Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Aussöhn. und Unterwerf. Straßburg.

Indeß waren, ausgenommen Constanz, alle andere ober-
ländische Städte mit dem Kaiser ausgesöhnt. Am härtesten
war es der Stadt Straßburg gefallen, die von einem Bür-
germeister geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten
des Protestantismus den lebendigsten Antheil genommen,
auch nach dem Abzug der beiden Fürsten aus dem Feld
an den Grundsätzen des Bundes festhielt, und Andre zum
Widerstand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu-
letzt die Betrachtung, daß man der kaiserlichen Übermacht auf
die Länge nicht widerstehn werde, es wäre denn, man hätte
sich an Frankreich anschließen wollen: ein Gedanke, den diese
Zeiten noch verabscheuten und womit ihnen nicht einmal ge-
holfen gewesen wäre; daß der Wohlstand der Stadt auf
den auswärtigen Handelsgeschäften beruhe, worin ihr der
Kaiser mit einem einzigen Federstrich unwiederbringlichen Ab-
bruch thun könne; endlich daß der Kaiser die ordentliche
Obrigkeit sey. Es läßt sich denken, in welche trübe Stim-
mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie-
then. "Ich habe", schreibt Butzer, "unsern Herrn Jacob
Sturm
mit vielen Thränen Gott bitten sehen, ihm einzuge-
ben, was er rathen solle, damit es der Stadt zu Nutzen
und Wohlfahrt gereiche." Endlich aber behielt auch hier
der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. Jacob Sturm
war selbst in der Gesandtschaft die an den Kaiser abgeord-
net wurde um sich zu unterwerfen. Es war für ihn ein
bitterer Augenblick: er bat Gott um seinen Tod in derselben
Stunde; aber er konnte sich nicht weigern und mußte die
Gesandtschaft übernehmen. 1 Doch erhielt Straßburg etwas

1 Röhrich. Schreiben Butzers 16 März im Arch. zu Weimar.
Ausſoͤhn. und Unterwerf. Straßburg.

Indeß waren, ausgenommen Conſtanz, alle andere ober-
ländiſche Städte mit dem Kaiſer ausgeſöhnt. Am härteſten
war es der Stadt Straßburg gefallen, die von einem Bür-
germeiſter geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten
des Proteſtantismus den lebendigſten Antheil genommen,
auch nach dem Abzug der beiden Fürſten aus dem Feld
an den Grundſätzen des Bundes feſthielt, und Andre zum
Widerſtand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu-
letzt die Betrachtung, daß man der kaiſerlichen Übermacht auf
die Länge nicht widerſtehn werde, es wäre denn, man hätte
ſich an Frankreich anſchließen wollen: ein Gedanke, den dieſe
Zeiten noch verabſcheuten und womit ihnen nicht einmal ge-
holfen geweſen wäre; daß der Wohlſtand der Stadt auf
den auswärtigen Handelsgeſchäften beruhe, worin ihr der
Kaiſer mit einem einzigen Federſtrich unwiederbringlichen Ab-
bruch thun könne; endlich daß der Kaiſer die ordentliche
Obrigkeit ſey. Es läßt ſich denken, in welche trübe Stim-
mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie-
then. „Ich habe“, ſchreibt Butzer, „unſern Herrn Jacob
Sturm
mit vielen Thränen Gott bitten ſehen, ihm einzuge-
ben, was er rathen ſolle, damit es der Stadt zu Nutzen
und Wohlfahrt gereiche.“ Endlich aber behielt auch hier
der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. Jacob Sturm
war ſelbſt in der Geſandtſchaft die an den Kaiſer abgeord-
net wurde um ſich zu unterwerfen. Es war für ihn ein
bitterer Augenblick: er bat Gott um ſeinen Tod in derſelben
Stunde; aber er konnte ſich nicht weigern und mußte die
Geſandtſchaft übernehmen. 1 Doch erhielt Straßburg etwas

1 Roͤhrich. Schreiben Butzers 16 Maͤrz im Arch. zu Weimar.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0481" n="469"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Aus&#x017F;o&#x0364;hn. und Unterwerf. <placeName>Straßburg</placeName></hi>.</fw><lb/>
          <p>Indeß waren, ausgenommen <placeName>Con&#x017F;tanz</placeName>, alle andere ober-<lb/>
ländi&#x017F;che Städte mit dem Kai&#x017F;er ausge&#x017F;öhnt. Am härte&#x017F;ten<lb/>
war es der Stadt <placeName>Straßburg</placeName> gefallen, die von einem Bür-<lb/>
germei&#x017F;ter geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten<lb/>
des Prote&#x017F;tantismus den lebendig&#x017F;ten Antheil genommen,<lb/>
auch nach dem Abzug der beiden Für&#x017F;ten aus dem Feld<lb/>
an den Grund&#x017F;ätzen des Bundes fe&#x017F;thielt, und Andre zum<lb/>
Wider&#x017F;tand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu-<lb/>
letzt die Betrachtung, daß man der kai&#x017F;erlichen Übermacht auf<lb/>
die Länge nicht wider&#x017F;tehn werde, es wäre denn, man hätte<lb/>
&#x017F;ich an <placeName>Frankreich</placeName> an&#x017F;chließen wollen: ein Gedanke, den die&#x017F;e<lb/>
Zeiten noch verab&#x017F;cheuten und womit ihnen nicht einmal ge-<lb/>
holfen gewe&#x017F;en wäre; daß der Wohl&#x017F;tand der Stadt auf<lb/>
den auswärtigen Handelsge&#x017F;chäften beruhe, worin ihr der<lb/>
Kai&#x017F;er mit einem einzigen Feder&#x017F;trich unwiederbringlichen Ab-<lb/>
bruch thun könne; endlich daß der Kai&#x017F;er die ordentliche<lb/>
Obrigkeit &#x017F;ey. Es läßt &#x017F;ich denken, in welche trübe Stim-<lb/>
mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie-<lb/>
then. &#x201E;Ich habe&#x201C;, &#x017F;chreibt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Butzer</persName>, &#x201E;un&#x017F;ern Herrn <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11875758X">Jacob<lb/>
Sturm</persName> mit vielen Thränen Gott bitten &#x017F;ehen, ihm einzuge-<lb/>
ben, was er rathen &#x017F;olle, damit es der Stadt zu Nutzen<lb/>
und Wohlfahrt gereiche.&#x201C; Endlich aber behielt auch hier<lb/>
der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11875758X">Jacob Sturm</persName><lb/>
war &#x017F;elb&#x017F;t in der Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft die an den Kai&#x017F;er abgeord-<lb/>
net wurde um &#x017F;ich zu unterwerfen. Es war für ihn ein<lb/>
bitterer Augenblick: er bat Gott um &#x017F;einen Tod in der&#x017F;elben<lb/>
Stunde; aber er konnte &#x017F;ich nicht weigern und mußte die<lb/>
Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft übernehmen. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/10085382X">Ro&#x0364;hrich</persName>. Schreiben <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Butzers</persName> 16 Ma&#x0364;rz im Arch. zu <placeName>Weimar</placeName>.</note> Doch erhielt <placeName>Straßburg</placeName> etwas<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0481] Ausſoͤhn. und Unterwerf. Straßburg. Indeß waren, ausgenommen Conſtanz, alle andere ober- ländiſche Städte mit dem Kaiſer ausgeſöhnt. Am härteſten war es der Stadt Straßburg gefallen, die von einem Bür- germeiſter geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten des Proteſtantismus den lebendigſten Antheil genommen, auch nach dem Abzug der beiden Fürſten aus dem Feld an den Grundſätzen des Bundes feſthielt, und Andre zum Widerſtand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu- letzt die Betrachtung, daß man der kaiſerlichen Übermacht auf die Länge nicht widerſtehn werde, es wäre denn, man hätte ſich an Frankreich anſchließen wollen: ein Gedanke, den dieſe Zeiten noch verabſcheuten und womit ihnen nicht einmal ge- holfen geweſen wäre; daß der Wohlſtand der Stadt auf den auswärtigen Handelsgeſchäften beruhe, worin ihr der Kaiſer mit einem einzigen Federſtrich unwiederbringlichen Ab- bruch thun könne; endlich daß der Kaiſer die ordentliche Obrigkeit ſey. Es läßt ſich denken, in welche trübe Stim- mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie- then. „Ich habe“, ſchreibt Butzer, „unſern Herrn Jacob Sturm mit vielen Thränen Gott bitten ſehen, ihm einzuge- ben, was er rathen ſolle, damit es der Stadt zu Nutzen und Wohlfahrt gereiche.“ Endlich aber behielt auch hier der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. Jacob Sturm war ſelbſt in der Geſandtſchaft die an den Kaiſer abgeord- net wurde um ſich zu unterwerfen. Es war für ihn ein bitterer Augenblick: er bat Gott um ſeinen Tod in derſelben Stunde; aber er konnte ſich nicht weigern und mußte die Geſandtſchaft übernehmen. 1 Doch erhielt Straßburg etwas 1 Roͤhrich. Schreiben Butzers 16 Maͤrz im Arch. zu Weimar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/481
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/481>, abgerufen am 25.11.2024.