Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Erstes Capitel. Kaiser und der Papst, würden sich, in dieser Zeit der Ge-fahr, auf das engste verbünden? Es gehört zu dem eigen- sten Getriebe der Epoche daß dieß nicht geschah. Der alte Kampf zwischen Papstthum und Kaiserthum trat wenigstens in einer Art von Eifersucht hervor, die zugleich geistlicher und po- litischer Natur war, und die vollkommene Vereinigung beider Gewalten verhinderte. An der unbedingten Erhaltung des geistlichen Regiments, wie es bestand, konnte dem Kaiser nichts liegen; eine Erhebung der kaiserlichen Macht bis zu einem we- sentlichen und fühlbaren Übergewicht war dagegen dem Papste verhaßt: wir haben wohl gesehen daß er sich dann lieber an Frankreich anschloß, ja selbst mit dem Erbfeinde, den Osmanen, wenigstens in indirecte Beziehungen gerieth. Bis in die obersten Spitzen der alten weltlich-geistlichen Hierarchie zeigten sich die zersetzenden Tendenzen. Darauf, ob sie voll- kommen Herr werden, oder ob die zusammenhaltenden, die doch auch noch stark und mächtig waren, die Oberhand be- haupten würden, beruhte nun die Zukunft von Europa und von Deutschland. Siebentes Buch. Erſtes Capitel. Kaiſer und der Papſt, würden ſich, in dieſer Zeit der Ge-fahr, auf das engſte verbünden? Es gehört zu dem eigen- ſten Getriebe der Epoche daß dieß nicht geſchah. Der alte Kampf zwiſchen Papſtthum und Kaiſerthum trat wenigſtens in einer Art von Eiferſucht hervor, die zugleich geiſtlicher und po- litiſcher Natur war, und die vollkommene Vereinigung beider Gewalten verhinderte. An der unbedingten Erhaltung des geiſtlichen Regiments, wie es beſtand, konnte dem Kaiſer nichts liegen; eine Erhebung der kaiſerlichen Macht bis zu einem we- ſentlichen und fühlbaren Übergewicht war dagegen dem Papſte verhaßt: wir haben wohl geſehen daß er ſich dann lieber an Frankreich anſchloß, ja ſelbſt mit dem Erbfeinde, den Osmanen, wenigſtens in indirecte Beziehungen gerieth. Bis in die oberſten Spitzen der alten weltlich-geiſtlichen Hierarchie zeigten ſich die zerſetzenden Tendenzen. Darauf, ob ſie voll- kommen Herr werden, oder ob die zuſammenhaltenden, die doch auch noch ſtark und mächtig waren, die Oberhand be- haupten würden, beruhte nun die Zukunft von Europa und von Deutſchland. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0076" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Kaiſer und der Papſt, würden ſich, in dieſer Zeit der Ge-<lb/> fahr, auf das engſte verbünden? Es gehört zu dem eigen-<lb/> ſten Getriebe der Epoche daß dieß nicht geſchah. Der alte<lb/> Kampf zwiſchen Papſtthum und Kaiſerthum trat wenigſtens in<lb/> einer Art von Eiferſucht hervor, die zugleich geiſtlicher und po-<lb/> litiſcher Natur war, und die vollkommene Vereinigung beider<lb/> Gewalten verhinderte. An der unbedingten Erhaltung des<lb/> geiſtlichen Regiments, wie es beſtand, konnte dem Kaiſer nichts<lb/> liegen; eine Erhebung der kaiſerlichen Macht bis zu einem we-<lb/> ſentlichen und fühlbaren Übergewicht war dagegen dem Papſte<lb/> verhaßt: wir haben wohl geſehen daß er ſich dann lieber<lb/> an <placeName>Frankreich</placeName> anſchloß, ja ſelbſt mit dem Erbfeinde, den<lb/> Osmanen, wenigſtens in indirecte Beziehungen gerieth. Bis<lb/> in die oberſten Spitzen der alten weltlich-geiſtlichen Hierarchie<lb/> zeigten ſich die zerſetzenden Tendenzen. Darauf, ob ſie voll-<lb/> kommen Herr werden, oder ob die zuſammenhaltenden, die<lb/> doch auch noch ſtark und mächtig waren, die Oberhand be-<lb/> haupten würden, beruhte nun die Zukunft von <placeName>Europa</placeName> und<lb/> von <placeName>Deutſchland</placeName>.</p> </div> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [64/0076]
Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
Kaiſer und der Papſt, würden ſich, in dieſer Zeit der Ge-
fahr, auf das engſte verbünden? Es gehört zu dem eigen-
ſten Getriebe der Epoche daß dieß nicht geſchah. Der alte
Kampf zwiſchen Papſtthum und Kaiſerthum trat wenigſtens in
einer Art von Eiferſucht hervor, die zugleich geiſtlicher und po-
litiſcher Natur war, und die vollkommene Vereinigung beider
Gewalten verhinderte. An der unbedingten Erhaltung des
geiſtlichen Regiments, wie es beſtand, konnte dem Kaiſer nichts
liegen; eine Erhebung der kaiſerlichen Macht bis zu einem we-
ſentlichen und fühlbaren Übergewicht war dagegen dem Papſte
verhaßt: wir haben wohl geſehen daß er ſich dann lieber
an Frankreich anſchloß, ja ſelbſt mit dem Erbfeinde, den
Osmanen, wenigſtens in indirecte Beziehungen gerieth. Bis
in die oberſten Spitzen der alten weltlich-geiſtlichen Hierarchie
zeigten ſich die zerſetzenden Tendenzen. Darauf, ob ſie voll-
kommen Herr werden, oder ob die zuſammenhaltenden, die
doch auch noch ſtark und mächtig waren, die Oberhand be-
haupten würden, beruhte nun die Zukunft von Europa und
von Deutſchland.
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