bracht, aber damit wie sich denken läßt kein Gehör gefunden hatten. Wäre ein solcher Bund nicht in der That eben das Mittel gewesen, um die Protestanten zu einer Vereini- gung mit Frankreich, die man vermeiden mußte, vorwärts zu treiben?
Vielmehr näherte sich der Hof ganz offenbar den Pro- testanten.
Den Verlust von Würtenberg lernte er allmählig ver- schmerzen; als im Frühjahr und Sommer nach einander Landgraf Philipp und Herzog Ulrich in Wien erschienen, ward ein gutes Vernehmen mit ihnen hergestellt. Dem Her- zog ward Würtenberg verliehen, zwar als ein östreichisches Afterlehen, aber ohne die strengern Verpflichtungen die man ihm anfangs hatte auflegen wollen. Mit dem Landgrafen sprachen die kaiserlichen Räthe sogar von einem Bündniß; sie trugen ihm die Vermählung seines Erstgebornen und Er- ben mit einer Tochter des römischen Königs an.
Hierauf bedachte sich auch Johann Friedrich, der schon seit einiger Zeit mit Hofmann in vertraulicher Correspondenz stand, nicht länger, sich im November 1535 nach Wien zu be- geben. Die beste Aufnahme wurde ihm zu Theil. Er empfieng die Belehnung mit der Chur, was seine Räthe wohl, in Erin- nerung an die allgemeine Bedeutung dieser Würde, die sich an die Idee des Kaiserthums knüpfte, selbst als einen Fort- schritt in der religiösen Angelegenheit ansahen, als eine neue Anerkennung der Christlichkeit ihres Bekenntnisses; sein clevi- scher Ehevertrag ward ihm jetzt wenigstens von Seiten des Königs bestätigt. Dagegen gab er einige Schlösser an der ve- nezianischen Grenze auf, die ihm von Friedrich dem Weisen
Erweiterung des ſchmalkaldiſchen Bundes.
bracht, aber damit wie ſich denken läßt kein Gehör gefunden hatten. Wäre ein ſolcher Bund nicht in der That eben das Mittel geweſen, um die Proteſtanten zu einer Vereini- gung mit Frankreich, die man vermeiden mußte, vorwärts zu treiben?
Vielmehr näherte ſich der Hof ganz offenbar den Pro- teſtanten.
Den Verluſt von Würtenberg lernte er allmählig ver- ſchmerzen; als im Frühjahr und Sommer nach einander Landgraf Philipp und Herzog Ulrich in Wien erſchienen, ward ein gutes Vernehmen mit ihnen hergeſtellt. Dem Her- zog ward Würtenberg verliehen, zwar als ein öſtreichiſches Afterlehen, aber ohne die ſtrengern Verpflichtungen die man ihm anfangs hatte auflegen wollen. Mit dem Landgrafen ſprachen die kaiſerlichen Räthe ſogar von einem Bündniß; ſie trugen ihm die Vermählung ſeines Erſtgebornen und Er- ben mit einer Tochter des römiſchen Königs an.
Hierauf bedachte ſich auch Johann Friedrich, der ſchon ſeit einiger Zeit mit Hofmann in vertraulicher Correſpondenz ſtand, nicht länger, ſich im November 1535 nach Wien zu be- geben. Die beſte Aufnahme wurde ihm zu Theil. Er empfieng die Belehnung mit der Chur, was ſeine Räthe wohl, in Erin- nerung an die allgemeine Bedeutung dieſer Würde, die ſich an die Idee des Kaiſerthums knüpfte, ſelbſt als einen Fort- ſchritt in der religiöſen Angelegenheit anſahen, als eine neue Anerkennung der Chriſtlichkeit ihres Bekenntniſſes; ſein clevi- ſcher Ehevertrag ward ihm jetzt wenigſtens von Seiten des Königs beſtätigt. Dagegen gab er einige Schlöſſer an der ve- nezianiſchen Grenze auf, die ihm von Friedrich dem Weiſen
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Erweiterung des ſchmalkaldiſchen Bundes.
bracht, aber damit wie ſich denken läßt kein Gehör gefunden
hatten. Wäre ein ſolcher Bund nicht in der That eben
das Mittel geweſen, um die Proteſtanten zu einer Vereini-
gung mit Frankreich, die man vermeiden mußte, vorwärts
zu treiben?
Vielmehr näherte ſich der Hof ganz offenbar den Pro-
teſtanten.
Den Verluſt von Würtenberg lernte er allmählig ver-
ſchmerzen; als im Frühjahr und Sommer nach einander
Landgraf Philipp und Herzog Ulrich in Wien erſchienen,
ward ein gutes Vernehmen mit ihnen hergeſtellt. Dem Her-
zog ward Würtenberg verliehen, zwar als ein öſtreichiſches
Afterlehen, aber ohne die ſtrengern Verpflichtungen die man
ihm anfangs hatte auflegen wollen. Mit dem Landgrafen
ſprachen die kaiſerlichen Räthe ſogar von einem Bündniß;
ſie trugen ihm die Vermählung ſeines Erſtgebornen und Er-
ben mit einer Tochter des römiſchen Königs an.
Hierauf bedachte ſich auch Johann Friedrich, der ſchon
ſeit einiger Zeit mit Hofmann in vertraulicher Correſpondenz
ſtand, nicht länger, ſich im November 1535 nach Wien zu be-
geben. Die beſte Aufnahme wurde ihm zu Theil. Er empfieng
die Belehnung mit der Chur, was ſeine Räthe wohl, in Erin-
nerung an die allgemeine Bedeutung dieſer Würde, die ſich
an die Idee des Kaiſerthums knüpfte, ſelbſt als einen Fort-
ſchritt in der religiöſen Angelegenheit anſahen, als eine neue
Anerkennung der Chriſtlichkeit ihres Bekenntniſſes; ſein clevi-
ſcher Ehevertrag ward ihm jetzt wenigſtens von Seiten des
Königs beſtätigt. Dagegen gab er einige Schlöſſer an der ve-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/87>, abgerufen am 24.11.2024.
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