staunte. Alles Alte sollte gerechtfertigt, behauptet werden. In der Justificationstheorie gelang es, diese wichtige Frage, welche alle Geister beschäftigte und dem alten System verderblich zu werden gedroht hatte, auf eine Weise zu beantworten, daß sie demselben nicht allein nicht widersprach, sondern vielmehr einen neuen Gegensatz gegen den Protestantismus bildete.
Eben darum konnte aber dem Kaiser nicht damit ge- dient seyn.
Wollte er die Protestanten zur Unterwerfung unter das Concil bewegen, so war es ein Hinderniß auf seinem Wege, wenn dieß ihre Tendenz und Ansicht so vollkommen verwarf. Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge- walt allein nicht zum Ziele kommen würde.
Da man aber dennoch fortgeschritten, und die Beschlüsse gefaßt hatte, so forderte er wenigstens einen Aufschub in der öffentlichen Bekanntmachung.
Die Trienter Versammlung wandte ein, ihr Ansehen werde leiden, wenn Beschlüsse über die so lange Berathung gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai- ser bestand darauf, daß man die Deutschen nicht mit De- creten eines ihnen so widerwärtigen Inhalts in Aufregung bringen dürfe, zumal da diese Nation keinen Antheil an de- ren Abfassung genommen, weder der katholische noch der protestantische Theil. Ungern, aber am Ende fügten sich der Papst und seine Prälaten diesen Vorstellungen. 1
Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch in andern Dingen einander entgegen.
ſtaunte. Alles Alte ſollte gerechtfertigt, behauptet werden. In der Juſtificationstheorie gelang es, dieſe wichtige Frage, welche alle Geiſter beſchäftigte und dem alten Syſtem verderblich zu werden gedroht hatte, auf eine Weiſe zu beantworten, daß ſie demſelben nicht allein nicht widerſprach, ſondern vielmehr einen neuen Gegenſatz gegen den Proteſtantismus bildete.
Eben darum konnte aber dem Kaiſer nicht damit ge- dient ſeyn.
Wollte er die Proteſtanten zur Unterwerfung unter das Concil bewegen, ſo war es ein Hinderniß auf ſeinem Wege, wenn dieß ihre Tendenz und Anſicht ſo vollkommen verwarf. Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge- walt allein nicht zum Ziele kommen würde.
Da man aber dennoch fortgeſchritten, und die Beſchlüſſe gefaßt hatte, ſo forderte er wenigſtens einen Aufſchub in der öffentlichen Bekanntmachung.
Die Trienter Verſammlung wandte ein, ihr Anſehen werde leiden, wenn Beſchlüſſe über die ſo lange Berathung gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai- ſer beſtand darauf, daß man die Deutſchen nicht mit De- creten eines ihnen ſo widerwärtigen Inhalts in Aufregung bringen dürfe, zumal da dieſe Nation keinen Antheil an de- ren Abfaſſung genommen, weder der katholiſche noch der proteſtantiſche Theil. Ungern, aber am Ende fügten ſich der Papſt und ſeine Prälaten dieſen Vorſtellungen. 1
Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch in andern Dingen einander entgegen.
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Achtes Buch. Viertes Capitel.
ſtaunte. Alles Alte ſollte gerechtfertigt, behauptet werden. In
der Juſtificationstheorie gelang es, dieſe wichtige Frage, welche
alle Geiſter beſchäftigte und dem alten Syſtem verderblich zu
werden gedroht hatte, auf eine Weiſe zu beantworten, daß
ſie demſelben nicht allein nicht widerſprach, ſondern vielmehr
einen neuen Gegenſatz gegen den Proteſtantismus bildete.
Eben darum konnte aber dem Kaiſer nicht damit ge-
dient ſeyn.
Wollte er die Proteſtanten zur Unterwerfung unter das
Concil bewegen, ſo war es ein Hinderniß auf ſeinem Wege,
wenn dieß ihre Tendenz und Anſicht ſo vollkommen verwarf.
Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge-
walt allein nicht zum Ziele kommen würde.
Da man aber dennoch fortgeſchritten, und die Beſchlüſſe
gefaßt hatte, ſo forderte er wenigſtens einen Aufſchub in der
öffentlichen Bekanntmachung.
Die Trienter Verſammlung wandte ein, ihr Anſehen
werde leiden, wenn Beſchlüſſe über die ſo lange Berathung
gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai-
ſer beſtand darauf, daß man die Deutſchen nicht mit De-
creten eines ihnen ſo widerwärtigen Inhalts in Aufregung
bringen dürfe, zumal da dieſe Nation keinen Antheil an de-
ren Abfaſſung genommen, weder der katholiſche noch der
proteſtantiſche Theil. Ungern, aber am Ende fügten ſich der
Papſt und ſeine Prälaten dieſen Vorſtellungen. 1
Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch
in andern Dingen einander entgegen.
1 Auszug aus dem Schreiben Farneſes bei Mendham (Coun-
cil of Trent) p. 95 und bei Pallavicini VIII, 16.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/498>, abgerufen am 16.02.2025.
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