Handwerkerfrau, die sich spöttisch verlau- ten ließ, ob dieser Gott nicht ohne Lichter sehe, wurde erst in die Eisen geschlagen, dann aus der Stadt verwiesen: hätte sich Königin Maria nicht ihrer angenommen, so wäre ihr noch Ärgeres geschehen. Auf das strengste ward dar- über gehalten, daß Freitag und Sonnabend nur Fasten- speisen auf die Tische kamen. Die Schulmeister wurden an-
Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Aſham verſichert, in Augsburg rede man von nichts weiter als von der magdeburgiſchen Sache: jede andre trete dage- gen zurück. Ihm als einem Claſſiſch-gebildeten ſtellen ſich Papſt und Kaiſer als die mythologiſchen Ungeheuer dar, als Cerberus und der ſpaniſche Geryon, die nur dieſe Eine Stadt zu unterwerfen wünſchen. Werden die Pforten der Stadt erbrochen, ſo wird jener wieder in Deutſchland herrſchen, dieſer in ganz Europa.
Der Kaiſer ſeinerſeits ließ nicht in Zweifel, welche Folgen die Ausbreitung ſeiner Herrſchaft in Deutſchland haben würde.
In Augsburg wurden die Proteſtanten von dem Kriegs- volk das ihn umgab, als Beſiegte behandelt. Während der Predigt in der Kirche zum heiligen Kreuz ergötzten ſich die Ita- liener die dort in das Kloſter einfuriert worden, mit Ballſpiel: der Ball fiel unter das zuhörende Volk auf dem Kirchhof. In St. Ulrich zerbrachen die Spanier Kanzel und Stühle; dem Stadtvogt mit ſeinen Leuten, die ihnen Einhalt thun wollten, ſetzten ſie ſich mit bloßer Wehre entgegen; man bemerkte daß nicht alles gemeine Söldner waren: einen Trabanten des Prinzen Don Philipp unterſchied man unter ihnen. Dage- gen ſah man wieder die Proceſſionen mit ihren Glöcklein und Lichtern durch die Straßen ziehen; wehe dem der ſie beleidigte. Eine Handwerkerfrau, die ſich ſpöttiſch verlau- ten ließ, ob dieſer Gott nicht ohne Lichter ſehe, wurde erſt in die Eiſen geſchlagen, dann aus der Stadt verwieſen: hätte ſich Königin Maria nicht ihrer angenommen, ſo wäre ihr noch Ärgeres geſchehen. Auf das ſtrengſte ward dar- über gehalten, daß Freitag und Sonnabend nur Faſten- ſpeiſen auf die Tiſche kamen. Die Schulmeiſter wurden an-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0200"n="188"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Aſham verſichert, in Augsburg rede man von nichts weiter<lb/>
als von der magdeburgiſchen Sache: jede andre trete dage-<lb/>
gen zurück. Ihm als einem Claſſiſch-gebildeten ſtellen ſich<lb/>
Papſt und Kaiſer als die mythologiſchen Ungeheuer dar, als<lb/>
Cerberus und der ſpaniſche Geryon, die nur dieſe Eine Stadt<lb/>
zu unterwerfen wünſchen. Werden die Pforten der Stadt<lb/>
erbrochen, ſo wird jener wieder in Deutſchland herrſchen,<lb/>
dieſer in ganz Europa.</p><lb/><p>Der Kaiſer ſeinerſeits ließ nicht in Zweifel, welche Folgen<lb/>
die Ausbreitung ſeiner Herrſchaft in Deutſchland haben würde.</p><lb/><p>In Augsburg wurden die Proteſtanten von dem Kriegs-<lb/>
volk das ihn umgab, als Beſiegte behandelt. Während der<lb/>
Predigt in der Kirche zum heiligen Kreuz ergötzten ſich die Ita-<lb/>
liener die dort in das Kloſter einfuriert worden, mit Ballſpiel:<lb/>
der Ball fiel unter das zuhörende Volk auf dem Kirchhof. In<lb/>
St. Ulrich zerbrachen die Spanier Kanzel und Stühle; dem<lb/>
Stadtvogt mit ſeinen Leuten, die ihnen Einhalt thun wollten,<lb/>ſetzten ſie ſich mit bloßer Wehre entgegen; man bemerkte<lb/>
daß nicht alles gemeine Söldner waren: einen Trabanten des<lb/>
Prinzen Don Philipp unterſchied man unter ihnen. Dage-<lb/>
gen ſah man wieder die Proceſſionen mit ihren Glöcklein<lb/>
und Lichtern durch die Straßen ziehen; wehe dem der ſie<lb/>
beleidigte. Eine Handwerkerfrau, die ſich ſpöttiſch verlau-<lb/>
ten ließ, ob dieſer Gott nicht ohne Lichter ſehe, wurde erſt<lb/>
in die Eiſen geſchlagen, dann aus der Stadt verwieſen:<lb/>
hätte ſich Königin Maria nicht ihrer angenommen, ſo wäre<lb/>
ihr noch Ärgeres geſchehen. Auf das ſtrengſte ward dar-<lb/>
über gehalten, daß Freitag und Sonnabend nur Faſten-<lb/>ſpeiſen auf die Tiſche kamen. Die Schulmeiſter wurden an-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[188/0200]
Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Aſham verſichert, in Augsburg rede man von nichts weiter
als von der magdeburgiſchen Sache: jede andre trete dage-
gen zurück. Ihm als einem Claſſiſch-gebildeten ſtellen ſich
Papſt und Kaiſer als die mythologiſchen Ungeheuer dar, als
Cerberus und der ſpaniſche Geryon, die nur dieſe Eine Stadt
zu unterwerfen wünſchen. Werden die Pforten der Stadt
erbrochen, ſo wird jener wieder in Deutſchland herrſchen,
dieſer in ganz Europa.
Der Kaiſer ſeinerſeits ließ nicht in Zweifel, welche Folgen
die Ausbreitung ſeiner Herrſchaft in Deutſchland haben würde.
In Augsburg wurden die Proteſtanten von dem Kriegs-
volk das ihn umgab, als Beſiegte behandelt. Während der
Predigt in der Kirche zum heiligen Kreuz ergötzten ſich die Ita-
liener die dort in das Kloſter einfuriert worden, mit Ballſpiel:
der Ball fiel unter das zuhörende Volk auf dem Kirchhof. In
St. Ulrich zerbrachen die Spanier Kanzel und Stühle; dem
Stadtvogt mit ſeinen Leuten, die ihnen Einhalt thun wollten,
ſetzten ſie ſich mit bloßer Wehre entgegen; man bemerkte
daß nicht alles gemeine Söldner waren: einen Trabanten des
Prinzen Don Philipp unterſchied man unter ihnen. Dage-
gen ſah man wieder die Proceſſionen mit ihren Glöcklein
und Lichtern durch die Straßen ziehen; wehe dem der ſie
beleidigte. Eine Handwerkerfrau, die ſich ſpöttiſch verlau-
ten ließ, ob dieſer Gott nicht ohne Lichter ſehe, wurde erſt
in die Eiſen geſchlagen, dann aus der Stadt verwieſen:
hätte ſich Königin Maria nicht ihrer angenommen, ſo wäre
ihr noch Ärgeres geſchehen. Auf das ſtrengſte ward dar-
über gehalten, daß Freitag und Sonnabend nur Faſten-
ſpeiſen auf die Tiſche kamen. Die Schulmeiſter wurden an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/200>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.