Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Achtes Buch. Fünftes Capitel. Er meint, die Churfürsten würden ihm das nicht übel neh-men können, da er der Versicherung die in jenen Artikeln enthalten sey, nicht entgegenhandle. 1 Er wußte demnach sehr gut, daß sie es nicht erwarteten: wie hätte er sonst fürchten können, sie würden es übel nehmen? Allein im Besitze jener ersten Eingabe fühlte er sich in seinem Recht. Seine Gewohnheit war nicht, um des Mißfallens willen, das ein deutscher Fürst empfinden könne, einen Gedanken aufzugeben, welchen er so lange gehegt, auf dessen Ausfüh- rung er so viel Werth legte. Nichts schmeichelte mehr sei- nem Selbstgefühl, als die alten Gegner, die ihm alle die Jahre daher furchtbar gewesen und ihm nicht selten ihren Willen aufgedrungen, endlich beide in seine Hände zu be- kommen. Noch an diesem Tage empfieng er ein Schreiben seines Bruders, der ihn darauf aufmerksam machte, daß sich der Landgraf nicht gutwillig zu irgend einer Art von Gefan- genschaft verstehn, er, der Kaiser, dagegen leicht das Mißver- gnügen der Churfürsten reizen und ihn selbst zur Verzweiflung bringen könne. 2 Aber Carl machte die Betrachtung, wenn er den Landgrafen festhalte, so könne er demselben ein ander Mal Gnade angedeihen lassen: dagegen ihn festzuhalten, wenn man ihn jetzt begnadige, dazu werde sich die Gelegenheit nie- mals wieder finden. -- Er wollte seine Beute nicht fahren 1 Bei Bucholtz IX, 427. Me deliberant de quand il se viendra rendre, le faire retenir prisonnier; dont lesdits electeurs ne se pourront resentir, puisque je ne contreviendray a l'asseu- rance que j'ai donne, parlant de prison avec l'addition de per- petuelle. 2 Leitmeritz 17 Juni. Et pour ce (wenn man nemlich an-
ders als mit der Gefangennehmung zu Werke gehe) ne se donne- roit occasion de sentiment aux princes electeurs. Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel. Er meint, die Churfürſten würden ihm das nicht übel neh-men können, da er der Verſicherung die in jenen Artikeln enthalten ſey, nicht entgegenhandle. 1 Er wußte demnach ſehr gut, daß ſie es nicht erwarteten: wie hätte er ſonſt fürchten können, ſie würden es übel nehmen? Allein im Beſitze jener erſten Eingabe fühlte er ſich in ſeinem Recht. Seine Gewohnheit war nicht, um des Mißfallens willen, das ein deutſcher Fürſt empfinden könne, einen Gedanken aufzugeben, welchen er ſo lange gehegt, auf deſſen Ausfüh- rung er ſo viel Werth legte. Nichts ſchmeichelte mehr ſei- nem Selbſtgefühl, als die alten Gegner, die ihm alle die Jahre daher furchtbar geweſen und ihm nicht ſelten ihren Willen aufgedrungen, endlich beide in ſeine Hände zu be- kommen. Noch an dieſem Tage empfieng er ein Schreiben ſeines Bruders, der ihn darauf aufmerkſam machte, daß ſich der Landgraf nicht gutwillig zu irgend einer Art von Gefan- genſchaft verſtehn, er, der Kaiſer, dagegen leicht das Mißver- gnügen der Churfürſten reizen und ihn ſelbſt zur Verzweiflung bringen könne. 2 Aber Carl machte die Betrachtung, wenn er den Landgrafen feſthalte, ſo könne er demſelben ein ander Mal Gnade angedeihen laſſen: dagegen ihn feſtzuhalten, wenn man ihn jetzt begnadige, dazu werde ſich die Gelegenheit nie- mals wieder finden. — Er wollte ſeine Beute nicht fahren 1 Bei Bucholtz IX, 427. Me deliberant de quand il se viendra rendre, le faire retenir prisonnier; dont lesdits electeurs ne se pourront resentir, puisque je ne contreviendray à l’asseu- rance que j’ai donné, parlant de prison avec l’addition de per- petuelle. 2 Leitmeritz 17 Juni. Et pour ce (wenn man nemlich an-
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Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Er meint, die Churfürſten würden ihm das nicht übel neh-
men können, da er der Verſicherung die in jenen Artikeln
enthalten ſey, nicht entgegenhandle. 1 Er wußte demnach
ſehr gut, daß ſie es nicht erwarteten: wie hätte er ſonſt
fürchten können, ſie würden es übel nehmen? Allein im
Beſitze jener erſten Eingabe fühlte er ſich in ſeinem Recht.
Seine Gewohnheit war nicht, um des Mißfallens willen,
das ein deutſcher Fürſt empfinden könne, einen Gedanken
aufzugeben, welchen er ſo lange gehegt, auf deſſen Ausfüh-
rung er ſo viel Werth legte. Nichts ſchmeichelte mehr ſei-
nem Selbſtgefühl, als die alten Gegner, die ihm alle die
Jahre daher furchtbar geweſen und ihm nicht ſelten ihren
Willen aufgedrungen, endlich beide in ſeine Hände zu be-
kommen. Noch an dieſem Tage empfieng er ein Schreiben
ſeines Bruders, der ihn darauf aufmerkſam machte, daß ſich
der Landgraf nicht gutwillig zu irgend einer Art von Gefan-
genſchaft verſtehn, er, der Kaiſer, dagegen leicht das Mißver-
gnügen der Churfürſten reizen und ihn ſelbſt zur Verzweiflung
bringen könne. 2 Aber Carl machte die Betrachtung, wenn
er den Landgrafen feſthalte, ſo könne er demſelben ein ander
Mal Gnade angedeihen laſſen: dagegen ihn feſtzuhalten, wenn
man ihn jetzt begnadige, dazu werde ſich die Gelegenheit nie-
mals wieder finden. — Er wollte ſeine Beute nicht fahren
1 Bei Bucholtz IX, 427. Me deliberant de quand il se
viendra rendre, le faire retenir prisonnier; dont lesdits electeurs
ne se pourront resentir, puisque je ne contreviendray à l’asseu-
rance que j’ai donné, parlant de prison avec l’addition de per-
petuelle.
2 Leitmeritz 17 Juni. Et pour ce (wenn man nemlich an-
ders als mit der Gefangennehmung zu Werke gehe) ne se donne-
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