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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Stellung Johann Friedrichs 1547.

Schon war er Frankreichs nicht mehr sicher. Vielmehr
versprach König Franz in diesem Augenblicke wirklich eine
nicht unbedeutende monatliche Beihülfe für die fernere Dauer
des Krieges. 1 Am 28sten Januar war Heinrich VIII ge-
storben: die Testamentsvollstrecker versprachen, eben so viel zu
leisten wie die Franzosen.

Der Kaiser beabsichtigte einen Augenblick, die deutschen
Stände die ihm jetzt gehorchten, in Ulm zu versammeln, und
einen Bund zu Stande zu bringen im Sinne des alten schwä-
bischen, mit dessen Kräften er dann den Krieg weiter zu füh-
ren gedachte. Bald aber leuchtete ihm ein, daß er damit
nimmermehr zu Stande kommen werde, so lange Johann
Friedrich
noch zu Felde lag und ein Umschlag des Glückes
zu erwarten stand.

Und was ihn vollends entschied, war das Ereigniß
von Rochlitz. Er fürchtete, die böhmische Unruhe möchte
in die Bahn der alten Rebellionen gerathen. Ferdinand
schrieb ihm in einem Tone als sey alles verloren. Pirro
Colonna
, den er dahin geschickt, um Erkundigungen über die
Lage der Dinge einzuziehen, berichtete ihm, seine eigene An-
wesenheit sey dringend vonnöthen, die Person des Kaisers
sey mehr werth als 25000 Mann.

Hierauf entschloß sich Carl V. Er vergaß seine Krank-
heit und den Rath seiner Ärzte, noch eine Zeitlang der Luft
von Ulm zu genießen, seine Cur abzuwarten: "in Folge
des dringenden Verlangens unsers Bruders," schreibt er am
20sten März an Maria, "und aus Furcht, die Dinge möch-

1 Der König fürchtete nach Besiegung der Protestanten für
Piemont. Mesnage bei Ribier I, 598.
Stellung Johann Friedrichs 1547.

Schon war er Frankreichs nicht mehr ſicher. Vielmehr
verſprach König Franz in dieſem Augenblicke wirklich eine
nicht unbedeutende monatliche Beihülfe für die fernere Dauer
des Krieges. 1 Am 28ſten Januar war Heinrich VIII ge-
ſtorben: die Teſtamentsvollſtrecker verſprachen, eben ſo viel zu
leiſten wie die Franzoſen.

Der Kaiſer beabſichtigte einen Augenblick, die deutſchen
Stände die ihm jetzt gehorchten, in Ulm zu verſammeln, und
einen Bund zu Stande zu bringen im Sinne des alten ſchwä-
biſchen, mit deſſen Kräften er dann den Krieg weiter zu füh-
ren gedachte. Bald aber leuchtete ihm ein, daß er damit
nimmermehr zu Stande kommen werde, ſo lange Johann
Friedrich
noch zu Felde lag und ein Umſchlag des Glückes
zu erwarten ſtand.

Und was ihn vollends entſchied, war das Ereigniß
von Rochlitz. Er fürchtete, die böhmiſche Unruhe möchte
in die Bahn der alten Rebellionen gerathen. Ferdinand
ſchrieb ihm in einem Tone als ſey alles verloren. Pirro
Colonna
, den er dahin geſchickt, um Erkundigungen über die
Lage der Dinge einzuziehen, berichtete ihm, ſeine eigene An-
weſenheit ſey dringend vonnöthen, die Perſon des Kaiſers
ſey mehr werth als 25000 Mann.

Hierauf entſchloß ſich Carl V. Er vergaß ſeine Krank-
heit und den Rath ſeiner Ärzte, noch eine Zeitlang der Luft
von Ulm zu genießen, ſeine Cur abzuwarten: „in Folge
des dringenden Verlangens unſers Bruders,“ ſchreibt er am
20ſten März an Maria, „und aus Furcht, die Dinge möch-

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[505/0517] Stellung Johann Friedrichs 1547. Schon war er Frankreichs nicht mehr ſicher. Vielmehr verſprach König Franz in dieſem Augenblicke wirklich eine nicht unbedeutende monatliche Beihülfe für die fernere Dauer des Krieges. 1 Am 28ſten Januar war Heinrich VIII ge- ſtorben: die Teſtamentsvollſtrecker verſprachen, eben ſo viel zu leiſten wie die Franzoſen. Der Kaiſer beabſichtigte einen Augenblick, die deutſchen Stände die ihm jetzt gehorchten, in Ulm zu verſammeln, und einen Bund zu Stande zu bringen im Sinne des alten ſchwä- biſchen, mit deſſen Kräften er dann den Krieg weiter zu füh- ren gedachte. Bald aber leuchtete ihm ein, daß er damit nimmermehr zu Stande kommen werde, ſo lange Johann Friedrich noch zu Felde lag und ein Umſchlag des Glückes zu erwarten ſtand. Und was ihn vollends entſchied, war das Ereigniß von Rochlitz. Er fürchtete, die böhmiſche Unruhe möchte in die Bahn der alten Rebellionen gerathen. Ferdinand ſchrieb ihm in einem Tone als ſey alles verloren. Pirro Colonna, den er dahin geſchickt, um Erkundigungen über die Lage der Dinge einzuziehen, berichtete ihm, ſeine eigene An- weſenheit ſey dringend vonnöthen, die Perſon des Kaiſers ſey mehr werth als 25000 Mann. Hierauf entſchloß ſich Carl V. Er vergaß ſeine Krank- heit und den Rath ſeiner Ärzte, noch eine Zeitlang der Luft von Ulm zu genießen, ſeine Cur abzuwarten: „in Folge des dringenden Verlangens unſers Bruders,“ ſchreibt er am 20ſten März an Maria, „und aus Furcht, die Dinge möch- 1 Der Koͤnig fuͤrchtete nach Beſiegung der Proteſtanten fuͤr Piemont. Mesnage bei Ribier I, 598.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/517>, abgerufen am 24.11.2024.