Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch. Drittes Capitel.
die Excommunication des Papstes alle Unterthanen des Stifts
vom Gehorsam gegen den bisherigen Erzbischof entbunden
seyen; dahin laute auch ein kaiserliches Decret, wenn nicht
der Erzbischof von seinem Vornehmen ablasse, wovon man
wisse daß er es nicht gethan; 1 und da nun schon längst das
Stift mit einem Coadjutor versehen sey, der den Ständen
bereits vorgestellt und von ihnen angenommen worden, so
sey des Kaisers ernstlicher Wille, daß der Coadjutor von
den Ständen als erwählter Erzbischof und natürlicher Fürst
anerkannt und ihm aller Gehorsam geleistet werde.

Afterdechant und Capitel versäumten nicht, auch von
ihrer Seite eine förmliche Präsentation des Coadjutors den
Ständen vorzutragen.

Die Stände waren jedoch nicht sogleich dieser Meinung.
Die clevischen Räthe und die kaiserlichen Commissarien un-
terhandelten mit ihnen den ganzen Tag, aber sie blieben da-
bei, obwohl sie der Kaiser und der Papst ihres Eides ent-
bunden, könnten sie doch als ehrliche Deutsche sich desselben
noch nicht erledigt erachten, wofern nicht ihr alter Fürst ein-
willige und ihnen ausdrücklich die Erlaubniß gebe sich ei-
nem neuen Herrn zu unterwerfen. Sie forderten eine Frist
um dessen Meinung zu vernehmen. Schon ward das Volk
ungeduldig, das sich -- mit dem Rathe der Stadt keines-
wegs ganz einverstanden, wiewohl durch dessen Strenge bis-

1 Quod Sua M. in decreto suo imperiali status omnes a
juramento, promissionibus et obligationibus quibuscumque, ubi
decreto huic ille non paruerit aut contravenerit, quod ipsum fe-
cisse notorium, censuerit liberandos et relevandos, - - et nunc
insuper summus pontifex lata sententia eosdem omnes ab univer-
sis juramentis et obligationibus absolverit, censeatque S. Maj. et
velit, easdem obligationes omnes transferendas ac praestandas
ipsi domino praesentato.
(Aus der Proposition. Brüsseler A.)

Achtes Buch. Drittes Capitel.
die Excommunication des Papſtes alle Unterthanen des Stifts
vom Gehorſam gegen den bisherigen Erzbiſchof entbunden
ſeyen; dahin laute auch ein kaiſerliches Decret, wenn nicht
der Erzbiſchof von ſeinem Vornehmen ablaſſe, wovon man
wiſſe daß er es nicht gethan; 1 und da nun ſchon längſt das
Stift mit einem Coadjutor verſehen ſey, der den Ständen
bereits vorgeſtellt und von ihnen angenommen worden, ſo
ſey des Kaiſers ernſtlicher Wille, daß der Coadjutor von
den Ständen als erwählter Erzbiſchof und natürlicher Fürſt
anerkannt und ihm aller Gehorſam geleiſtet werde.

Afterdechant und Capitel verſäumten nicht, auch von
ihrer Seite eine förmliche Präſentation des Coadjutors den
Ständen vorzutragen.

Die Stände waren jedoch nicht ſogleich dieſer Meinung.
Die cleviſchen Räthe und die kaiſerlichen Commiſſarien un-
terhandelten mit ihnen den ganzen Tag, aber ſie blieben da-
bei, obwohl ſie der Kaiſer und der Papſt ihres Eides ent-
bunden, könnten ſie doch als ehrliche Deutſche ſich deſſelben
noch nicht erledigt erachten, wofern nicht ihr alter Fürſt ein-
willige und ihnen ausdrücklich die Erlaubniß gebe ſich ei-
nem neuen Herrn zu unterwerfen. Sie forderten eine Friſt
um deſſen Meinung zu vernehmen. Schon ward das Volk
ungeduldig, das ſich — mit dem Rathe der Stadt keines-
wegs ganz einverſtanden, wiewohl durch deſſen Strenge bis-

1 Quod Sua M. in decreto suo imperiali status omnes a
juramento, promissionibus et obligationibus quibuscumque, ubi
decreto huic ille non paruerit aut contravenerit, quod ipsum fe-
cisse notorium, censuerit liberandos et relevandos, ‒ ‒ et nunc
insuper summus pontifex lata sententia eosdem omnes ab univer-
sis juramentis et obligationibus absolverit, censeatque S. Maj. et
velit, easdem obligationes omnes transferendas ac praestandas
ipsi domino praesentato.
(Aus der Propoſition. Bruͤſſeler A.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0478" n="466"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achtes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
die Excommunication des Pap&#x017F;tes alle Unterthanen des Stifts<lb/>
vom Gehor&#x017F;am gegen den bisherigen Erzbi&#x017F;chof entbunden<lb/>
&#x017F;eyen; dahin laute auch ein kai&#x017F;erliches Decret, wenn nicht<lb/>
der Erzbi&#x017F;chof von &#x017F;einem Vornehmen abla&#x017F;&#x017F;e, wovon man<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e daß er es nicht gethan; <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Quod Sua M. in decreto suo imperiali status omnes a<lb/>
juramento, promissionibus et obligationibus quibuscumque, ubi<lb/>
decreto huic ille non paruerit aut contravenerit, quod ipsum fe-<lb/>
cisse notorium, censuerit liberandos et relevandos, &#x2012; &#x2012; et nunc<lb/>
insuper summus pontifex lata sententia eosdem omnes ab univer-<lb/>
sis juramentis et obligationibus absolverit, censeatque S. Maj. et<lb/>
velit, easdem obligationes omnes transferendas ac praestandas<lb/>
ipsi domino praesentato.</hi> (Aus der Propo&#x017F;ition. Bru&#x0364;&#x017F;&#x017F;eler A.)</note> und da nun &#x017F;chon läng&#x017F;t das<lb/>
Stift mit einem Coadjutor ver&#x017F;ehen &#x017F;ey, der den Ständen<lb/>
bereits vorge&#x017F;tellt und von ihnen angenommen worden, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ey des Kai&#x017F;ers ern&#x017F;tlicher Wille, daß der Coadjutor von<lb/>
den Ständen als erwählter Erzbi&#x017F;chof und natürlicher Für&#x017F;t<lb/>
anerkannt und ihm aller Gehor&#x017F;am gelei&#x017F;tet werde.</p><lb/>
          <p>Afterdechant und Capitel ver&#x017F;äumten nicht, auch von<lb/>
ihrer Seite eine förmliche Prä&#x017F;entation des Coadjutors den<lb/>
Ständen vorzutragen.</p><lb/>
          <p>Die Stände waren jedoch nicht &#x017F;ogleich die&#x017F;er Meinung.<lb/>
Die clevi&#x017F;chen Räthe und die kai&#x017F;erlichen Commi&#x017F;&#x017F;arien un-<lb/>
terhandelten mit ihnen den ganzen Tag, aber &#x017F;ie blieben da-<lb/>
bei, obwohl &#x017F;ie der Kai&#x017F;er und der Pap&#x017F;t ihres Eides ent-<lb/>
bunden, könnten &#x017F;ie doch als ehrliche Deut&#x017F;che &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
noch nicht erledigt erachten, wofern nicht ihr alter Für&#x017F;t ein-<lb/>
willige und ihnen ausdrücklich die Erlaubniß gebe &#x017F;ich ei-<lb/>
nem neuen Herrn zu unterwerfen. Sie forderten eine Fri&#x017F;t<lb/>
um de&#x017F;&#x017F;en Meinung zu vernehmen. Schon ward das Volk<lb/>
ungeduldig, das &#x017F;ich &#x2014; mit dem Rathe der Stadt keines-<lb/>
wegs ganz einver&#x017F;tanden, wiewohl durch de&#x017F;&#x017F;en Strenge bis-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0478] Achtes Buch. Drittes Capitel. die Excommunication des Papſtes alle Unterthanen des Stifts vom Gehorſam gegen den bisherigen Erzbiſchof entbunden ſeyen; dahin laute auch ein kaiſerliches Decret, wenn nicht der Erzbiſchof von ſeinem Vornehmen ablaſſe, wovon man wiſſe daß er es nicht gethan; 1 und da nun ſchon längſt das Stift mit einem Coadjutor verſehen ſey, der den Ständen bereits vorgeſtellt und von ihnen angenommen worden, ſo ſey des Kaiſers ernſtlicher Wille, daß der Coadjutor von den Ständen als erwählter Erzbiſchof und natürlicher Fürſt anerkannt und ihm aller Gehorſam geleiſtet werde. Afterdechant und Capitel verſäumten nicht, auch von ihrer Seite eine förmliche Präſentation des Coadjutors den Ständen vorzutragen. Die Stände waren jedoch nicht ſogleich dieſer Meinung. Die cleviſchen Räthe und die kaiſerlichen Commiſſarien un- terhandelten mit ihnen den ganzen Tag, aber ſie blieben da- bei, obwohl ſie der Kaiſer und der Papſt ihres Eides ent- bunden, könnten ſie doch als ehrliche Deutſche ſich deſſelben noch nicht erledigt erachten, wofern nicht ihr alter Fürſt ein- willige und ihnen ausdrücklich die Erlaubniß gebe ſich ei- nem neuen Herrn zu unterwerfen. Sie forderten eine Friſt um deſſen Meinung zu vernehmen. Schon ward das Volk ungeduldig, das ſich — mit dem Rathe der Stadt keines- wegs ganz einverſtanden, wiewohl durch deſſen Strenge bis- 1 Quod Sua M. in decreto suo imperiali status omnes a juramento, promissionibus et obligationibus quibuscumque, ubi decreto huic ille non paruerit aut contravenerit, quod ipsum fe- cisse notorium, censuerit liberandos et relevandos, ‒ ‒ et nunc insuper summus pontifex lata sententia eosdem omnes ab univer- sis juramentis et obligationibus absolverit, censeatque S. Maj. et velit, easdem obligationes omnes transferendas ac praestandas ipsi domino praesentato. (Aus der Propoſition. Bruͤſſeler A.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/478
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/478>, abgerufen am 25.11.2024.