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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
her gehörten; obgleich der Kaiser noch immer den Frieden
von Cadan nicht ratificirt hatte, und er deshalb wohl be-
rechtigt gewesen wäre seine Anerkennung der römischen Kö-
nigswürde, die sich hieran knüpfte, zurückzunehmen, so ließ
er sich doch eine neue Erstreckung des Termines gefallen:
der König war höchst erfreut ihn wider Erwarten so nach-
giebig zu finden: er meinte, hätte er ihn auf dem Reichs-
tag von 1530 so gut gekannt, so sollten die Dinge nicht
so weit gekommen seyn.

Bei dieser günstigen Stimmung hatte nun aber der Chur-
fürst auch nicht gesäumt, die allgemeine Angelegenheit seiner
Glaubensgenossen, auf die es ihm am meisten ankam, die Er-
weiterung des Nürnberger Friedens, zur Sprache zu bringen. 1

Bemerken wir wohl, daß der König einen besonderen
Antrieb hatte, ihm hierin gefällig zu seyn.

Der Kaiser hatte wirklich Anwendung der Gewalt ge-
gen die Stadt Augsburg erlaubt, wofern sie sich hartnäckig
zeige, wie sie denn that, und schon machten die Herzoge
von Baiern Miene, auf diesen Grund die Stadt anzugrei-
fen. Der Vortheil weder des Königs noch des Kaisers
wäre gewesen, diesen damals wichtigsten deutschen Han-
delsplatz in die Hände von Baiern gerathen zu lassen,

1 In einem Bedenken für die Zusammenkunft in Wien im
weimarischen Archiv heißt es: Des Kammergerichtes Fürwendung,
es nehme keine Religionssachen vor, sey durch den Cadanischen Ver-
trag abgeschnitten, "indem das sich Kön. Maj. verpflicht hat, obwol
uf berührten Nürnbergischen Friden etwas Mißverstand -- welcher
Mißverstand eben des Kammergerichts Gegenfürwendung gewest --
fürgefallen, sol er doch aufgehoben sein, jetzt aber komme es auf die
Erstreckung des Nürnberger Friedens, auf die später zum Evange-
lium getretenen an, weil sonst jeder Beschwerte auf Bündniß in oder
außerhalb des Reiches gedenken werde."

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
her gehörten; obgleich der Kaiſer noch immer den Frieden
von Cadan nicht ratificirt hatte, und er deshalb wohl be-
rechtigt geweſen wäre ſeine Anerkennung der römiſchen Kö-
nigswürde, die ſich hieran knüpfte, zurückzunehmen, ſo ließ
er ſich doch eine neue Erſtreckung des Termines gefallen:
der König war höchſt erfreut ihn wider Erwarten ſo nach-
giebig zu finden: er meinte, hätte er ihn auf dem Reichs-
tag von 1530 ſo gut gekannt, ſo ſollten die Dinge nicht
ſo weit gekommen ſeyn.

Bei dieſer günſtigen Stimmung hatte nun aber der Chur-
fürſt auch nicht geſäumt, die allgemeine Angelegenheit ſeiner
Glaubensgenoſſen, auf die es ihm am meiſten ankam, die Er-
weiterung des Nürnberger Friedens, zur Sprache zu bringen. 1

Bemerken wir wohl, daß der König einen beſonderen
Antrieb hatte, ihm hierin gefällig zu ſeyn.

Der Kaiſer hatte wirklich Anwendung der Gewalt ge-
gen die Stadt Augsburg erlaubt, wofern ſie ſich hartnäckig
zeige, wie ſie denn that, und ſchon machten die Herzoge
von Baiern Miene, auf dieſen Grund die Stadt anzugrei-
fen. Der Vortheil weder des Königs noch des Kaiſers
wäre geweſen, dieſen damals wichtigſten deutſchen Han-
delsplatz in die Hände von Baiern gerathen zu laſſen,

1 In einem Bedenken fuͤr die Zuſammenkunft in Wien im
weimariſchen Archiv heißt es: Des Kammergerichtes Fuͤrwendung,
es nehme keine Religionsſachen vor, ſey durch den Cadaniſchen Ver-
trag abgeſchnitten, „indem das ſich Koͤn. Maj. verpflicht hat, obwol
uf beruͤhrten Nuͤrnbergiſchen Friden etwas Mißverſtand — welcher
Mißverſtand eben des Kammergerichts Gegenfuͤrwendung geweſt —
fuͤrgefallen, ſol er doch aufgehoben ſein, jetzt aber komme es auf die
Erſtreckung des Nuͤrnberger Friedens, auf die ſpaͤter zum Evange-
lium getretenen an, weil ſonſt jeder Beſchwerte auf Buͤndniß in oder
außerhalb des Reiches gedenken werde.“
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[76/0088] Siebentes Buch. Zweites Capitel. her gehörten; obgleich der Kaiſer noch immer den Frieden von Cadan nicht ratificirt hatte, und er deshalb wohl be- rechtigt geweſen wäre ſeine Anerkennung der römiſchen Kö- nigswürde, die ſich hieran knüpfte, zurückzunehmen, ſo ließ er ſich doch eine neue Erſtreckung des Termines gefallen: der König war höchſt erfreut ihn wider Erwarten ſo nach- giebig zu finden: er meinte, hätte er ihn auf dem Reichs- tag von 1530 ſo gut gekannt, ſo ſollten die Dinge nicht ſo weit gekommen ſeyn. Bei dieſer günſtigen Stimmung hatte nun aber der Chur- fürſt auch nicht geſäumt, die allgemeine Angelegenheit ſeiner Glaubensgenoſſen, auf die es ihm am meiſten ankam, die Er- weiterung des Nürnberger Friedens, zur Sprache zu bringen. 1 Bemerken wir wohl, daß der König einen beſonderen Antrieb hatte, ihm hierin gefällig zu ſeyn. Der Kaiſer hatte wirklich Anwendung der Gewalt ge- gen die Stadt Augsburg erlaubt, wofern ſie ſich hartnäckig zeige, wie ſie denn that, und ſchon machten die Herzoge von Baiern Miene, auf dieſen Grund die Stadt anzugrei- fen. Der Vortheil weder des Königs noch des Kaiſers wäre geweſen, dieſen damals wichtigſten deutſchen Han- delsplatz in die Hände von Baiern gerathen zu laſſen, 1 In einem Bedenken fuͤr die Zuſammenkunft in Wien im weimariſchen Archiv heißt es: Des Kammergerichtes Fuͤrwendung, es nehme keine Religionsſachen vor, ſey durch den Cadaniſchen Ver- trag abgeſchnitten, „indem das ſich Koͤn. Maj. verpflicht hat, obwol uf beruͤhrten Nuͤrnbergiſchen Friden etwas Mißverſtand — welcher Mißverſtand eben des Kammergerichts Gegenfuͤrwendung geweſt — fuͤrgefallen, ſol er doch aufgehoben ſein, jetzt aber komme es auf die Erſtreckung des Nuͤrnberger Friedens, auf die ſpaͤter zum Evange- lium getretenen an, weil ſonſt jeder Beſchwerte auf Buͤndniß in oder außerhalb des Reiches gedenken werde.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/88>, abgerufen am 24.11.2024.