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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Man faßte den Plan, der bald darauf auch ausgeführt wor-
den ist, in den Bundesrath vier neue Stimmen einzuführen,
zwei für die Fürsten, zwei für die Städte, so daß ihrer nun-
mehr dreizehn wurden.

Die Zunahme des Protestantismus im Reiche kam hie-
durch erst, wie wir sehen, dem Bunde zu Statten.

Nur mußte, ehe man die Sache für abgeschlossen hal-
ten konnte, auch die Erörterung der religiösen Differenzen, de-
ren Beilegung zwar angebahnt, aber nicht völlig zu Stande
gebracht war, nochmals vorgenommen werden. An jeder
Stelle greifen Politik und Theologie in einander.

Unermüdlich thätig war in der Zwischenzeit Butzer ge-
wesen. Fünf Wochen lang finden wir ihn in Augsburg:
dann in Constanz: dann im Würtenbergischen: endlich brachte
er es so weit, daß fast alle oberländische Prediger seine
vermittelnde Formel annahmen, deren Nachdruck darin liegt,
daß Brod und Wein allerdings Zeichen, aber zugleich dar-
reichende Zeichen seyen; Brod und Leib seyen eins, jedoch
sacramentlich, ohne Vermischung. Nicht allein Melanchthon,
mit dem Butzer in Cassel zusammenkam, sondern auch Luther
hatte sich damit einverstanden erklärt, und nur noch eine ab-
schließende Zusammenkunft beider Theile in Vorschlag gebracht.

Zur Seite der weltlichen Räthe versammelten sich auch
die oberländischen Theologen in Frankfurt. An dem Tage
an welchem der Abschied unterzeichnet ward, 10 Mai 1536,
brachen sie sämmtlich nach Thüringen auf. Es waren Capito
und Butzer von Strasburg, Frecht von Ulm, Otther von
Eßlingen, Wolffhardt und Mäußlin von Augsburg, Schüler
von Memmingen, Bernhardi von Frankfurt, Alber und Schra-
din
von Reutlingen. Luther war durch Krankheit verhindert

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Man faßte den Plan, der bald darauf auch ausgeführt wor-
den iſt, in den Bundesrath vier neue Stimmen einzuführen,
zwei für die Fürſten, zwei für die Städte, ſo daß ihrer nun-
mehr dreizehn wurden.

Die Zunahme des Proteſtantismus im Reiche kam hie-
durch erſt, wie wir ſehen, dem Bunde zu Statten.

Nur mußte, ehe man die Sache für abgeſchloſſen hal-
ten konnte, auch die Erörterung der religiöſen Differenzen, de-
ren Beilegung zwar angebahnt, aber nicht völlig zu Stande
gebracht war, nochmals vorgenommen werden. An jeder
Stelle greifen Politik und Theologie in einander.

Unermüdlich thätig war in der Zwiſchenzeit Butzer ge-
weſen. Fünf Wochen lang finden wir ihn in Augsburg:
dann in Conſtanz: dann im Würtenbergiſchen: endlich brachte
er es ſo weit, daß faſt alle oberländiſche Prediger ſeine
vermittelnde Formel annahmen, deren Nachdruck darin liegt,
daß Brod und Wein allerdings Zeichen, aber zugleich dar-
reichende Zeichen ſeyen; Brod und Leib ſeyen eins, jedoch
ſacramentlich, ohne Vermiſchung. Nicht allein Melanchthon,
mit dem Butzer in Caſſel zuſammenkam, ſondern auch Luther
hatte ſich damit einverſtanden erklärt, und nur noch eine ab-
ſchließende Zuſammenkunft beider Theile in Vorſchlag gebracht.

Zur Seite der weltlichen Räthe verſammelten ſich auch
die oberländiſchen Theologen in Frankfurt. An dem Tage
an welchem der Abſchied unterzeichnet ward, 10 Mai 1536,
brachen ſie ſämmtlich nach Thüringen auf. Es waren Capito
und Butzer von Strasburg, Frecht von Ulm, Otther von
Eßlingen, Wolffhardt und Mäußlin von Augsburg, Schüler
von Memmingen, Bernhardi von Frankfurt, Alber und Schra-
din
von Reutlingen. Luther war durch Krankheit verhindert

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[82/0094] Siebentes Buch. Zweites Capitel. Man faßte den Plan, der bald darauf auch ausgeführt wor- den iſt, in den Bundesrath vier neue Stimmen einzuführen, zwei für die Fürſten, zwei für die Städte, ſo daß ihrer nun- mehr dreizehn wurden. Die Zunahme des Proteſtantismus im Reiche kam hie- durch erſt, wie wir ſehen, dem Bunde zu Statten. Nur mußte, ehe man die Sache für abgeſchloſſen hal- ten konnte, auch die Erörterung der religiöſen Differenzen, de- ren Beilegung zwar angebahnt, aber nicht völlig zu Stande gebracht war, nochmals vorgenommen werden. An jeder Stelle greifen Politik und Theologie in einander. Unermüdlich thätig war in der Zwiſchenzeit Butzer ge- weſen. Fünf Wochen lang finden wir ihn in Augsburg: dann in Conſtanz: dann im Würtenbergiſchen: endlich brachte er es ſo weit, daß faſt alle oberländiſche Prediger ſeine vermittelnde Formel annahmen, deren Nachdruck darin liegt, daß Brod und Wein allerdings Zeichen, aber zugleich dar- reichende Zeichen ſeyen; Brod und Leib ſeyen eins, jedoch ſacramentlich, ohne Vermiſchung. Nicht allein Melanchthon, mit dem Butzer in Caſſel zuſammenkam, ſondern auch Luther hatte ſich damit einverſtanden erklärt, und nur noch eine ab- ſchließende Zuſammenkunft beider Theile in Vorſchlag gebracht. Zur Seite der weltlichen Räthe verſammelten ſich auch die oberländiſchen Theologen in Frankfurt. An dem Tage an welchem der Abſchied unterzeichnet ward, 10 Mai 1536, brachen ſie ſämmtlich nach Thüringen auf. Es waren Capito und Butzer von Strasburg, Frecht von Ulm, Otther von Eßlingen, Wolffhardt und Mäußlin von Augsburg, Schüler von Memmingen, Bernhardi von Frankfurt, Alber und Schra- din von Reutlingen. Luther war durch Krankheit verhindert

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/94>, abgerufen am 24.11.2024.