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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Fünftes Capitel.
als einen gebornen Fürsten halten." "Ich will mich so
gegen Euch halten," erwiederte der Kaiser, "wie Ihr Euch
gegen mich gehalten." "Ihr suchtet," fiel König Ferdinand
ein, gleich als habe er erklären wollen wie dieß zu verstehn
sey, "mich und meine Kinder von Land und Leuten zu ver-
jagen: Ihr seyd mir ein feiner Mann." Wie weidete der
Bischof von Hildesheim, der in vollen Waffen durch die
Elbe gegangen -- im Namen der deutschen Bischöfe, wie er
sagt, die von dem Ketzer in so große Gefahr gesetzt wor-
den -- bei dem Anblick des gefangenen Ebers seine Augen.
So bezeichnet er ihn selbst: er sagt, er wolle nicht ein paar
hundert Ducaten dafür nehmen, nicht dabei gewesen zu seyn. 1
Am späten Abend erst kam Herzog Moritz zurück. Er hatte
an diesem Tage mehr als 20 Stunden zu Pferd gesessen;
bei der Verfolgung hatte ein feindlicher Reiter, plötzlich um-
kehrend, eine Feuerbüchse gegen ihn abgedrückt, die zu sei-
nem Glück nicht losgieng; noch mit einem andern war er
handgemein geworden, da hatte ihn ein Edelmann seiner
Umgebung gerettet; für alle diese Anstrengung und Gefahr
fand er nun bei seiner Rückkehr den Stammesvetter gefan-
gen; nun erst konnte er sich als Churfürst betrachten. Der
Hader der beiden Linien hatte ein Moment der großen Welt-
bewegungen gebildet; deren Erfolge entschieden ihn.

Als Gefangener ward Johann Friedrich vor seine Feste
Wittenberg gebracht.

Sehr ernstlich ist die Rede davon gewesen, ihm wegen
des doppelten Verbrechens der Rebellion und der Ketzerei
das Leben zu nehmen. In dem Todesurtheil ist hauptsäch-

1 Sein Bericht bei Bucholtz IX, 420.

Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
als einen gebornen Fürſten halten.“ „Ich will mich ſo
gegen Euch halten,“ erwiederte der Kaiſer, „wie Ihr Euch
gegen mich gehalten.“ „Ihr ſuchtet,“ fiel König Ferdinand
ein, gleich als habe er erklären wollen wie dieß zu verſtehn
ſey, „mich und meine Kinder von Land und Leuten zu ver-
jagen: Ihr ſeyd mir ein feiner Mann.“ Wie weidete der
Biſchof von Hildesheim, der in vollen Waffen durch die
Elbe gegangen — im Namen der deutſchen Biſchöfe, wie er
ſagt, die von dem Ketzer in ſo große Gefahr geſetzt wor-
den — bei dem Anblick des gefangenen Ebers ſeine Augen.
So bezeichnet er ihn ſelbſt: er ſagt, er wolle nicht ein paar
hundert Ducaten dafür nehmen, nicht dabei geweſen zu ſeyn. 1
Am ſpäten Abend erſt kam Herzog Moritz zurück. Er hatte
an dieſem Tage mehr als 20 Stunden zu Pferd geſeſſen;
bei der Verfolgung hatte ein feindlicher Reiter, plötzlich um-
kehrend, eine Feuerbüchſe gegen ihn abgedrückt, die zu ſei-
nem Glück nicht losgieng; noch mit einem andern war er
handgemein geworden, da hatte ihn ein Edelmann ſeiner
Umgebung gerettet; für alle dieſe Anſtrengung und Gefahr
fand er nun bei ſeiner Rückkehr den Stammesvetter gefan-
gen; nun erſt konnte er ſich als Churfürſt betrachten. Der
Hader der beiden Linien hatte ein Moment der großen Welt-
bewegungen gebildet; deren Erfolge entſchieden ihn.

Als Gefangener ward Johann Friedrich vor ſeine Feſte
Wittenberg gebracht.

Sehr ernſtlich iſt die Rede davon geweſen, ihm wegen
des doppelten Verbrechens der Rebellion und der Ketzerei
das Leben zu nehmen. In dem Todesurtheil iſt hauptſäch-

1 Sein Bericht bei Bucholtz IX, 420.
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[518/0530] Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel. als einen gebornen Fürſten halten.“ „Ich will mich ſo gegen Euch halten,“ erwiederte der Kaiſer, „wie Ihr Euch gegen mich gehalten.“ „Ihr ſuchtet,“ fiel König Ferdinand ein, gleich als habe er erklären wollen wie dieß zu verſtehn ſey, „mich und meine Kinder von Land und Leuten zu ver- jagen: Ihr ſeyd mir ein feiner Mann.“ Wie weidete der Biſchof von Hildesheim, der in vollen Waffen durch die Elbe gegangen — im Namen der deutſchen Biſchöfe, wie er ſagt, die von dem Ketzer in ſo große Gefahr geſetzt wor- den — bei dem Anblick des gefangenen Ebers ſeine Augen. So bezeichnet er ihn ſelbſt: er ſagt, er wolle nicht ein paar hundert Ducaten dafür nehmen, nicht dabei geweſen zu ſeyn. 1 Am ſpäten Abend erſt kam Herzog Moritz zurück. Er hatte an dieſem Tage mehr als 20 Stunden zu Pferd geſeſſen; bei der Verfolgung hatte ein feindlicher Reiter, plötzlich um- kehrend, eine Feuerbüchſe gegen ihn abgedrückt, die zu ſei- nem Glück nicht losgieng; noch mit einem andern war er handgemein geworden, da hatte ihn ein Edelmann ſeiner Umgebung gerettet; für alle dieſe Anſtrengung und Gefahr fand er nun bei ſeiner Rückkehr den Stammesvetter gefan- gen; nun erſt konnte er ſich als Churfürſt betrachten. Der Hader der beiden Linien hatte ein Moment der großen Welt- bewegungen gebildet; deren Erfolge entſchieden ihn. Als Gefangener ward Johann Friedrich vor ſeine Feſte Wittenberg gebracht. Sehr ernſtlich iſt die Rede davon geweſen, ihm wegen des doppelten Verbrechens der Rebellion und der Ketzerei das Leben zu nehmen. In dem Todesurtheil iſt hauptſäch- 1 Sein Bericht bei Bucholtz IX, 420.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/530>, abgerufen am 24.11.2024.