Die englische Klostergeistlichkeit war eine der reichsten der Welt: ein venezianischer Gesandter giebt die Klostereinkünfte auf 500000 Duc. an; und was das sagen will, sieht man erst, wenn er hinzufügt, der gesammte englische Adel nehme nur 380000 Duc. ein. Alle diese Einkünfte fielen jetzt der Krone anheim. Dazu kamen aber die Kleinodien und Schätze, welche in den Klöstern aufgehäuft waren, die Güter der Rit- terorden, endlich die ersten Früchte, Annaten, Zehnten, die bis- her der Papst gezogen. Wenigstens eine annähernde Bezeich- nung von dem Zuwachs an Macht, den sie dadurch erlangte, mag es geben, wenn jener Venezianer die bisherigen weltli- chen Einkünfte auf ungefähr 700000, die neuen geistlichen aber auf mehr als 900000 Duc. berechnet. Die Einkünfte der Krone wären dadurch mehr als verdoppelt worden. 1
Und fragen wir nun, was für ein Gebrauch davon ge- macht worden, so kann man denen nicht beistimmen, welche von einer Vergeudung derselben reden. Heinrich VIII war eher geizig als verschwenderisch, und wird nichts haben in andere Hände kommen lassen, als was er doch nicht an sich selbst bringen konnte. Er verwandte sein Geld vielmehr auf bes- sere Befestigung von England und Irland. Er baute Festun- gen an der Küste, setzte die Häfen in bessern Stand (auf Portsmouth allein soll er nach und nach 300000 Sc. gewandt haben) und erhielt eine allzeit gerüstete streitfertige Flotte.
Wir dürfen wohl den Ursprung des commerciellen und maritimen Aufschwungs, den England nahm, in eben diese
Die engliſche Kloſtergeiſtlichkeit war eine der reichſten der Welt: ein venezianiſcher Geſandter giebt die Kloſtereinkünfte auf 500000 Duc. an; und was das ſagen will, ſieht man erſt, wenn er hinzufügt, der geſammte engliſche Adel nehme nur 380000 Duc. ein. Alle dieſe Einkünfte fielen jetzt der Krone anheim. Dazu kamen aber die Kleinodien und Schätze, welche in den Klöſtern aufgehäuft waren, die Güter der Rit- terorden, endlich die erſten Früchte, Annaten, Zehnten, die bis- her der Papſt gezogen. Wenigſtens eine annähernde Bezeich- nung von dem Zuwachs an Macht, den ſie dadurch erlangte, mag es geben, wenn jener Venezianer die bisherigen weltli- chen Einkünfte auf ungefähr 700000, die neuen geiſtlichen aber auf mehr als 900000 Duc. berechnet. Die Einkünfte der Krone wären dadurch mehr als verdoppelt worden. 1
Und fragen wir nun, was für ein Gebrauch davon ge- macht worden, ſo kann man denen nicht beiſtimmen, welche von einer Vergeudung derſelben reden. Heinrich VIII war eher geizig als verſchwenderiſch, und wird nichts haben in andere Hände kommen laſſen, als was er doch nicht an ſich ſelbſt bringen konnte. Er verwandte ſein Geld vielmehr auf beſ- ſere Befeſtigung von England und Irland. Er baute Feſtun- gen an der Küſte, ſetzte die Häfen in beſſern Stand (auf Portsmouth allein ſoll er nach und nach 300000 Sc. gewandt haben) und erhielt eine allzeit gerüſtete ſtreitfertige Flotte.
Wir dürfen wohl den Urſprung des commerciellen und maritimen Aufſchwungs, den England nahm, in eben dieſe
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[61/0073]
Neuerungen Heinrichs VIII.
Die engliſche Kloſtergeiſtlichkeit war eine der reichſten der
Welt: ein venezianiſcher Geſandter giebt die Kloſtereinkünfte
auf 500000 Duc. an; und was das ſagen will, ſieht man
erſt, wenn er hinzufügt, der geſammte engliſche Adel nehme
nur 380000 Duc. ein. Alle dieſe Einkünfte fielen jetzt der
Krone anheim. Dazu kamen aber die Kleinodien und Schätze,
welche in den Klöſtern aufgehäuft waren, die Güter der Rit-
terorden, endlich die erſten Früchte, Annaten, Zehnten, die bis-
her der Papſt gezogen. Wenigſtens eine annähernde Bezeich-
nung von dem Zuwachs an Macht, den ſie dadurch erlangte,
mag es geben, wenn jener Venezianer die bisherigen weltli-
chen Einkünfte auf ungefähr 700000, die neuen geiſtlichen
aber auf mehr als 900000 Duc. berechnet. Die Einkünfte
der Krone wären dadurch mehr als verdoppelt worden. 1
Und fragen wir nun, was für ein Gebrauch davon ge-
macht worden, ſo kann man denen nicht beiſtimmen, welche von
einer Vergeudung derſelben reden. Heinrich VIII war eher
geizig als verſchwenderiſch, und wird nichts haben in andere
Hände kommen laſſen, als was er doch nicht an ſich ſelbſt
bringen konnte. Er verwandte ſein Geld vielmehr auf beſ-
ſere Befeſtigung von England und Irland. Er baute Feſtun-
gen an der Küſte, ſetzte die Häfen in beſſern Stand (auf
Portsmouth allein ſoll er nach und nach 300000 Sc. gewandt
haben) und erhielt eine allzeit gerüſtete ſtreitfertige Flotte.
Wir dürfen wohl den Urſprung des commerciellen und
maritimen Aufſchwungs, den England nahm, in eben dieſe
1 Daniele Barbaro Relatione d’Inghilterra. Levati i mo-
nasteri et messe al fisco le possessioni dei monaci, il re Enrico
hebbe tanto di quelle quanto aveva prima d’entrata.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/73>, abgerufen am 24.11.2024.
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