war die Zeit vorüber, wo eine Annäherung möglich geschie- nen hatte. Die Löwener Artikel, die Äußerungen Malven- da's in Regensburg waren ganz entgegengesetzter Natur: da- bei blieb es nun auch in Trient.
In der Lehre von der Erbsünde verdammte das Con- cil die Meinung, daß die Taufe nicht alles hinweggenommen habe, was man eigentlich Sünde nennen könne.
Bei dem Artikel von der Justification kamen alle Die- jenigen schlecht weg, welche von der imputativen Gerechtig- keit viele Worte machten: sie wurden dem römischen Hofe als Solche bezeichnet, welche sich nicht katholisch ausge- drückt. Der Spanier Domenico Soto, der auf die Ent- scheidung dieser Fragen besondern Einfluß ausgeübt hat, be- merkte, ihm sey die ganze Lehre verdächtig: sie bewirke nur, daß man die Satisfactionen verachte, aus der Mittheilung der Gnade durch die Sacramente weniger mache. 1 Die Ansicht der Protestanten ward in allen ihren nähern Bestim- mungen verworfen.
Ich weiß nicht ob ich mich irre, wenn ich behaupte, daß der Protestantismus bei der Wendung die diese Ver- handlungen nahmen, an dem Vortheil seiner ursprünglichen Richtung nicht wenig verlor.
Die lutherische Justificationslehre hatte, wie wir gese- hen, eine doppelte Quelle: tiefere Religion, die nach einer andern Sicherheit der ewigen Seligkeit verlangt, als das Be- wußtseyn inwohnender Gnade verleihen kann, und Wider- wille gegen die Äußerlichkeiten der als objectiv verdienstlich be- trachteten kirchlichen Handlungen. Sie wirkte darum so ge-
war die Zeit vorüber, wo eine Annäherung möglich geſchie- nen hatte. Die Löwener Artikel, die Äußerungen Malven- da’s in Regensburg waren ganz entgegengeſetzter Natur: da- bei blieb es nun auch in Trient.
In der Lehre von der Erbſünde verdammte das Con- cil die Meinung, daß die Taufe nicht alles hinweggenommen habe, was man eigentlich Sünde nennen könne.
Bei dem Artikel von der Juſtification kamen alle Die- jenigen ſchlecht weg, welche von der imputativen Gerechtig- keit viele Worte machten: ſie wurden dem römiſchen Hofe als Solche bezeichnet, welche ſich nicht katholiſch ausge- drückt. Der Spanier Domenico Soto, der auf die Ent- ſcheidung dieſer Fragen beſondern Einfluß ausgeübt hat, be- merkte, ihm ſey die ganze Lehre verdächtig: ſie bewirke nur, daß man die Satisfactionen verachte, aus der Mittheilung der Gnade durch die Sacramente weniger mache. 1 Die Anſicht der Proteſtanten ward in allen ihren nähern Beſtim- mungen verworfen.
Ich weiß nicht ob ich mich irre, wenn ich behaupte, daß der Proteſtantismus bei der Wendung die dieſe Ver- handlungen nahmen, an dem Vortheil ſeiner urſprünglichen Richtung nicht wenig verlor.
Die lutheriſche Juſtificationslehre hatte, wie wir geſe- hen, eine doppelte Quelle: tiefere Religion, die nach einer andern Sicherheit der ewigen Seligkeit verlangt, als das Be- wußtſeyn inwohnender Gnade verleihen kann, und Wider- wille gegen die Äußerlichkeiten der als objectiv verdienſtlich be- trachteten kirchlichen Handlungen. Sie wirkte darum ſo ge-
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Achtes Buch. Viertes Capitel.
war die Zeit vorüber, wo eine Annäherung möglich geſchie-
nen hatte. Die Löwener Artikel, die Äußerungen Malven-
da’s in Regensburg waren ganz entgegengeſetzter Natur: da-
bei blieb es nun auch in Trient.
In der Lehre von der Erbſünde verdammte das Con-
cil die Meinung, daß die Taufe nicht alles hinweggenommen
habe, was man eigentlich Sünde nennen könne.
Bei dem Artikel von der Juſtification kamen alle Die-
jenigen ſchlecht weg, welche von der imputativen Gerechtig-
keit viele Worte machten: ſie wurden dem römiſchen Hofe
als Solche bezeichnet, welche ſich nicht katholiſch ausge-
drückt. Der Spanier Domenico Soto, der auf die Ent-
ſcheidung dieſer Fragen beſondern Einfluß ausgeübt hat, be-
merkte, ihm ſey die ganze Lehre verdächtig: ſie bewirke nur,
daß man die Satisfactionen verachte, aus der Mittheilung
der Gnade durch die Sacramente weniger mache. 1 Die
Anſicht der Proteſtanten ward in allen ihren nähern Beſtim-
mungen verworfen.
Ich weiß nicht ob ich mich irre, wenn ich behaupte,
daß der Proteſtantismus bei der Wendung die dieſe Ver-
handlungen nahmen, an dem Vortheil ſeiner urſprünglichen
Richtung nicht wenig verlor.
Die lutheriſche Juſtificationslehre hatte, wie wir geſe-
hen, eine doppelte Quelle: tiefere Religion, die nach einer
andern Sicherheit der ewigen Seligkeit verlangt, als das Be-
wußtſeyn inwohnender Gnade verleihen kann, und Wider-
wille gegen die Äußerlichkeiten der als objectiv verdienſtlich be-
trachteten kirchlichen Handlungen. Sie wirkte darum ſo ge-
1 Acta Massarelli bei Salig III, 767.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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