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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Stellung und Politik Carls V.
Stabe hin und her schleicht; allein er lacht wohl selbst über
seinen Aufzug, weil er sich so schwach nicht fühle wie er
aussehen möge, und bald erfüllt sich das matte Auge doch
wieder mit Glanz und Leben. Nicht übel bezeichnet ihn seine
Liebhaberei für künstliche Uhrwerke, wo eine einmal angeregte
Kraft alles in regelmäßige Bewegung setzt. Unter den wis-
senschaftlichen Dingen gewannen ihm die astronomischen Stu-
dien, frei von allen astrologischen Träumen, die größte Theil-
nahme ab: dem Wandel der Planeten, dem Ringgang der
Gestirne galt seine Aufmerksamkeit und Bewunderung: gern
unterrichtete er sich an dem Himmelsglobus. Bis dann die
Zeit kam, wo der Gedanke, mit dem er die Welt zu lenken
hoffte, in ihm wieder zu voller Kraft gelangte. Ich weiß
nicht, ob er denselben in Worten hätte ausdrücken können,
ob er nicht davon mehr erfüllt war wie von einem Gefühl,
in welchem sich alle seine kirchlichen, politischen und dyna-
stischen Bestrebungen zusammenfaßten; es war ein Gedanke,
der mit der Macht des Unbewußten in der Tiefe seiner Seele
ruhte und doch in jedem Falle mit voller Klarheit und An-
wendbarkeit ergriffen, unaufhörlich, mit allen Mitteln des
Krieges und der Politik verfolgt ward.

Wir haben den Kaiser oft auf seinen Kriegszügen be-
gleitet; auch in den Zeiten seiner Krankheit probirt er sich
dann und wann den Harnisch an -- denn wiewohl natür-
licher Weise eher zaghaft, so daß er wohl in seinem Zim-
mer vor dem leisesten Geräusch erschrecken konnte, -- liebte
er doch das Handwerk der Waffen: er hegte ein ritter-
liches Gefühl für diesen Beruf und wußte sich Ansehen
bei den Kriegsleuten zu erwerben. Dazu jedoch waren die

Stellung und Politik Carls V.
Stabe hin und her ſchleicht; allein er lacht wohl ſelbſt über
ſeinen Aufzug, weil er ſich ſo ſchwach nicht fühle wie er
ausſehen möge, und bald erfüllt ſich das matte Auge doch
wieder mit Glanz und Leben. Nicht übel bezeichnet ihn ſeine
Liebhaberei für künſtliche Uhrwerke, wo eine einmal angeregte
Kraft alles in regelmäßige Bewegung ſetzt. Unter den wiſ-
ſenſchaftlichen Dingen gewannen ihm die aſtronomiſchen Stu-
dien, frei von allen aſtrologiſchen Träumen, die größte Theil-
nahme ab: dem Wandel der Planeten, dem Ringgang der
Geſtirne galt ſeine Aufmerkſamkeit und Bewunderung: gern
unterrichtete er ſich an dem Himmelsglobus. Bis dann die
Zeit kam, wo der Gedanke, mit dem er die Welt zu lenken
hoffte, in ihm wieder zu voller Kraft gelangte. Ich weiß
nicht, ob er denſelben in Worten hätte ausdrücken können,
ob er nicht davon mehr erfüllt war wie von einem Gefühl,
in welchem ſich alle ſeine kirchlichen, politiſchen und dyna-
ſtiſchen Beſtrebungen zuſammenfaßten; es war ein Gedanke,
der mit der Macht des Unbewußten in der Tiefe ſeiner Seele
ruhte und doch in jedem Falle mit voller Klarheit und An-
wendbarkeit ergriffen, unaufhörlich, mit allen Mitteln des
Krieges und der Politik verfolgt ward.

Wir haben den Kaiſer oft auf ſeinen Kriegszügen be-
gleitet; auch in den Zeiten ſeiner Krankheit probirt er ſich
dann und wann den Harniſch an — denn wiewohl natür-
licher Weiſe eher zaghaft, ſo daß er wohl in ſeinem Zim-
mer vor dem leiſeſten Geräuſch erſchrecken konnte, — liebte
er doch das Handwerk der Waffen: er hegte ein ritter-
liches Gefühl für dieſen Beruf und wußte ſich Anſehen
bei den Kriegsleuten zu erwerben. Dazu jedoch waren die

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[107/0119] Stellung und Politik Carls V. Stabe hin und her ſchleicht; allein er lacht wohl ſelbſt über ſeinen Aufzug, weil er ſich ſo ſchwach nicht fühle wie er ausſehen möge, und bald erfüllt ſich das matte Auge doch wieder mit Glanz und Leben. Nicht übel bezeichnet ihn ſeine Liebhaberei für künſtliche Uhrwerke, wo eine einmal angeregte Kraft alles in regelmäßige Bewegung ſetzt. Unter den wiſ- ſenſchaftlichen Dingen gewannen ihm die aſtronomiſchen Stu- dien, frei von allen aſtrologiſchen Träumen, die größte Theil- nahme ab: dem Wandel der Planeten, dem Ringgang der Geſtirne galt ſeine Aufmerkſamkeit und Bewunderung: gern unterrichtete er ſich an dem Himmelsglobus. Bis dann die Zeit kam, wo der Gedanke, mit dem er die Welt zu lenken hoffte, in ihm wieder zu voller Kraft gelangte. Ich weiß nicht, ob er denſelben in Worten hätte ausdrücken können, ob er nicht davon mehr erfüllt war wie von einem Gefühl, in welchem ſich alle ſeine kirchlichen, politiſchen und dyna- ſtiſchen Beſtrebungen zuſammenfaßten; es war ein Gedanke, der mit der Macht des Unbewußten in der Tiefe ſeiner Seele ruhte und doch in jedem Falle mit voller Klarheit und An- wendbarkeit ergriffen, unaufhörlich, mit allen Mitteln des Krieges und der Politik verfolgt ward. Wir haben den Kaiſer oft auf ſeinen Kriegszügen be- gleitet; auch in den Zeiten ſeiner Krankheit probirt er ſich dann und wann den Harniſch an — denn wiewohl natür- licher Weiſe eher zaghaft, ſo daß er wohl in ſeinem Zim- mer vor dem leiſeſten Geräuſch erſchrecken konnte, — liebte er doch das Handwerk der Waffen: er hegte ein ritter- liches Gefühl für dieſen Beruf und wußte ſich Anſehen bei den Kriegsleuten zu erwerben. Dazu jedoch waren die

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/119>, abgerufen am 25.11.2024.