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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Fünftes Capitel.
durfte sich mit dem unthätigen Antheil den die Populationen
ihm widmeten, nicht begnügen; jetzt war die Zeit gekommen,
wo Alles an Alles gesetzt werden mußte, wo der Krieg nicht
mehr mit den Überschüssen der Kammergüter und der Käm-
mereicassen geführt werden konnte, sondern alle Kräfte auch
der Privatleute in Bewegung zu setzen waren. Alles betrach-
tet, hatte er keine Wahl mehr: er war verloren oder er
mußte sich vorsetzen Kaiser zu werden, ein Kaiser der pro-
testantischen Stände, Städte und Bauern.

Aber einmal leuchtet ein, daß das Unbestimmte und
Weitaussehende dieser Stellung ihm in seinen Nachbarn neue
Feinde machen mußte, -- wie denn unter andern Joachim II
sich jetzt ernstlich dem Kaiser zuwandte, demselben sogar von
seinem Sohne mit ein paar hundert Mann einen Reiterdienst
thun ließ --; 1 und sodann: Johann Friedrich, der keinen ent-
schiedenen Ehrgeiz nährte, der alles von der Vorsehung erwar-
tete, die Waffen nur zur Vertheidigung in der Hand hielt, war
nicht der Mann, um sich in eine Rolle dieser Art auch nur zu
finden: er faßte wohl keine der vor ihm liegenden Möglich-
keiten weder des Glückes noch des Unglückes in ihrer gan-
zen Wahrheit auf.

Dagegen erkannte der Kaiser sehr wohl, was ihm ein
Gegner wie dieser, dadurch allein daß er da war, schaden könne,
wie mächtig ein Sieg über denselben ihn fördern müsse.


1 Vorher waren manche Vermittelungsvorschläge gegangen,
z. B. Articul, worauf die jetzt beschwerliche und sorgfeltige Kriegs-
handlung im h. Reich wiederumb in Frieden und Ruhe gebracht wer-
den mechten (Berliner Archiv), ganz protestantischen Inhalts, mit
der Forderung eines unparteiischen Kammergerichts etc., so daß Jo-
hann Friedrich
darauf eingieng, die aber unter den damaligen Um-
ständen zu keinem Ziele führen konnten.

Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
durfte ſich mit dem unthätigen Antheil den die Populationen
ihm widmeten, nicht begnügen; jetzt war die Zeit gekommen,
wo Alles an Alles geſetzt werden mußte, wo der Krieg nicht
mehr mit den Überſchüſſen der Kammergüter und der Käm-
mereicaſſen geführt werden konnte, ſondern alle Kräfte auch
der Privatleute in Bewegung zu ſetzen waren. Alles betrach-
tet, hatte er keine Wahl mehr: er war verloren oder er
mußte ſich vorſetzen Kaiſer zu werden, ein Kaiſer der pro-
teſtantiſchen Stände, Städte und Bauern.

Aber einmal leuchtet ein, daß das Unbeſtimmte und
Weitausſehende dieſer Stellung ihm in ſeinen Nachbarn neue
Feinde machen mußte, — wie denn unter andern Joachim II
ſich jetzt ernſtlich dem Kaiſer zuwandte, demſelben ſogar von
ſeinem Sohne mit ein paar hundert Mann einen Reiterdienſt
thun ließ —; 1 und ſodann: Johann Friedrich, der keinen ent-
ſchiedenen Ehrgeiz nährte, der alles von der Vorſehung erwar-
tete, die Waffen nur zur Vertheidigung in der Hand hielt, war
nicht der Mann, um ſich in eine Rolle dieſer Art auch nur zu
finden: er faßte wohl keine der vor ihm liegenden Möglich-
keiten weder des Glückes noch des Unglückes in ihrer gan-
zen Wahrheit auf.

Dagegen erkannte der Kaiſer ſehr wohl, was ihm ein
Gegner wie dieſer, dadurch allein daß er da war, ſchaden könne,
wie mächtig ein Sieg über denſelben ihn fördern müſſe.


1 Vorher waren manche Vermittelungsvorſchlaͤge gegangen,
z. B. Articul, worauf die jetzt beſchwerliche und ſorgfeltige Kriegs-
handlung im h. Reich wiederumb in Frieden und Ruhe gebracht wer-
den mechten (Berliner Archiv), ganz proteſtantiſchen Inhalts, mit
der Forderung eines unparteiiſchen Kammergerichts ꝛc., ſo daß Jo-
hann Friedrich
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ſtaͤnden zu keinem Ziele fuͤhren konnten.
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[504/0516] Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel. durfte ſich mit dem unthätigen Antheil den die Populationen ihm widmeten, nicht begnügen; jetzt war die Zeit gekommen, wo Alles an Alles geſetzt werden mußte, wo der Krieg nicht mehr mit den Überſchüſſen der Kammergüter und der Käm- mereicaſſen geführt werden konnte, ſondern alle Kräfte auch der Privatleute in Bewegung zu ſetzen waren. Alles betrach- tet, hatte er keine Wahl mehr: er war verloren oder er mußte ſich vorſetzen Kaiſer zu werden, ein Kaiſer der pro- teſtantiſchen Stände, Städte und Bauern. Aber einmal leuchtet ein, daß das Unbeſtimmte und Weitausſehende dieſer Stellung ihm in ſeinen Nachbarn neue Feinde machen mußte, — wie denn unter andern Joachim II ſich jetzt ernſtlich dem Kaiſer zuwandte, demſelben ſogar von ſeinem Sohne mit ein paar hundert Mann einen Reiterdienſt thun ließ —; 1 und ſodann: Johann Friedrich, der keinen ent- ſchiedenen Ehrgeiz nährte, der alles von der Vorſehung erwar- tete, die Waffen nur zur Vertheidigung in der Hand hielt, war nicht der Mann, um ſich in eine Rolle dieſer Art auch nur zu finden: er faßte wohl keine der vor ihm liegenden Möglich- keiten weder des Glückes noch des Unglückes in ihrer gan- zen Wahrheit auf. Dagegen erkannte der Kaiſer ſehr wohl, was ihm ein Gegner wie dieſer, dadurch allein daß er da war, ſchaden könne, wie mächtig ein Sieg über denſelben ihn fördern müſſe. 1 Vorher waren manche Vermittelungsvorſchlaͤge gegangen, z. B. Articul, worauf die jetzt beſchwerliche und ſorgfeltige Kriegs- handlung im h. Reich wiederumb in Frieden und Ruhe gebracht wer- den mechten (Berliner Archiv), ganz proteſtantiſchen Inhalts, mit der Forderung eines unparteiiſchen Kammergerichts ꝛc., ſo daß Jo- hann Friedrich darauf eingieng, die aber unter den damaligen Um- ſtaͤnden zu keinem Ziele fuͤhren konnten.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/516>, abgerufen am 28.11.2024.