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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Stellung und Politik Carls V.
lem sein Bruder durch die Osmanen sah, gaben ihm hiezu
einen gleich starken Antrieb. Er sah sich in Gedanken schon
in Constantinopel, in Jerusalem. Seinen Zug gegen Tunis
ließ er sich im Ton einer Kreuzfahrt beschreiben.

In den spätern Zeiten nahm jedoch sein kaiserlicher Ehr-
geiz eine andre Wendung.

Indem er im Jahre 1541, 42 zu beiden Seiten mit
den Osmanen schlug, sah er plötzlich durch eine allgemeine
Combination seine Macht in dem Innern von Europa ge-
fährdet, und mit Nothwendigkeit erhob sich ihm der Ge-
danke, daß er vor allem andern erst diese befestigen, eine
bessere innere Einheit gründen müsse. 1 Es war der gefähr-
lichste Augenblick den er erlebt hat, aber die Politik die er in
demselben nach dem Innern gewandt ergriff, führte ihn rasch
zu den glücklichsten Erfolgen. Dort in der Nähe von Pa-
ris, wiewohl die Würfel noch zweifelhaft lagen, nöthigte er
doch den König Franz, zugleich auf seinen Bund mit den
Osmanen Verzicht zu leisten und Zusagen zu thun die selbst
gegen den Papst angewandt werden konnten. Denn in-
dem der Kaiser die weltliche Einheit einigermaßen befestigte,
war er schon entschlossen auch die geistliche wiederherzustel-
len. Wirklich konnte der Papst sich nun nicht mehr sträu-
ben das lange versprochene Concilium anzukündigen. Daß
die Protestanten sich weigerten es anzuerkennen, ward ein
Anlaß auch sie mit Gewalt der Waffen heimzusuchen. Der
glückliche Ausgang dieser Unternehmung gründete die Macht
in deren Besitz wir den Kaiser sehen: zur Wiederaufrichtung

1 Die Kriege mit Frankreich wurden am spanischen Hof als
bella intestina betrachtet.
Ranke D. Gesch. IV. 7

Stellung und Politik Carls V.
lem ſein Bruder durch die Osmanen ſah, gaben ihm hiezu
einen gleich ſtarken Antrieb. Er ſah ſich in Gedanken ſchon
in Conſtantinopel, in Jeruſalem. Seinen Zug gegen Tunis
ließ er ſich im Ton einer Kreuzfahrt beſchreiben.

In den ſpätern Zeiten nahm jedoch ſein kaiſerlicher Ehr-
geiz eine andre Wendung.

Indem er im Jahre 1541, 42 zu beiden Seiten mit
den Osmanen ſchlug, ſah er plötzlich durch eine allgemeine
Combination ſeine Macht in dem Innern von Europa ge-
fährdet, und mit Nothwendigkeit erhob ſich ihm der Ge-
danke, daß er vor allem andern erſt dieſe befeſtigen, eine
beſſere innere Einheit gründen müſſe. 1 Es war der gefähr-
lichſte Augenblick den er erlebt hat, aber die Politik die er in
demſelben nach dem Innern gewandt ergriff, führte ihn raſch
zu den glücklichſten Erfolgen. Dort in der Nähe von Pa-
ris, wiewohl die Würfel noch zweifelhaft lagen, nöthigte er
doch den König Franz, zugleich auf ſeinen Bund mit den
Osmanen Verzicht zu leiſten und Zuſagen zu thun die ſelbſt
gegen den Papſt angewandt werden konnten. Denn in-
dem der Kaiſer die weltliche Einheit einigermaßen befeſtigte,
war er ſchon entſchloſſen auch die geiſtliche wiederherzuſtel-
len. Wirklich konnte der Papſt ſich nun nicht mehr ſträu-
ben das lange verſprochene Concilium anzukündigen. Daß
die Proteſtanten ſich weigerten es anzuerkennen, ward ein
Anlaß auch ſie mit Gewalt der Waffen heimzuſuchen. Der
glückliche Ausgang dieſer Unternehmung gründete die Macht
in deren Beſitz wir den Kaiſer ſehen: zur Wiederaufrichtung

1 Die Kriege mit Frankreich wurden am ſpaniſchen Hof als
bella intestina betrachtet.
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[97/0109] Stellung und Politik Carls V. lem ſein Bruder durch die Osmanen ſah, gaben ihm hiezu einen gleich ſtarken Antrieb. Er ſah ſich in Gedanken ſchon in Conſtantinopel, in Jeruſalem. Seinen Zug gegen Tunis ließ er ſich im Ton einer Kreuzfahrt beſchreiben. In den ſpätern Zeiten nahm jedoch ſein kaiſerlicher Ehr- geiz eine andre Wendung. Indem er im Jahre 1541, 42 zu beiden Seiten mit den Osmanen ſchlug, ſah er plötzlich durch eine allgemeine Combination ſeine Macht in dem Innern von Europa ge- fährdet, und mit Nothwendigkeit erhob ſich ihm der Ge- danke, daß er vor allem andern erſt dieſe befeſtigen, eine beſſere innere Einheit gründen müſſe. 1 Es war der gefähr- lichſte Augenblick den er erlebt hat, aber die Politik die er in demſelben nach dem Innern gewandt ergriff, führte ihn raſch zu den glücklichſten Erfolgen. Dort in der Nähe von Pa- ris, wiewohl die Würfel noch zweifelhaft lagen, nöthigte er doch den König Franz, zugleich auf ſeinen Bund mit den Osmanen Verzicht zu leiſten und Zuſagen zu thun die ſelbſt gegen den Papſt angewandt werden konnten. Denn in- dem der Kaiſer die weltliche Einheit einigermaßen befeſtigte, war er ſchon entſchloſſen auch die geiſtliche wiederherzuſtel- len. Wirklich konnte der Papſt ſich nun nicht mehr ſträu- ben das lange verſprochene Concilium anzukündigen. Daß die Proteſtanten ſich weigerten es anzuerkennen, ward ein Anlaß auch ſie mit Gewalt der Waffen heimzuſuchen. Der glückliche Ausgang dieſer Unternehmung gründete die Macht in deren Beſitz wir den Kaiſer ſehen: zur Wiederaufrichtung 1 Die Kriege mit Frankreich wurden am ſpaniſchen Hof als bella intestina betrachtet. Ranke D. Geſch. IV. 7

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/109>, abgerufen am 24.11.2024.