in Eisenach zu erscheinen, wie er versprochen hatte, und sie mußten sich entschließen ihn in Wittenberg heimzusuchen. Auf dem Wege gesellten sich ihnen einige thüringisch-sächsische Theo- logen zu: was den Vortheil gewährte, daß man sich -- und zwar nicht von der Enge einer Conferenzstube beschlossen -- näher kennen lernte und von der beiderseitigen Geneigtheit zum Frieden überzeugte.
Der alte Widerwille, "das trübe Wasser" schien sich wieder regen zu wollen, da so eben der Briefwechsel zwischen Zwingli und Oekolampad erschien, der nicht immer glimpflich lautete. Butzern gelang es glücklicherweise seine Unschuld an dieser Publication darzuthun.
Auch in der Sache trat noch einmal eine bedeutende Differenz heraus.
Luther hatte die Erklärung gefordert, daß der Leib Christi im Abendmal nicht allein von den Unwürdigen sondern auch von den Gottlosen empfangen werde. Die Oberländer ga- ben jetzt das Erste zu, nicht aber das Letzte.
Bemerken wir wohl, daß hier noch einmal der Unter- schied der lutherischen und der schweizerischen Auffassung zu Tage kam. Jene, an dem Objectiven des Geheimnisses fest- haltend, nahm die Austheilung auch an die Gottlosen an. Diese, die von dem subjectiven Moment ausgegangen, konnte allenfalls den Genuß des wahren Leibes bei den Unwür- digen zugeben, vorausgesetzt daß dieselben die Kraft des Sa- cramentes im Allgemeinen anerkennen, nimmermehr aber bei den Gottlosen, die davon vielleicht gar nichts halten. Auf diese beiden Worte war jetzt der ganze Streit zurückgebracht, doch enthielt er noch die Verschiedenheit der ursprünglichen Auf-
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Wittenberger Concordie.
in Eiſenach zu erſcheinen, wie er verſprochen hatte, und ſie mußten ſich entſchließen ihn in Wittenberg heimzuſuchen. Auf dem Wege geſellten ſich ihnen einige thüringiſch-ſächſiſche Theo- logen zu: was den Vortheil gewährte, daß man ſich — und zwar nicht von der Enge einer Conferenzſtube beſchloſſen — näher kennen lernte und von der beiderſeitigen Geneigtheit zum Frieden überzeugte.
Der alte Widerwille, „das trübe Waſſer“ ſchien ſich wieder regen zu wollen, da ſo eben der Briefwechſel zwiſchen Zwingli und Oekolampad erſchien, der nicht immer glimpflich lautete. Butzern gelang es glücklicherweiſe ſeine Unſchuld an dieſer Publication darzuthun.
Auch in der Sache trat noch einmal eine bedeutende Differenz heraus.
Luther hatte die Erklärung gefordert, daß der Leib Chriſti im Abendmal nicht allein von den Unwürdigen ſondern auch von den Gottloſen empfangen werde. Die Oberländer ga- ben jetzt das Erſte zu, nicht aber das Letzte.
Bemerken wir wohl, daß hier noch einmal der Unter- ſchied der lutheriſchen und der ſchweizeriſchen Auffaſſung zu Tage kam. Jene, an dem Objectiven des Geheimniſſes feſt- haltend, nahm die Austheilung auch an die Gottloſen an. Dieſe, die von dem ſubjectiven Moment ausgegangen, konnte allenfalls den Genuß des wahren Leibes bei den Unwür- digen zugeben, vorausgeſetzt daß dieſelben die Kraft des Sa- cramentes im Allgemeinen anerkennen, nimmermehr aber bei den Gottloſen, die davon vielleicht gar nichts halten. Auf dieſe beiden Worte war jetzt der ganze Streit zurückgebracht, doch enthielt er noch die Verſchiedenheit der urſprünglichen Auf-
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Wittenberger Concordie.
in Eiſenach zu erſcheinen, wie er verſprochen hatte, und ſie
mußten ſich entſchließen ihn in Wittenberg heimzuſuchen. Auf
dem Wege geſellten ſich ihnen einige thüringiſch-ſächſiſche Theo-
logen zu: was den Vortheil gewährte, daß man ſich — und
zwar nicht von der Enge einer Conferenzſtube beſchloſſen —
näher kennen lernte und von der beiderſeitigen Geneigtheit zum
Frieden überzeugte.
Der alte Widerwille, „das trübe Waſſer“ ſchien ſich
wieder regen zu wollen, da ſo eben der Briefwechſel zwiſchen
Zwingli und Oekolampad erſchien, der nicht immer glimpflich
lautete. Butzern gelang es glücklicherweiſe ſeine Unſchuld an
dieſer Publication darzuthun.
Auch in der Sache trat noch einmal eine bedeutende
Differenz heraus.
Luther hatte die Erklärung gefordert, daß der Leib Chriſti
im Abendmal nicht allein von den Unwürdigen ſondern auch
von den Gottloſen empfangen werde. Die Oberländer ga-
ben jetzt das Erſte zu, nicht aber das Letzte.
Bemerken wir wohl, daß hier noch einmal der Unter-
ſchied der lutheriſchen und der ſchweizeriſchen Auffaſſung zu
Tage kam. Jene, an dem Objectiven des Geheimniſſes feſt-
haltend, nahm die Austheilung auch an die Gottloſen an.
Dieſe, die von dem ſubjectiven Moment ausgegangen, konnte
allenfalls den Genuß des wahren Leibes bei den Unwür-
digen zugeben, vorausgeſetzt daß dieſelben die Kraft des Sa-
cramentes im Allgemeinen anerkennen, nimmermehr aber bei
den Gottloſen, die davon vielleicht gar nichts halten. Auf
dieſe beiden Worte war jetzt der ganze Streit zurückgebracht,
doch enthielt er noch die Verſchiedenheit der urſprünglichen Auf-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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