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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
Dr Barbar; die übrigen ziehen ihre Beweise aus den fal-
schen Decretalen oder andern der alten Kirche untergeschobenen
Schriften, die sie für ächt halten, oder aus der Tradition, die
sie nicht fallen lassen wollen, und bleiben den gewohnten An-
sichten getreu.

Sodann aber, sollten diese Geistlichen, die sich dem
Könige angeschlossen um von ihm gegen die anticlericali-
schen Tendenzen vertheidigt zu werden, den neuen Meinungen
gegen sich selber Raum geben? Mit besonderer Ausführlich-
keit verbreiten sie sich in dem Buche über das Sacrament der
Weihe, auf welchem ihre eigene Autorität beruht. Sie hal-
ten an der Lehre vom Character fest, bezeichnen es als ein un-
veräußerliches Vorrecht des Bisthums, die Hierarchie fortzu-
pflanzen, die Priester nach Prüfung ihrer Würdigkeit zu ordini-
ren; den römischen Primat bestreiten sie mit der Behauptung,
daß die heilige Schrift und das erste Jahrhundert keinen Un-
terschied zwischen apostolischer und bischöflicher Gewalt kenne. 1
Den orthodoxen Clerus zu unterstützen scheint ihnen ein wesent-
licher Theil des königlichen Amtes. Bei dem vierten Gebote
schärfen sie den Gehorsam auch gegen die geistlichen Väter
ein, welche die Gewissen leiten.

Wir sehen: haben sie sich des Papstes entledigt, so suchen
sie doch nach der Seite des Volkes und der Laien hin ihre
ganze Stellung zu behaupten. In wie fern es ihnen damit
gelingen würde, bei dem freien Gebrauche der Schrift und

1 Certain truth, that neither the scripture nor any father
of the apostolical age mention our Saviour's making any distinc-
tion or disparity in the apostolical or episcopal character, but
that all the apostles and bishops were settled upon a foot of equa-
lity. Collier p.
141.

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
Dr Barbar; die übrigen ziehen ihre Beweiſe aus den fal-
ſchen Decretalen oder andern der alten Kirche untergeſchobenen
Schriften, die ſie für ächt halten, oder aus der Tradition, die
ſie nicht fallen laſſen wollen, und bleiben den gewohnten An-
ſichten getreu.

Sodann aber, ſollten dieſe Geiſtlichen, die ſich dem
Könige angeſchloſſen um von ihm gegen die anticlericali-
ſchen Tendenzen vertheidigt zu werden, den neuen Meinungen
gegen ſich ſelber Raum geben? Mit beſonderer Ausführlich-
keit verbreiten ſie ſich in dem Buche über das Sacrament der
Weihe, auf welchem ihre eigene Autorität beruht. Sie hal-
ten an der Lehre vom Character feſt, bezeichnen es als ein un-
veräußerliches Vorrecht des Bisthums, die Hierarchie fortzu-
pflanzen, die Prieſter nach Prüfung ihrer Würdigkeit zu ordini-
ren; den römiſchen Primat beſtreiten ſie mit der Behauptung,
daß die heilige Schrift und das erſte Jahrhundert keinen Un-
terſchied zwiſchen apoſtoliſcher und biſchöflicher Gewalt kenne. 1
Den orthodoxen Clerus zu unterſtützen ſcheint ihnen ein weſent-
licher Theil des königlichen Amtes. Bei dem vierten Gebote
ſchärfen ſie den Gehorſam auch gegen die geiſtlichen Väter
ein, welche die Gewiſſen leiten.

Wir ſehen: haben ſie ſich des Papſtes entledigt, ſo ſuchen
ſie doch nach der Seite des Volkes und der Laien hin ihre
ganze Stellung zu behaupten. In wie fern es ihnen damit
gelingen würde, bei dem freien Gebrauche der Schrift und

1 Certain truth, that neither the scripture nor any father
of the apostolical age mention our Saviour’s making any distinc-
tion or disparity in the apostolical or episcopal character, but
that all the apostles and bishops were settled upon a foot of equa-
lity. Collier p.
141.
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[58/0070] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. Dr Barbar; die übrigen ziehen ihre Beweiſe aus den fal- ſchen Decretalen oder andern der alten Kirche untergeſchobenen Schriften, die ſie für ächt halten, oder aus der Tradition, die ſie nicht fallen laſſen wollen, und bleiben den gewohnten An- ſichten getreu. Sodann aber, ſollten dieſe Geiſtlichen, die ſich dem Könige angeſchloſſen um von ihm gegen die anticlericali- ſchen Tendenzen vertheidigt zu werden, den neuen Meinungen gegen ſich ſelber Raum geben? Mit beſonderer Ausführlich- keit verbreiten ſie ſich in dem Buche über das Sacrament der Weihe, auf welchem ihre eigene Autorität beruht. Sie hal- ten an der Lehre vom Character feſt, bezeichnen es als ein un- veräußerliches Vorrecht des Bisthums, die Hierarchie fortzu- pflanzen, die Prieſter nach Prüfung ihrer Würdigkeit zu ordini- ren; den römiſchen Primat beſtreiten ſie mit der Behauptung, daß die heilige Schrift und das erſte Jahrhundert keinen Un- terſchied zwiſchen apoſtoliſcher und biſchöflicher Gewalt kenne. 1 Den orthodoxen Clerus zu unterſtützen ſcheint ihnen ein weſent- licher Theil des königlichen Amtes. Bei dem vierten Gebote ſchärfen ſie den Gehorſam auch gegen die geiſtlichen Väter ein, welche die Gewiſſen leiten. Wir ſehen: haben ſie ſich des Papſtes entledigt, ſo ſuchen ſie doch nach der Seite des Volkes und der Laien hin ihre ganze Stellung zu behaupten. In wie fern es ihnen damit gelingen würde, bei dem freien Gebrauche der Schrift und 1 Certain truth, that neither the scripture nor any father of the apostolical age mention our Saviour’s making any distinc- tion or disparity in the apostolical or episcopal character, but that all the apostles and bishops were settled upon a foot of equa- lity. Collier p. 141.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/70>, abgerufen am 28.11.2024.