Mal unterließ er das. Aber wer hätte daraus auf Gefahr schließen sollen? Ohne Arg folgten die beiden Churfürsten mit ihrem Gaste, dem Landgrafen, einer Einladung des Her- zog von Alba zum Abendessen aufs Schloß.
Hier aber trat nun die völlige Entwickelung dieses Er- eignisses hervor. Nach dem Essen, indem man sich in ver- schiedene Gruppen zum Spiel vertheilte, bemerkte der Her- zog den beiden Churfürsten, Landgraf Philipp werde diese Nacht bei ihm auf dem Schloß bleiben müssen. Die Fürsten, betroffen und erstaunt, erhoben die dringendsten Vorstellungen dagegen; Moritz wollte sich von seinem Schwiegervater schlech- terdings nicht trennen lassen. Keine Einwendungen aber ver- mochten hier eine Änderung hervorzubringen, und schon war es zu spät am Abend, um den Kaiser noch darüber zu sprechen. Wollte Moritz sich nicht allein entfernen, so konnte er, wie er that, mit auf dem Schloß bleiben. Genug, Philipp blieb und ward als Gefangener behandelt.
Ein nicht ungewöhnliches Verfahren der Spanier. So hatte sich einst Gonsalvo de Cordova des Cesare Borgia be- mächtigt. So hat Alba selbst später Egmont und Horn in seine Gewalt gebracht.
Daran ist zwar nicht zu denken, daß jene Erzählung, nach welcher in der Urkunde die Wörter einig und ewig ver- wechselt seyn sollen, wie sie lautet richtig wäre: die Sache im Ganzen angesehen, ist sie aber doch so irrig nicht. 1
1Mocenigo giebt gleichsam ein erstes Stadium der Erzählung, wenn er von dem Bischof von Arras sagt: E fama che la profession sua sia di negociare piu tosto astutamente che realnente; molti giudicano che per arte sua sia ingannato Landgravio, imperoche lui che ha la lingua tedescha maneggio quella pratica con li doi elettori et uso seco sopra l'assecurar esso Landgravio parole
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Mal unterließ er das. Aber wer hätte daraus auf Gefahr ſchließen ſollen? Ohne Arg folgten die beiden Churfürſten mit ihrem Gaſte, dem Landgrafen, einer Einladung des Her- zog von Alba zum Abendeſſen aufs Schloß.
Hier aber trat nun die völlige Entwickelung dieſes Er- eigniſſes hervor. Nach dem Eſſen, indem man ſich in ver- ſchiedene Gruppen zum Spiel vertheilte, bemerkte der Her- zog den beiden Churfürſten, Landgraf Philipp werde dieſe Nacht bei ihm auf dem Schloß bleiben müſſen. Die Fürſten, betroffen und erſtaunt, erhoben die dringendſten Vorſtellungen dagegen; Moritz wollte ſich von ſeinem Schwiegervater ſchlech- terdings nicht trennen laſſen. Keine Einwendungen aber ver- mochten hier eine Änderung hervorzubringen, und ſchon war es zu ſpät am Abend, um den Kaiſer noch darüber zu ſprechen. Wollte Moritz ſich nicht allein entfernen, ſo konnte er, wie er that, mit auf dem Schloß bleiben. Genug, Philipp blieb und ward als Gefangener behandelt.
Ein nicht ungewöhnliches Verfahren der Spanier. So hatte ſich einſt Gonſalvo de Cordova des Ceſare Borgia be- mächtigt. So hat Alba ſelbſt ſpäter Egmont und Horn in ſeine Gewalt gebracht.
Daran iſt zwar nicht zu denken, daß jene Erzählung, nach welcher in der Urkunde die Wörter einig und ewig ver- wechſelt ſeyn ſollen, wie ſie lautet richtig wäre: die Sache im Ganzen angeſehen, iſt ſie aber doch ſo irrig nicht. 1
1Mocenigo giebt gleichſam ein erſtes Stadium der Erzaͤhlung, wenn er von dem Biſchof von Arras ſagt: E fama che la profession sua sia di negociare piu tosto astutamente che realnente; molti giudicano che per arte sua sia ingannato Landgravio, imperoche lui che ha la lingua tedescha maneggiò quella pratica con li doi elettori et usò seco sopra l’assecurar esso Landgravio parole
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0542"n="530"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Mal unterließ er das. Aber wer hätte daraus auf Gefahr<lb/>ſchließen ſollen? Ohne Arg folgten die beiden Churfürſten<lb/>
mit ihrem Gaſte, dem Landgrafen, einer Einladung des Her-<lb/>
zog von <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118686704">Alba</persName> zum Abendeſſen aufs Schloß.</p><lb/><p>Hier aber trat nun die völlige Entwickelung dieſes Er-<lb/>
eigniſſes hervor. Nach dem Eſſen, indem man ſich in ver-<lb/>ſchiedene Gruppen zum Spiel vertheilte, bemerkte der Her-<lb/>
zog den beiden Churfürſten, Landgraf <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipp</persName> werde dieſe<lb/>
Nacht bei ihm auf dem Schloß bleiben müſſen. Die Fürſten,<lb/>
betroffen und erſtaunt, erhoben die dringendſten Vorſtellungen<lb/>
dagegen; <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118584138">Moritz</persName> wollte ſich von ſeinem Schwiegervater ſchlech-<lb/>
terdings nicht trennen laſſen. Keine Einwendungen aber ver-<lb/>
mochten hier eine Änderung hervorzubringen, und ſchon war<lb/>
es zu ſpät am Abend, um den Kaiſer noch darüber zu ſprechen.<lb/>
Wollte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118584138">Moritz</persName>ſich nicht allein entfernen, ſo konnte er, wie<lb/>
er that, mit auf dem Schloß bleiben. Genug, <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipp</persName> blieb<lb/>
und ward als Gefangener behandelt.</p><lb/><p>Ein nicht ungewöhnliches Verfahren der Spanier. So<lb/>
hatte ſich einſt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/121044386">Gonſalvo de Cordova</persName> des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118513559">Ceſare Borgia</persName> be-<lb/>
mächtigt. So hat <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118686704">Alba</persName>ſelbſt ſpäter <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118529153">Egmont</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/124375596">Horn</persName> in<lb/>ſeine Gewalt gebracht.</p><lb/><p>Daran iſt zwar nicht zu denken, daß jene Erzählung,<lb/>
nach welcher in der Urkunde die Wörter einig und ewig ver-<lb/>
wechſelt ſeyn ſollen, wie ſie lautet richtig wäre: die Sache<lb/>
im Ganzen angeſehen, iſt ſie aber doch ſo irrig nicht. <notexml:id="fn31i"n="1"place="foot"next="#fn31f"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/12872059X">Mocenigo</persName> giebt gleichſam ein erſtes Stadium der Erzaͤhlung,<lb/>
wenn er von dem Biſchof von <placeName>Arras</placeName>ſagt: <hirendition="#aq">E fama che la profession<lb/>
sua sia di negociare piu tosto astutamente che realnente; molti<lb/>
giudicano che per arte sua sia ingannato Landgravio, imperoche<lb/>
lui che ha la lingua tedescha maneggiò quella pratica con li<lb/>
doi elettori et usò seco sopra l’assecurar esso Landgravio parole</hi></note></p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[530/0542]
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Mal unterließ er das. Aber wer hätte daraus auf Gefahr
ſchließen ſollen? Ohne Arg folgten die beiden Churfürſten
mit ihrem Gaſte, dem Landgrafen, einer Einladung des Her-
zog von Alba zum Abendeſſen aufs Schloß.
Hier aber trat nun die völlige Entwickelung dieſes Er-
eigniſſes hervor. Nach dem Eſſen, indem man ſich in ver-
ſchiedene Gruppen zum Spiel vertheilte, bemerkte der Her-
zog den beiden Churfürſten, Landgraf Philipp werde dieſe
Nacht bei ihm auf dem Schloß bleiben müſſen. Die Fürſten,
betroffen und erſtaunt, erhoben die dringendſten Vorſtellungen
dagegen; Moritz wollte ſich von ſeinem Schwiegervater ſchlech-
terdings nicht trennen laſſen. Keine Einwendungen aber ver-
mochten hier eine Änderung hervorzubringen, und ſchon war
es zu ſpät am Abend, um den Kaiſer noch darüber zu ſprechen.
Wollte Moritz ſich nicht allein entfernen, ſo konnte er, wie
er that, mit auf dem Schloß bleiben. Genug, Philipp blieb
und ward als Gefangener behandelt.
Ein nicht ungewöhnliches Verfahren der Spanier. So
hatte ſich einſt Gonſalvo de Cordova des Ceſare Borgia be-
mächtigt. So hat Alba ſelbſt ſpäter Egmont und Horn in
ſeine Gewalt gebracht.
Daran iſt zwar nicht zu denken, daß jene Erzählung,
nach welcher in der Urkunde die Wörter einig und ewig ver-
wechſelt ſeyn ſollen, wie ſie lautet richtig wäre: die Sache
im Ganzen angeſehen, iſt ſie aber doch ſo irrig nicht. 1
1 Mocenigo giebt gleichſam ein erſtes Stadium der Erzaͤhlung,
wenn er von dem Biſchof von Arras ſagt: E fama che la profession
sua sia di negociare piu tosto astutamente che realnente; molti
giudicano che per arte sua sia ingannato Landgravio, imperoche
lui che ha la lingua tedescha maneggiò quella pratica con li
doi elettori et usò seco sopra l’assecurar esso Landgravio parole
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/542>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.